Klinikgeburten:Warum Hebammen um die Geburtshilfe in Bayern fürchten

Klinikgeburten: Zwischen 2013 und 2016 stieg die Zahl der in Kliniken geborenen Kinder in Bayern um 16 400 - trotzdem schlossen Kreißsäle.

Zwischen 2013 und 2016 stieg die Zahl der in Kliniken geborenen Kinder in Bayern um 16 400 - trotzdem schlossen Kreißsäle.

(Foto: Hartmut Pöstges)
  • Die Hebammen in Bayern sowie der Deutsche Hebammenverband bangen um eine ausreichende flächendeckende Versorgung bei der Geburtshilfe.
  • Sie liegen außerdem weiterhin im Streit mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen - dabei geht es darum, wie in Krankenhäusern tätige freiberufliche Hebammen in Zukunft ihre Leistungen abrechnen sollen.
  • Zwischen 2013 und 2016 stieg die Zahl der Klinikgeburten im Freistaat um 16 400 an, gleichzeitig schlossen aber sieben Kliniken.

Von Dietrich Mittler

Noch sind es regionale Einzelfälle - so wie etwa die Schließung der Belegabteilung für Geburtshilfe im oberbayerischen Bad Tölz Anfang dieses Monats. Doch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) weiß um die Durchschlagskraft solcher Hiobsbotschaften. "Schlagzeilen wie ,Mehr Kinder kommen jetzt im Auto zur Welt' verunsichern werdende Eltern enorm", sagt Huml - selbst Mutter zweier Kinder. Kinderkriegen sei ein emotionales Thema und entsprechend emotional reagiere die Bevölkerung daher auf die Schließung einer Geburtsstation.

Im Moment sind es Bayerns Hebammen, die im Verbund mit ihren Kolleginnen bundesweit vor weiteren Kreißsaal-Schließungen warnen. Hintergrund der Kampagne ist der seit Monaten anhaltende Streit mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen darüber, wie in Krankenhäusern tätige freiberufliche Hebammen in Zukunft ihre Leistungen abrechnen sollen und wie sich in der Folge ihr Aufgabenfeld bei der Betreuung werdender Mütter künftig definieren lässt.

Bis 19. Mai soll ein Schlichterspruch vorliegen, den beide Parteien zu akzeptieren haben. Der Spitzenverband der Kassen macht keinen Hehl daraus, dass er einige Vertragsinhalte grundlegend ändern will, bietet den freiberuflichen Hebammen zugleich aber auch an, ihre Vergütung "um bis zu 30 Prozent zu erhöhen".

Der Deutsche Hebammenverband lehnt das ab. Er sieht in den von den Kassen angestrebten Neuregelungen Nachteile: "Sie schaffen das System der freiberuflichen Beleghebammen in der heute bestehenden Form ab." Und auch dieser Vorwurf kommt: Der Spitzenverband der Kassen erwarte, dass die Kliniken die bislang noch freiberuflichen Hebammen anstellten, "um die klinische geburtshilfliche Versorgung sicherzustellen - und damit Geld einzusparen". Ein solches Ergebnis würden, wie aus Kreisen bayerischer Beleghebammen zu hören ist, viele nicht akzeptieren. Ein wesentlicher Grund: Beleghebammen haben deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz als angestellte Kolleginnen. Und ihr Honorar sei gerechter.

Falle das alles weg, würden viele sich von diesem Beruf abwenden, argumentiert der Verband. Bislang ist dies nicht mehr als eine Drohung. Doch die zeigt durchaus Wirkung. "In bayerischen Krankenhäusern", so weiß auch Gesundheitsministerin Huml, "liegt der Anteil von Beleghebammen bei 52,1 Prozent." Im restlichen Bundesgebiet sind es gerade einmal 17,2 Prozent. Und auch daran können Bayerns Gesundheitspolitiker nicht vorbei: In der Zeit von 2013 bis 2016 ist die Zahl der Klinikgeburten deutlich angestiegen - um nahezu 16 400. Damit nicht genug: Im gleichen Zeitraum sind im Freistaat sieben Kliniken geschlossen worden. Standen hier 2013 Frauen 116 Krankenhäuser offen, um ihr Kind zur Welt zu bringen, so seien es Ende 2016 nurmehr 109 Kliniken gewesen. Das erhöhe laut Hebammenverband den Arbeitsdruck in den noch existierenden Geburtsabteilungen. Und dort seien es eindeutig die Beleghebammen, die die meisten Geburten betreuten.

Auch diesen Trumpf bringen Bayerns Hebammen derzeit ins Spiel: Mehr als die Hälfte der hier geborenen Kinder komme in Häusern mit weniger als 1000 Geburten pro Jahr zur Welt - und die befänden sich vor allem in ländlichen Gebieten. "Dies ist für ein Flächenland bedeutsam", argumentiert der Landesverband. Solche Worte wirken. Erst kürzlich sorgten sie im Landtag gar für einen Schlagabtausch. Unter der Devise "Es brennt bei den Hebammen" hatten die Freien Wähler (FW) eine aktuelle Stunde im Plenum anberaumt und da die Forderung erhoben, die Fraktionen sollten die Hebammen mit einer Solidaritätsbekundung unterstützen.

Das kam bei der SPD und der CSU gar nicht gut an: Solidarität mit Hebammen ja, aber keine Einmischung in einen laufenden Tarifkonflikt, hieß es. Die Freien Wähler, so der Vorwurf, missbrauchten den Landtag "als Theaterbühne". Huml versuchte zu schlichten, warnte aber davor, "werdende Mütter unnötig zu verunsichern". Die Geburtshilfe sei "derzeit flächendeckend gesichert".

Fakt ist, dass die Zahl der Hebammen in Bayern seit Jahren zunimmt. Eine mittlerweile von Huml in Auftrag gegebene Studie soll klären, wie und wo diese Frauen tätig sind: ob etwa als freiberufliche Belegkräfte oder als fest angestellte Hebammen, ob in der Geburtshilfe oder nur in der Geburtsvor- und -nachbereitung. "Nur mit validen Daten können wir eine sinnvolle Diskussion führen", sagt Huml. Indes: Die in Auftrag gegebene Studie wird erst im Frühjahr 2018 vorliegen. "Dieser Auftrag hätte längst erteilt werden müssen", kritisieren die Grünen. Die Regierung habe "keine Ahnung von einer ausreichend flächendeckenden geburtshilflichen Versorgung in Bayern".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: