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Bayern Defizit

Jede zweite Klinik in Bayern hängt am Tropf

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Im Freistaat musste beinah jedes zweite Krankenhaus im vergangenen Jahr ein Defizit ausweisen. Damit gehört Bayern im bundesweiten Vergleich zu den Schlusslichtern. Mal wieder, den...n das schlechte Niveau verfestigt sich mittlerweile seit fünf Jahren. Aber nun gibt es Hoffnung auf Besserung.
Quelle: dpa
Bayerns Krankenhäuser stecken tief in den roten Zahlen. Immer wieder müssen Kliniken schließen. Die Bettenzahl sinkt, obwohl die Zahl der Patienten steigt. Nun könnte mehr Geld die Häuser fit für die Zukunft machen.

Für das Krankenhaus Hofheim kam das Aus vor wenigen Wochen. „Es ist mir schwergefallen, aber es war beim besten Willen betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar“, sagt Bürgermeister Wolfgang Borst (CSU), „das haben auch die Bürger eingesehen.“ Seit dem 1. Juli müssen die Hofheimer nun mindestens 14 Kilometer nach Haßfurt fahren, wenn sie sich stationär in einer Klinik behandeln lassen müssen.

Kein Einzelfall. Die Zahl der Kliniken im Freistaat sinkt. Und obwohl immer weniger Betten zur Verfügung stehen, steigt gleichzeitig die Zahl der Patienten, das ist dem kürzlich veröffentlichten Krankenhaus Rating Report des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zu entnehmen.

Bayern gehört zu den Schlusslichtern

In einer immer älter werdenden Gesellschaft ist das nicht erstaunlich. Die Zahl der über 70-Jährigen in Kliniken wächst spürbar, so das Ergebnis des Reports der Krankenkasse Barmer. Folge: Die Ausgaben steigen überproportional, immer mehr Krankenhäuser schreiben rote Zahlen und sind von Insolvenz bedroht.

Im Freistaat musste beinah jedes zweite Krankenhaus im vergangenen Jahr ein Defizit ausweisen. Damit gehört Bayern im bundesweiten Vergleich zu den Schlusslichtern. Mal wieder, denn das schlechte Niveau verfestigt sich mittlerweile seit fünf Jahren. Aber nun gibt es Hoffnung auf Besserung.

Kleine Häuser geraten unter Druck

Die prekäre Lage der Kliniken liege nicht daran, dass die Geschäftsführungen der 360 bayerischen Krankenhäuser mit mehr als 170.000 Beschäftigten schlecht wirtschaften. Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, BKG, sagt: „Die Anforderungen werden immer größer, wir haben eine enorme Leistungsverdichtung durch Vorgaben des Bundes, durch höhere Ansprüche der Patienten und durch den medizinisch-technischen Fortschritt.“ All das erfordere höhere Investitionen, aber die finanziellen Voraussetzungen würden nicht besser, sagt er.


Das war nicht immer so. Vor der Jahrtausendwende galt der Freistaat mit seiner Versorgungsstruktur und seiner Förderung als Leuchtturm unter den Bundesländern. Mehr als 600 Millionen Euro flossen jährlich in Bau und Ausstattung der Kliniken. Wohnortnahe Versorgung wurde großgeschrieben. Viele kleine Krankenhäuser entstanden. Das wurde über die Jahre teuer in einem Flächenland wie Bayern. Unter geänderten Rahmenbedingungen geraten nun häufig die kleinen Häuser unter Druck.

Die Krankenhaus-Touristen aus der Golfregion

Ob Garmisch-Partenkirchen, Düsseldorf oder Wiesbaden: Mit dem Sommer kommen auch weit gereiste Besucher in die Stadt. Sie reisen, um zu shoppen - und oft auch für einen Klinikaufenthalt.

Quelle: N24/Kevin Knauer

Krankenhäuser finanzieren sich generell aus zwei Töpfen. Die laufenden Kosten des Betriebs übernehmen die Krankenkassen, Investitionen für Bau oder Geräte finanzieren der Freistaat und die Kommunen je zur Hälfte. Die Höhe dieser Fördermittel bestimmt Bayern selbst und verteilt sie an alle Kliniken, die in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen sind. Damit haben sie Anspruch darauf, dass der Staat Investitionen finanziert, die für den Versorgungsauftrag nötig sind. In den vergangenen vier Jahren waren das jährlich rund 500 Millionen Euro.

Im Krankenhausplan ist zudem geregelt, wo wie viele Betten zur Verfügung stehen und welche Fachrichtungen angeboten werden. Er wird jährlich angepasst, sodass auf Veränderungen wie Zahl der Einwohner, Altersstruktur und Länge oder Häufigkeit des Krankenhausaufenthalts reagiert werden kann.

Jetzt soll mehr Geld in Bauprojekte fließen

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Genau das war das Problem im unterfränkischen Hofheim. Zu kleine Strukturen, stellt BKG-Geschäftsführer Hasenbein fest. Nur noch die Hälfte der insgesamt 25 Betten war im dortigen Krankenhaus zuletzt durchschnittlich belegt. Das kostete. Der Hofheimer Standort, an dem jährlich rund 1000 Patienten stationär behandelt wurden, gehörte zum Klinik-Verbund Haßberg-Kliniken. Dessen Defizit hatte sich in den vergangenen drei Jahren auf jährlich drei Millionen Euro summiert.

Trotz der Schließung wird weiterhin im Verbund ein sattes Minus erwartet: bis 2021 jährlich rund 1,9 Millionen Euro. Deshalb soll nun ein Sparkurs verordnet werden. Alles komme auf den Prüfstand hat Landrat Wilhelm Schneider (CSU) angekündigt.

Einem Kabinettsbeschluss von Mitte Juli zufolge soll nun mehr Geld in Klinikbauprojekte fließen. 492 Millionen Euro für 22 neue Bauvorhaben in den Jahren 2018 bis 2021 sind beschlossen.

Großteil der Gelder geht in ländliche Regionen

Zu den herausragenden Projekten gehören im kommenden Jahr Baumaßnahmen am Klinikum München-Bogenhausen, ein OP-Neubau und eine Gebäudeaufstockung an der Kreisklinik Altötting, die Generalsanierung des St. Anna Krankenhauses in Sulzbach-Rosenberg, der Neubau am Bezirkskrankenhaus Lohr am Main und zwei Neubauten an der Kreisklinik Ottobeuren.

Laut Finanzminister Markus Söder (CSU) gehen 70 Prozent der Gelder an Häuser in ländlichen Regionen. Die größte Summe kassiert eine Stadt. In Fürth wird mit mehr als 96 Millionen Euro das Klinikum modernisiert.

Wettbewerb in der Landeshauptstadt

Seit vergangenem Jahr steht die Krankenhausfinanzierung auf neuen Füßen. Qualität verbessern und Strukturen optimieren, so lautet das Ziel des seit 2016 geltenden Krankenhausstrukturgesetzes. Optimieren heißt in diesem Fall weniger Angebot. Betten zu reduzieren, Abteilungen zusammenzulegen und Kapazitäten abzubauen kostet nämlich auch viel Geld. Dafür steht bis 2018 bundesweit ein Fonds in Höhe von 500 Millionen Euro zur Verfügung. 75 Millionen davon fließen für strukturverbessernde Investitionen nach Bayern.

Zum Teil nach München. Denn während auf dem Land die Zahl der Krankenhäuser sinkt, stehen in der Landeshauptstadt viele Kliniken in scharfem Wettbewerb. Auch wenn die BKG eine Überversorgung nicht erkennen kann und auf die Magnetfunktion von München weit über die umliegenden Landkreise hinaus verweist – das Städtische Klinikum München investiert in die Sanierung der Häuser in Bogenhausen, Harlaching und Neuperlach, eines der größten Projekte im deutschen Gesundheitswesen, Größenordnung bis 2024: rund eine dreiviertel Milliarde Euro.

Das nächste Problem kündigt sich bereits an

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Die Zahl der Anträge sei so hoch wie schon lange nicht mehr, erklärt der BKG-Geschäftsführer, das öffentliche Fördervolumen reiche schon seit mehreren Jahren nicht aus. Vor allem bei der Geräteausstattung hapert es demnach. Und eine weitere Problematik kündigt sich an: der Fachkräftemangel. Insbesondere in der Pflege fehlt demnach der Nachwuchs. Diese Entwicklung bestätigt auch eine Umfrage der BKG unter den Kliniken im Freistaat.

Hasenbeins Worten zufolge deutet sich langsam ein Investitionsstau an. Nach Berechnung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus, InEK, liegt der jährliche Investitionsbedarf für Bayern bei mehr als 800 Millionen Euro, die BKG sieht den Bedarf bei bis zu 750 Millionen Euro.

Nun scheint sich etwas zu bewegen. „Es gibt deutliche Hinweise, dass das Fördervolumen im nächsten Jahr angehoben wird“, so Hasenbein. Ob das jedoch reicht, das Kliniksterben aufzuhalten, ist mehr als ungewiss.

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