GESUNDHEIT: Zentralschweizer Spitäler fürchten um Existenz

Regionalspitäler verlieren ihre Patienten wegen strengerer Vorschriften immer öfter an Universitätskliniken. Mit dem Beitritt in einen Verbund will man diesem Trend entgegentreten.

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Möglichst viele Leistungserbringer (im Bild das Kantonsspital Uri in Altdorf sollen sich am elektronischen Patientendossier beteiligen. (Bild Urs Hanhart)

Möglichst viele Leistungserbringer (im Bild das Kantonsspital Uri in Altdorf sollen sich am elektronischen Patientendossier beteiligen. (Bild Urs Hanhart)

Martina Odermatt

martina.odermatt@luzernerzeitung.ch

Die Stimmung ist aufgeheizt bei den zentralschweizerischen Regionalspitälern. Sie fürchten längerfristig um ihre Existenz. Grund dafür sind unter anderem Vorgaben der Interkantonalen Vereinbarung für die hoch spezialisierte Medizin (IVHSM). Diese gibt allen Spitälern Richtlinien vor. Seit 2008 existiert eine Leistungszuteilung, die festlegt, welche Eingriffe in welchem Spital vollzogen werden können. Gab es zu Beginn noch weniger Einschränkungen, haben diese mit der Zeit zugenommen.

Nun haben sich Zentralschweizer Regionalspitäler zusammengeschlossen, wie sie am Freitag an einer Pressekonferenz bekanntmachten. Mit dabei ist etwa das Kantonsspital Uri, die Klinik St. Anna in Luzern, das Spital Schwyz, das Kantonsspital Obwalden und das Zuger Kantonsspital. Gemeinsam haben sie sich dem Verbund «Nähe schafft Gesundheit. Ihr Spital in der Region» angeschlossen.

Der Verbund kämpft für die Erhaltung der regionalen Spitäler. «Uns werden Kompetenzen aberkannt. Behandlungen, die wir bis 2012 ohne Probleme durchführen konnten, dürfen wir jetzt nicht mehr machen», sagt Fortunat von Planta, Spitaldirektor Kantonsspital Uri und Präsident Spitäler Zentralschweiz. Er nennt das Vorgehen der IVHSM praxisfern und struktur- statt ergebnisorientiert.

Wenige Zentimeter können entscheiden

Beispielsweise muss ein Sturz aus drei Metern Höhe in einem Zentrum behandelt werden – ungeachtet davon, wie schwer der Patient tatsächlich verletzt ist. Fällt also eine Person beim Wandern drei Meter zwanzig in die Tiefe, hat aber Glück und verletzt sich lediglich am Fuss, müssten sie die Rettungskräfte laut Vorschrift trotzdem in ein Zentrum für hoch spezialisierte Medizin bringen.

Ähnlich verhält es sich mit Knallkörpern. Gemäss den Triageempfehlungen müssen alle Explosionsverletzungen in einem Zentrum behandelt werden, auch wenn die Person sich dabei lediglich oberflächliche Verletzungen an einer Hand zugezogen hat.

Mit dem Anschluss im Verbund hofft von Planta, dass man die Regulierungswut der IVHSM eindämmen kann. «Der Verbund wehrt sich dagegen, dass mit immer mehr praxisfernen Vorschriften, Auflagen, Anforderungen und Zentralisierungsbestrebungen die gut funktionierende und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung geschwächt wird», sagt er.

Laut IVHSM dürfen gewisse Behandlungen nur noch dann ausgeführt werden, wenn das Spital über ausreichende Fallzahlen und hoch spezialisiertes Personal verfügt, sowie in die Forschung investiert. Gerade für kleinere Spitäler wird dies zum Problem, denn: «Universitätskliniken erhalten finanzielle Mittel für die Forschung, Regionalspitäler müssen diese Ressourcen selber bewerkstelligen», sagt Martin Nufer, Medizinischer Direktor der Klinik St. Anna.

«Zur Qualität gibt es keine Daten»

Auch sei oft die Rede davon, dass die Qualität in den Zentren besser sei als in den Regionalspitälern. «Das kann aber niemand belegen, denn zur Qualität gibt es keine Daten.» Zwar müssten alle Spitäler seit 2012 diverse Datenbanken füttern, doch ausgewertet würden diese Daten nicht, sagt Nufer. Bei der Erlebnisqualität jedoch – also etwa wie zufrieden der Patient im Spital war – würden Regionalspitale immer gut abschneiden. Martin Nufer betont: «Wir würden uns auch einem Qualitätswettbewerb stellen.»

Dürfen Regionalspitäler gewisse Behandlungen nicht mehr durchführen, werden sie auch als Arbeitgeber unattraktiv. Matthias Winistörfer, Spitaldirektor Zuger Kantonsspital, fügt an: «Unser Ziel ist nicht, dass wir Fälle übernehmen, für die wir nicht kompetent genug sind. Aber wir möchten jene Behandlungen weiterhin durchführen können, zu welchen wir fähig sind.» Über zwei Drittel der Schwerverletzten, die Traumazentren zugewiesenen wurden, hätten auch in einem Regionalspital mit Schockraum behandelt werden können, führt er aus. «Das entspricht einer absoluten Überbehandlung.»

Sauer stösst den Spitaldirektoren auch die Zusammensetzung des Fachgremiums auf, welches die Leistungen zuteilt. Dieses bestehe grossmehrheitlich aus Mitgliedern, die in Kantonen mit Universitätsklinik zu Hause seien. Winistörfer: «Die Absicht ist klar: Die Regeln sollen Universitätskliniken mehr Fälle geben.»