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Bremer Kliniken sind überfordert Qualifizierte Leichenschau sorgt für Wartezeiten

Seit dem 1. August gibt es in Bremen als erstes Bundesland die qualifizierte Leichenschau. Das stellt die Kliniken vor Probleme: Bis zu drei Tage dauert es, dass Verstorbene überführt werden können.
25.08.2017, 22:50 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Qualifizierte Leichenschau sorgt für Wartezeiten
Von Sabine Doll

Das neue Gesetz zur qualifizierten Leichenschau ist gerade einmal knapp vier Wochen alt – und schon gibt es massive Kritik an der Umsetzung: „Mit sehr heißer Nadel gestrickt“, „nicht zu Ende gedacht“, „politisch schlecht vorbereitet“ und „da hakt es hinten und vorne“ sind einige der Vorwürfe, die an die Behörde von Bremens Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) gerichtet sind. Sie kommen von Bestattungsunternehmen, Ärztevertretern und Angehörigen von Verstorbenen.

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Am 1. August hat Bremen als erstes Bundesland die qualifizierte Leichenschau eingeführt. Seitdem muss jeder Tote zusätzlich von einem Rechtsmediziner oder einem dafür weitergebildeten Klinikarzt äußerlich untersucht werden, um unklare Todesursachen und Tötungsdelikte besser aufklären zu können. Erst danach darf der Totenschein ausgestellt und der Verstorbene freigegeben werden. „Dabei kommt es immer wieder zu Verzögerungen“, sagt Christian Stubbe vom Bremer Bestatterverband. „Es kann bis zu drei Tage dauern, bis wir Verstorbene aus den Kliniken überführen können.“ Vor allem gegen Ende der Woche und übers Wochenende komme es immer wieder zu Staus in den Kliniken, so Stubbe.

Durchschnittlich 20 Tote müssen am Tag untersucht werden

Das hat eine Bremerin erlebt, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ihr Vater sei in der Nacht zu Dienstag im Klinikum Bremen-Ost gestorben: „Die Pflegekräfte teilten uns mit, dass eine Freigabe dauern könnte. Sie sagten: Die Rechtsmediziner müssen noch Verstorbene seit Freitag untersuchen, es staut sich.“ Das Institut für Rechtsmedizin am Klinikum Mitte ist mit der Organisation der neuen Leichenschau beauftragt. Laut ihrem Leiter Olaf Cordes sind zwei der sieben Rechtsmediziner dafür abgestellt. Die Hälfte der Verstorbenen befände sich in Krankenhäusern. Im Schnitt müssten 20 Tote am Tag untersucht werden. Montags seien es oft mehr, weil es an den Wochenenden und nachts nur eine Bereitschaft durch einen Rechtsmediziner für die Polizei gebe. Je nach Verteilung übers Stadtgebiet sei ein Arzt schon mal rund 140 Kilometer unterwegs. Problematisch sei zudem, dass die Abteilungen in den Kliniken und auch Bestattungsinstitute teilweise bereits ab 15 oder 16 Uhr geschlossen seien. Außerdem sind die Rechtsmediziner nicht so mobil, wie es notwendig wäre: „Wir brauchen noch ein Auto“, sagt Cordes.

Oft fehlten auch erforderliche Unterlagen, in denen die Klinik-Ärzte detaillierte Befunde für die Leichenschau zusammenstellen müssten. Formulare dafür gibt es bislang für Kliniken und niedergelassene Ärzte nicht. „Wir warten immer noch darauf“, sagt der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, Christoph Fox. Wegen fehlender Vorgaben würden die Informationen teils lückenhaft, handschriftlich und damit oft unleserlich verfasst, was zu Verzögerungen führe, wie der WESER-KURIER aus Kliniken erfahren hat.

Klinikärzte müssen für Leichenschau Fortbildung absolvieren

„Es ist in den ersten drei Wochen vereinzelt zu Verzögerungen um ein oder zwei Tage gekommen“, bestätigt Timo Sczuplinski, Sprecher des Klinikverbunds Gesundheit Nord. „In der Startphase ist das relativ normal.“ Aus dem Rotes Kreuz Krankenhaus heißt es: „Einschränkungen sind bemerkbar, da an den Wochenenden und nachts keine Leichenschau stattfindet. Bislang kam es aber zu keinen Engpässen in der Kühlung“, so Sprecherin Dorothee Weihe.

Zur Entlastung der Rechtsmediziner sieht das neue Gesetz vor, dass die Leichenschau auch von Klinikärzten übernommen werden kann. Dafür müssen sie aber eine Fortbildung absolvieren. „Der Entwurf für die Verordnung über die Anforderungen an die Qualifikation von Leichenschau-Ärzten ist noch in der Abstimmung. Es handelt sich um ein Fortbildungsangebot an interessierte Ärzte“, sagt Behördensprecher Malte Hinrichsen. Die terminliche Abstimmung mit Bestattern und Kliniken müsse teilweise verbessert werden, räumt die Behörde ein. Außerdem solle ein weiteres Auto für die Rechtsmedizin angeschafft werden. Das Institut sei aber personell ausreichend ausgestattet, im Frühjahr sei es um 70 Prozent aufgestockt worden.

Die Verordnung zur Fortbildung der Klinik-Ärzte sollte am kommenden Dienstag in der Gesundheitsdeputation auf der Tagesordnung stehen, davon ist sie nach Informationen des WESER-KURIER verschwunden. Dennoch will der Vorsitzende der Deputation, FDP-Fraktionsvize Magnus Buhlert, nachfragen, warum das so lange dauert: „Wenn ein Gesetz in Kraft tritt, erwartet man, dass die Voraussetzungen dafür auch geschaffen sind. Es geht nicht, dass im regelungsfreien Raum laboriert wird.“

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