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Klinikmorde: Anonymes Fehlermeldesystem gefordert

Nach Bekanntwerden des Ausmaßes der Mordserie an Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg will die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ingrid Fischbach (CDU), ein besseres vertrauliches Meldesystem in Krankenhäusern. Zwar gebe es in den meisten Häusern Fehlermeldesysteme, diese müssten aber auch konsequent umgesetzt werden, sagte Fischbach dem Radiosender hr-Info am Dienstag. Für den Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, ist dies «Augenwischerei» und «Realitätsverweigerung».

 

Der bereits als Patientenmörder verurteilte Niels H. könnte nach Ermittlungen mindestens 84 weitere Menschen umgebracht haben. Wegen sechs Taten sitzt er lebenslang in Haft, darunter zwei Morde. Bei der Vorstellung der Ermittlungsergebnisse am Montag hatten Polizei und Staatsanwaltschaft auch klargestellt, ein großer Teil der Morde hätte verhindert werden können, weil es bereits Gerüchte und Verdachtsmomente gegen den heute 40-Jährigen gab. Zwei frühere Oberärzte und der Stationsleiter der Klinik in Delmenhorst werden deshalb wegen Totschlags durch Unterlassen vor Gericht stehen. Die Ermittlungen gegen Verantwortliche am Klinikum Oldenburg laufen noch.

 

«Dass da etwas falsch gelaufen ist an den Krankenhäusern, das ist wohl sehr klar», sagte Fischbach dem Sender. Dennoch würden noch wichtige Erkenntnisse fehlen. «Was ist falsch gelaufen und an welcher Stelle?» Wenn es darauf Antworten gebe, könnten konkrete Neuerungen auf den Weg gebracht werden. Es sei wichtig, dass es für die Menschen, die einen Verdacht haben, eine Ansprechstelle gebe.

 

«Polizei und Justiz haben die Versäumnisse bei den Tötungsdelikten von Niels H. detailgetreu vorgetragen», sagte hingegen Brysch. Die Patientenbeauftragte tue jedoch so, als würden wichtige Erkenntnisse über die Abläufe fehlen. Dies ist Realitätsverweigerung. «Wo das Versagen lag, ist bekannt.» Eine konsequentere Umsetzung der bestehenden Fehlermeldesysteme zu fordern, sei Augenwischerei. «Bund und Länder hätten schon längst verbindlich festlegen können, dass die Fehlermeldesysteme in allen 2000 Krankenhäusern auch anonyme Hinweise aufnehmen müssen», sagte Brysch der Deutsche Presse-Agentur.

 

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte am Montag jedoch davor gewarnt, hier auf grundlegende Missstände in Krankenhäusern zu schließen. Es gehe um das geplante Verbrechen eines Einzelnen. «Dass diese Fälle erst jetzt ans Licht kommen, zeigt, wie unglaublich schwer solche Mordversuche oder Morde zu ermitteln und zu belegen sind.»

 

Niels H. hatte gestanden, Patienten eine Überdosis von Medikamenten gespritzt zu haben, um sie anschließend wiederbeleben zu können. Mehr als 130 gestorbene Patienten ließ die Sonderkommission Soko Kardio in den vergangenen drei Jahren ausgraben und auf Rückstände von Medikamenten testen. Die Ermittler gehen jedoch noch von wesentlich mehr Opfern aus, da viele Gestorbene eingeäschert wurden und ein Verbrechen daher nicht mehr nachweisbar ist. Niels H. wird sich nun wohl erneut wegen Mordes vor Gericht verantworten müssen. An seinem Strafmaß wird dies nichts ändern.

 

30.08.2017 l dpa

Foto: Fotolia/Daniel Berkmann