Kolumne

Schwedens Kampf mit der «Sommergrippe»

Schon allgemein ist das schwedische Gesundheitswesen personell am Anschlag. Doch wenn mit dem Sommer die Ferienabsenzen kommen, wird das Problem besonders akut.

Rudolf Hermann, Stockholm
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Besonders im Sommer ist das Gesundheitswesen in Schweden regelmässig überfordert. (Bild: Johan Wingborg / Keystone)

Besonders im Sommer ist das Gesundheitswesen in Schweden regelmässig überfordert. (Bild: Johan Wingborg / Keystone)

Krank zu werden, ist bei niemandem populär, doch in Schweden im Sommer krank zu werden, ist eine toxische Kombination. Dann nämlich ist das Gesundheitswesen, das schon im Normalbetrieb oft am Anschlag ist, regelmässig überfordert. Dass die Situation dramatisch werden könnte, zeichnete sich heuer schon im Frühsommer ab, als 17 von 21 Regionalbehörden mitteilten, sie hätten Schwierigkeiten bei der Einstellung einer genügenden Anzahl von Stellvertretern für Personal, das dann in den Ferien sei.

Einige Regionen versuchen diese «Sommergrippe» dadurch zu lindern, dass sie Krankenpflegern Kompensationen gewähren, wenn diese ihre Ferien ausserhalb der Hauptreisezeit nehmen und dadurch das Problem der Abwesenheiten im Hochsommer mindern. Doch nicht alle halten das für eine gute Idee. Karl Sundin, Gesundheitsverantwortlicher für die Region Örebro, sagte gegenüber dem schwedischen Fernsehen, das führe nur dazu, dass die Personalsituation bis weit in den Herbst hinein angespannt bleibe. Auch Gewerkschaftsvertreter zeigten sich zurückhaltend. Die Angestellten im Gesundheitswesen müssten die Ferien, auf die sie Anrecht hätten, zum gewünschten Termin nehmen können, wenn sie danach wieder die von ihnen geforderte Leistung bringen sollten.

Allerdings hat Schwedens Gesundheitswesen auch dann ein strukturelles Problem, wenn nicht gerade Sommer ist. Die Zeitung «Svenska Dagbladet» rechnete vor, dass seit 1990 die Bevölkerung Schwedens um 13 Prozent angestiegen, im gleichen Zeitraum die Zahl von Spitalbetten im öffentlichen Gesundheitswesen aber um fast 30 Prozent zurückgegangen sei. Laut einer Statistik der OECD verfügte Schweden 2015 über 2,4 Spitalbetten pro 1000 Einwohner (gegenüber 4,6 in der Schweiz oder 7,6 in Österreich) und war damit europäisches Schlusslicht. Im Sommer akzentuiert sich das noch dadurch, dass 4 von 10 Pflegeplätzen wegen vorübergehender Abwesenheiten geschlossen sind. «Die Politik behandelt das wie eine Art Naturkatastrophe», beklagte sich eine Ärztin, «doch es ist schlicht ein Beispiel eklatanter Fehlplanung.»

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