Angesichts der Frage nach der Abrechnung von berufsgenossenschaftlichen Patienten im DRG-System (DRG: „diagnosis related groups“) möchte man spontan sagen: „Wieso denn diese Frage, das ist doch schon längst gelebte Realität!“

Ja, grundsätzlich stimmt es, dass schon seit Einführung des DRG-Systems in Deutschland auch Patienten, die einen Arbeitsunfall erlitten haben oder wegen einer Berufskrankheit stationär behandelt werden müssen, nach den Regeln des DRG-Systems abgerechnet werden. Diese Vorgehensweise birgt jedoch gewisse Risiken, die nicht zuletzt in den unterschiedlichen Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) auf der einen und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf der anderen Seite ihre Begründung finden.

Unterschiede zwischen den Versicherungssystemen

Die Aufgabe der GKV besteht in der Absicherung ihrer Versicherten gegen gesundheitliche Risiken unter folgenden Voraussetzungen:

Die erbrachten Leistungen dürfen nicht dem Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden. Die Leistungen müssen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und dürfen nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Vor allem anderen ist das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Leistungserbringung zu beachten [6].

Demgegenüber ist die Aufgabe der Berufsgenossenschaften (BG), mit allen geeigneten Mitteln Gesundheitsgefahren zu verhüten und Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten wiederherzustellen sowie ggf. Versicherte und Hinterbliebene zu entschädigen. Dabei ist natürlich auch die BG gehalten, wirtschaftlich zu arbeiten [6].

Hieraus ergibt sich, dass die beiden Versicherungssysteme zwar jeweils das Interesse haben, mit ihren Ressourcen wirtschaftlich umzugehen, dies aber auf diametral entgegengesetzten Wegen zu erreichen versuchen (Tab. 1).

Tab. 1 Gegenüberstellung der unterschiedlichen Prinzipien der Leistungserbringung gesetzliche Krankenversicherung und gesetzliche Unfallversicherung

Die GKV spart in erster Linie dadurch, dass stationär erbrachte Leistungen möglichst gekürzt oder, wenn dies möglich ist, in den ambulanten Bereich verlagert werden. Hierbei wird ohne Rücksicht auf medizinische Notwendigkeiten vorgegangen. Entscheidungen werden alleine nach Gesichtspunkten der Kosteneinsparung getroffen. Das Fatale dabei ist, dass diese Entscheidungen nicht durch den behandelnden Arzt, sondern, unterstützt durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), durch den Sachbearbeiter bei der Krankenkasse getroffen werden.

Die BG hat ebenfalls das Interesse, keine unnötigen Ausgaben zu machen. Hier wird aber eine andere Vorgehensweise verfolgt: Die Berufsgenossenschaften (BG) sparen Kosten, indem sie in Unfallverhütung investieren, die Behandlung ihrer Patienten durch besonders qualifizierte Ärzte vornehmen lassen und das Heilverfahren selber lenken. Hierbei steht nicht die Trennung der Sektoren, sondern die Integration von Akutbehandlung und Reha sowie ambulanter und stationärer Behandlung im Vordergrund. Auf diese Art investiert die GUV zwar kurzfristig in die Behandlung ihrer Patienten, spart aber langfristig, weil Entschädigungszahlungen vermieden werden.

Grundlagen des deutschen DRG-Systems

Das DRG-System wiederum ist ganz auf die Belange der gesetzlichen Krankenversicherung zugeschnitten. Es hat folgende Zielsetzung: Vermutete Überkapazitäten im Krankenhausbereich sollen abgebaut werden, insbesondere, indem die Liegezeit in den Krankenhäusern verkürzt wird. Die Bezahlung von medizinischen Leistungen in den Krankenhäusern wird vereinheitlicht („gleicher Preis für gleiche Leistung“), und zukünftig zu erwartende Kostensteigerungen sollen begrenzt werden. Gleichzeitig soll die Transparenz und Vergleichbarkeit der Krankenhausleistungen durch die DRG erhöht werden.

Hierzu werden jedes Jahr aufs Neue durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) die DRG neu bewertet. Zu diesem Zweck werden die § 301-Daten aller Krankenhäuser sowie die Kalkulationsdaten der Kalkulationskrankenhäuser an das InEK gemeldet. Im dann folgenden Jahr berechnet das InEK mit diesen Daten die DRG neu, ein weiteres Jahr später tritt die Neuberechnung „in Kraft“. Das bedeutet also, dass die Erlöse, die ein Krankenhaus erwirtschaften kann, in jedem Fall auf Kostendaten beruhen, die mindestens 2 Jahre alt sind. Auf diese Art erfolgt die Verteilung der vorhandenen Ressourcen über das DRG-System. Dabei bleibt der „Kuchen“ jedoch unverändert, er wird nur alljährlich neu verteilt [5]. Verbesserungen der Vergütung in einem Bereich führen zwangsläufig zur Verschlechterung der Vergütung in anderen Bereichen. Hierdurch wird eine erhebliche Konkurrenzsituation zwischen den verschiedenen medizinischen Fachgebieten geschaffen. Mithilfe der DRG sollen die Krankenhäuser dazu angeregt werden, wirtschaftlich(er) zu arbeiten. Kein normaler Wirtschaftsbetrieb würde aber seine Kostenkalkulation auf der Basis von Daten erstellen, die 2 Jahre veraltet sind.

Auswirkungen des DRG-Systems auf die stationäre Behandlung

Die scheinbar „beste“ Möglichkeit, um mit einem Fall Erlös zu erzielen, ist die Verkürzung der Verweildauer. Die Verkürzung der Verweildauer – und jede andere Sparmaßnahme ebenso – führt jedoch (mit einer Verzögerung von 2 Jahren, wie oben erläutert) zu einer Neubewertung der DRG. Die neu bewertete DRG wird dann im Regelfall schlechter vergütet, da sie eine niedrigere mittlere bzw. untere (Grenz‑)Verweildauer hat und weil die eingesparten Kosten ja ebenfalls in die Neuberechnung mit einbezogen werden. Da nun noch weniger Erlös erzielt wird, versucht man, noch mehr einzusparen – bei den Materialkosten, den Personalkosten und ggf. mittels weiterer Kürzung der Verweildauer. Dies ist eine Abwärtsspirale, die zu einem immer stärker zunehmenden Sparzwang führt, und dies bleibt erfahrungsgemäß nicht folgenlos.

Über die Einsparung von Materialkosten kommt es nach einer gewissen Phase, in der die Kosten ohne einen Qualitätsverlust gesenkt werden können, dann zunehmend zu abnehmender Qualität bei den verwendeten Materialien. Es ist eine Frage der Zeit, bis es aufgrund von qualitativ minderwertigen medizinischen Implantaten, Medikamenten oder anderen Materialien zu einer Schädigung der Patienten kommt.

Da die Personalkosten der größte Einzelposten bei den Kosten sind, wird bevorzugt in diesem Bereich gespart. Immer mehr Patienten müssen in immer kürzerer Zeit durch immer weniger Personal versorgt werden. Dies wird noch dadurch unterstützt, dass es keine vorgeschriebenen Mindestzahlen für das Verhältnis von ärztlichem bzw. pflegerischem Personal für die Betreuung von Krankenhauspatienten gibt. Der hierdurch induzierte Personalmangel führt schon jetzt zu einer merklichen Zunahme der Belastung des Personals. Dies wiederum erhöht den Krankenstand! Die noch verbliebenen Mitarbeiter haben dann unter einer noch höheren Belastung zu leiden. Es ist eine Frage der Zeit, bis es durch die permanente Überlastung des Personals auch zu einer Zunahme der Fehlergefahr kommt [1]. Es ist schon erstaunlich, wenn man sich vor Augen hält, dass in den USA, von wo das DRG-System ursprünglich kommt, 5,3 Patienten pro Pflegekraft betreut werden, in Deutschland jedoch 13 Patienten [2]. Wenn man dann sieht, dass es in Deutschland für die Alten- und Pflegeheime Pflegeschlüssel gibt, so etwas aber für Krankenhäuser nicht existiert, so gibt dies doch sehr zu denken.

Probleme der DRG-Abrechnung im Bereich der DGUV

Das DRG-System ist für den Bereich der GKV geschaffen worden, und es ist darauf ausgerichtet, Kosten im stationären Sektor des deutschen Gesundheitssystems einzusparen. Dies geschieht ohne Rücksicht darauf, ob langfristige Folgekosten in Form von z. B. Rentenzahlungen oder Pflegekosten entstehen, da die GKV für diese Leistungen nicht zuständig ist.

Das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren ist demgegenüber darauf ausgerichtet, eine möglichst effektive Behandlung des Verletzten durchzuführen, um letztlich Kosten durch langfristige Entschädigungszahlen zu vermeiden.

Das deutsche Unfallversicherungssystem beruht auf dem Prinzip „Alles aus einer Hand“:

  • Die Unfallverhütung (Prävention),

  • die Wiederherstellung von Gesundheit und Arbeitskraft (Rehabilitation),

  • die finanziellen Leistungen (z. B. Renten)

liegen in einer Hand – bei den Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbänden. Des Weiteren gilt das Prinzip „Reha vor Rente“. Dies bedeutet, dass die BG die Wiederherstellung der Gesundheit der Versicherten und die Sicherung der Teilhabe des Versicherten am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft zum Ziel hat. Hierbei werden Entschädigungen erst dann geleistet, wenn alle Möglichkeiten der Rehabilitation ausgeschöpft wurden und dennoch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verblieben ist.

Die unterschiedlichen Voraussetzungen im DRG-System und im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren bedingen unterschiedlich hohe Kosten für die stationäre Behandlung der jeweiligen Patienten. Wie erläutert, sind die Methoden, um Kosten einzusparen, in den beiden Versicherungssystemen diametral entgegengesetzt (Tab. 2).

Tab. 2 Zielsetzung der „Sparpolitik“ in gesetzlicher Krankenversicherung und gesetzlicher Unfallversicherung

Die DRG werden ja bekannterweise auf der Basis der Kosten von Krankenhäusern berechnet, die weit überwiegend Patienten aus dem Bereich der GKV behandeln. Zwar sind nahezu alle BG-Krankenhäuser (9 der 11 BG-Krankenhäuser) auch Kalkulationshäuser, aber diese stellen in der Gesamtheit der 340 Kalkulationskrankenhäuser in Deutschland mit lediglich 2,64 % eine kleine Minderheit dar [4]. Insofern kann man davon ausgehen, dass die besonderen, höheren Kosten der stationären Behandlung von BG-Patienten in der InEK-Kalkulation quasi „untergehen“. Die (unkritische) Übernahme des DRG-Systems in den Bereich der Unfallversicherung birgt daher Gefahren.

Das DRG-System ist ein lernendes System, die Reaktionen der Krankenhäuser auf Veränderungen in den DRG führen, wie bereits erläutert, mit einer Verzögerung von etwa 2 Jahren zur „Gegenreaktion“ im DRG-System im Sinne einer permanenten Einsparungsspirale. Die forcierten Einsparungen im Bereich der stationären Behandlung, die das DRG-System mit sich bringt, können dazu führen, dass auch die BG-Kliniken nicht mehr in gewohnter Weise qualitativ hochwertige und ihrem Auftrag gemäße Leistungen werden anbieten können, wenn das DRG-System unkritisch einfach auf den Bereich der GUV übertragen wird.

Vorschläge für Lösungsansätze

Es erscheint sinnvoll, bei der Suche nach Lösungen bewährte medizinische Grundsätze in die Überlegungen mit einzubeziehen. Dies könnte z. B. die Beachtung des ALARA-Prinzips (ALARA = „as low as reasonably achievable“) aus dem Strahlenschutz sein.

ALARA besagt schlicht, dass die Strahlenbelastung, die man einem Menschen zumutet, so niedrig sein sollte, wie es vernünftigerweise möglich ist. Wichtig ist hier das Wort „reasonably“ (= vernünftigerweise), denn es bedeutet letztlich nur, dass man die Strahlenbelastung nur so weit senken sollte, wie man noch das erforderliche Untersuchungsergebnis mit der applizierten Strahlendosis erreichen kann.

Übertragen auf das DRG-System bedeutet dies in etwa: „Sparen ja, aber nicht so weit, dass die Behandlungsqualität der Patienten gefährdet wird.“ Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin wäre es, die vorhandene „doppelte medizinische Notwendigkeit“ abzuschaffen. Es existieren ja quasi 2 unterschiedliche Arten von medizinischer Notwendigkeit in unserem Land: zum einen die medizinische Notwendigkeit, über die der behandelnde Arzt, der die Verantwortung für den von ihm behandelten Patienten übernimmt, entscheiden muss, und zum anderen die medizinische Notwendigkeit, über die der Sachbearbeiter bei der Krankenkasse entscheidet. Mit dem Segen des Bundessozialgerichts liegt die Entscheidung über die medizinische Notwendigkeit einer Leistungserbringung nicht bei dem die Leistung erbringenden Arzt, sondern bei dem Sachbearbeiter der Krankenkasse. Hieraus ergibt sich ein großes Problem, denn der Krankenkassenmitarbeiter hat keinerlei Interesse daran, dass ein bestimmter Patient medizinisch sinnvoll versorgt wird. Er hat lediglich das Interesse, dass möglichst wenig Geld für eine medizinische Leistung ausgegeben wird. Diese Haltung wird noch dadurch erleichtert, dass er ja keinerlei Verantwortung übernehmen muss, wenn aufgrund seiner Entscheidung ein Mensch zu Schaden kommt. Das Gleiche gilt für die ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDK, auch sie müssen keinerlei rechtliche Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen. Die Verantwortung für den einzelnen Patienten hat einzig und allein die Ärztin oder der Arzt, der die Behandlung durchführt. Die Möglichkeit, frei zu entscheiden, welche Form der Behandlung er vornimmt, wird ihm aber genommen. Hier wird eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. Dem Krankenhausarzt, der sich aus guten Gründen für eine Behandlung unter stationären Bedingungen entscheidet, wird pauschal unterstellt, er tue dies in erster Linie aus ökonomischen Gründen. Ihm wird zugemutet, mittels aufwendiger Dokumentation zu beweisen, dass eine stationäre Behandlung zwingend erforderlich war. Dem Kassenmitarbeiter bzw. dem MDK-Arzt, dessen Aufgabe es ist, Geld einzusparen, also rein nach ökonomischen Aspekten zu entscheiden, wird aber gestattet, ohne Beweise für die eigene Auffassung festzulegen, dass eine bestimmte stationär erbrachte Leistung medizinisch nicht erforderlich war. Hier besteht ein extremes Ungleichgewicht zuungunsten der behandelnden Ärzte. Es ist erforderlich, dass der Arzt, der die Verantwortung für die Behandlung seines Patienten hat und im Sinne einer Garantenstellung darüber zu wachen hat, dass der ihm anvertraute Patient keinen Schaden leidet, auch wieder über die im Einzelfall erforderliche Behandlung entscheiden darf und die Einflussnahme durch nichtärztliche Mitarbeiter von Krankenkassen oder auch Krankenhausverwaltungen wieder zurückgenommen wird [3].

Speziell für den Bereich der GUV erscheint es als wünschenswerteste Lösung, eine gesonderte Kalkulation der Fallkosten von berufsgenossenschaftlichen Patienten auf der Basis der Kalkulationsdaten der BG-Kliniken vorzunehmen und so quasi eine eigene DRG-Bewertung für BG-Patienten zu berechnen. Die Vergütung von berufsgenossenschaftlichen Fällen müsste dann anhand dieser gesonderten Fallkalkulation mittels eigener DRG für alle BG-Fälle angepasst werden. Gleiches gilt für eine Berechnung eigener DRG für berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung (BGSW) und arbeitsplatzbezogene muskuloskeletale Rehabilitation (ABMR), da es diese speziellen Formen der stationären Behandlung im Bereich der GKV nicht gibt.

Alternativ zu diesem Vorgehen könnte man als quasi „kleine Lösung“ mithilfe der Kosten der BG-Kliniken eine eigene DRG-Baserate für berufsgenossenschaftliche Patienten berechnen, die dann für die Vergütung aller BG-Patienten zur Anwendung kommt.

Fazit für die Praxis

  • Die Behandlung von BG-Patienten unter den Bedingungen des DRG-Systems ist machbar.

  • Dazu müssen aber für BG-Patienten die Vergütungsmodalitäten angepasst werden, damit es nicht durch zu extremes Sparen bei der Therapie mittel- bis langfristig zu einem Verlust an Behandlungsqualität und dadurch wiederum zu einer Zunahme von Entschädigungsleistungen kommt.