Ambulant vor stationär – Kosteneinsparung?

Die Fortschritte in der Medizin erlauben es einige chirurgische Eingriffe durch eine sehr kleine Operationswunde durchzuführen. Bei diesen endoskopischen Verfahren werden dünne, schlauchartige Instrumente und Kameras mit Lichtquellen durch einen kleinen Schnitt in den Körper eingeführt. Das ermöglicht direkte Inspektionen und eben auch chirurgische Eingriffe. Dieses schonende Vorgehen ermöglicht eine schnellere Erholung des Patienten.

Von Dr. Hansjörg Marxer

Ob ein schonender Eingriff allerdings einen stationären Aufenthalt des Patienten überflüssig macht oder einfach verkürzt, ist abhängig von der Art des Eingriffes und der medizinischen Beurteilung. Bei dieser Entscheidung stehen nicht die Kosten, sondern die Sicherheit des Patienten im Vordergrund. Eine Verkürzung der Hospitalisationsdauer ist schon eine Einsparung, dazu kommt der volkswirtschaftliche Gewinn einer schnelleren Genesung.

Die Verschiebung dieser Eingriffe von stationär nach ambulant sollen Kosteneinsparungen ermöglichen. Der Kanton Luzern hat eine Liste der ambulant durchzuführenden Eingriffe herausgegeben, der Kanton Zürich wird nachfolgen. Diese Listen müssen allerdings kritisch betrachtet werden. Die Curafutura, neben der santésuisse der zweite Verband von Krankenkassen in der Schweiz, warnt, dass die Kosten bei ambulanten Eingriffen keineswegs automatisch günstiger sind als bei stationären Eingriffen. Curafutura kommt zum Schluss, dass «…eine stationäre Behandlung – Übernachtung inklusive – die Prämienzahler in 17 von 27 untersuchten Fällen günstiger komme… «und»… Die GDK-Aussage, dass ambulante Listen für alle Akteure günstiger komme, ist nicht haltbar»…

Mit der Verschiebung der Eingriffe von stationär nach ambulant sollen nach dem Willen der Regierung Kosten eingespart werden

Man nimmt spontan an, dass ein ambulanter Eingriff kostengünstiger ist als ein stationärer Eingriff. Die Versicherer weisen darauf hin, dass in vielen Fällen der ambulante Eingriff sogar teurer kommt, weil die Tarmed-Sätze sich vielfach zu höheren Beträgen summieren, als die DRG-Fallpauschalen. Dazu sind die Kosten von Nachkontrollen und die Tücken des Tarmeds zu berücksichtigen. Curafutura stellt stationäre Behandlungen vor, bei denen Einsparungen von 30 % bis zu Mehrkosten von 42 % möglich sind.

Es gibt einen einzigen Gewinner bei allen Behandlungen: In der Schweiz bezahlt der Kanton bei stationären Behandlungen 55 % der Kosten, bei ambulanten Behandlungen nichts. In Liechtenstein bezahlt der Staat bei stationären Behandlungen in Vertragsspitälern ebenfalls 55 % (für das LLS gilt eine eigene Abmachung), bei ambulanten Eingriffen nichts. Der Staat spart also bei jeder ambulanten Behandlung, zum Teil auf Kosten der Prämienzahler.

Stationär nach ambulant hat also folgende Auswirkungen:
Der Patient muss möglicherweise das Spital nach einem Eingriff verlassen, obwohl medizinisch gesehen eine Betreuung im Spital erforderlich wäre. Ist das gewünscht?

Die Krankenkassen müssen für einzelne Behandlungen weniger bezahlen, für andere jedoch mehr. Curafutura rechnet für die gesamte Schweiz mit Mehrkosten von 45 Mio. Franken pro Jahr (für Liechtenstein könnten das ca. Fr. 200’000 sein), wenn Listen im Luzerner oder Zürcher Stil eingeführt würden. Ist das gewünscht?

Einziger Gewinner ist der Staat
Der einzige Gewinner ist der Staat, der sich weiter aus der Finanzierung der Sozialwerke wegstiehlt – da bei einer stationären Behandlung 55 % vom Staat bezahlt werden, bei einer ambulanten Behandlung nichts (Ausnahme: Medicnova generell nichts).

Ambulant vor stationär hört sich bei den versprochenen Kosteneinsparungen verlockend an. Man muss allerdings zu erwartende Komplikationen berücksichtigen. Welche Auswirkungen hat die Forderung stationär nach ambulant auf die Qualität der medizinischen Versorgung, für die Patientensicherheit? Jede Kosteneinsparung unter Aufrechterhaltung der Qualität der medizinischen Versorgung ist wünschenswert. Allerdings sollte in unserer Gesundheitspolitik nicht punktuelle Einsparungen der Staatskasse, sondern die Auswirkung auf die gesamte Bevölkerung im Vordergrund stehen.