Das Spital Affoltern hat nur noch eine Chance, um die Schliessung abzuwenden

Das einzige Spital im Zürcher Säuliamt steht am Abgrund. Mit einem ehrgeizigen Plan will die Betriebskommission das Krankenhaus retten. Aber sind die Trägergemeinden bereit, den Preis dafür zu bezahlen?

Jan Hudec
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Dem Spital Affoltern stehen schwierige Zeiten bevor. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Dem Spital Affoltern stehen schwierige Zeiten bevor. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Die messingfarbene Deckenverkleidung strahlt den verblassten Glanz der siebziger Jahre aus, die Fenster lassen wenig Licht in den Empfangsbereich des Spitals Affoltern vordringen, und in einer Ecke steht verloren eine Zimmerpflanze. Ins Haupthaus wurde seit dreissig Jahren nicht mehr investiert. Das kleine Spital im Säuliamt war 1902 als Krankenasyl gegründet worden. Über die Jahrzehnte wurde es stetig mit Anbauten erweitert, die heute durch lange, leere Gänge verbunden sind: Ein modernes Krankenhaus mit effizienten Abläufen sieht anders aus. Das weiss auch die Betriebskommission, die so etwas wie der Verwaltungsrat des Spitals Affoltern ist. Die Mitglieder haben in den vergangenen Monaten Pläne geschmiedet, wie sie dem Haus am Sonnenberg eine Zukunft verschaffen könnten. «Es ist der letzte Anlauf», sagt Kommissionsmitglied Susanne Leuenberger. Wenn es jetzt nicht gelingt, das Spital auf eine neue Basis zu stellen, dann bleibt nur noch die Schliessung.

Attacken und Verfehlungen

In den vergangenen Jahren wurde das Spital von beispiellosen Querelen durchgeschüttelt. Alles begann im Jahr 2011, kurz bevor das Fallpauschalensystem eingeführt wurde. Wegen zu hoher Kosten weisen die Delegierten der Gemeinden das Budget zurück, und obendrein tritt nach nur einem Jahr der neue Direktor wieder ab. An seine Stelle tritt ein eiserner Sanierer. Er will das Spital in eine AG umwandeln, rechnet aber kaum mit dem harten Abstimmungskampf, der auf ihn zukommen sollte. Im Frühling 2013 bildet sich der Verein Pro Zweckverband Spital Affoltern, an dessen Spitze ein Mann namens Hans Roggwiler steht. Ein Meister der Polemik, der auf seinem Blog und in Leserbriefen ungeniert auch einmal mit Halbwahrheiten operiert und unter die Gürtellinie zielt. Bis heute ist die Spitalleitung Ziel seiner Verbalattacken. Tatsächlich scheitert dann auch die Umwandlung des Spitals in eine AG.

Doch damit nicht genug: Später wird bekannt, dass sich Spitaldirektor und Betriebskommission diverse Verfehlungen zuschulden kommen liessen. Direktor und Kommissionsmitglieder werden ausgetauscht, doch die zähe Vergangenheitsbewältigung verstellt während langer Zeit den Blick in die Zukunft. Dabei wäre eine strategische Neuausrichtung dringend nötig. Sie fehlt bis heute.

Leuenberger räumt denn auch ein: «Wir haben durch die Turbulenzen der letzten Jahre sehr viel Zeit verloren.» Die Betriebskommission und die Spitalleitung glauben aber weiterhin an die Zukunft des Spitals, auch wenn die Situation zurzeit alles andere als rosig aussieht. Im laufenden Jahr sei bestenfalls mit einem ausgeglichenen Ergebnis zu rechnen, danach dürfte das Spital definitiv in die roten Zahlen rutschen.

Das Hauptproblem ist der grosse Investitionsstau. Clemens Grötsch, Präsident der Betriebskommission, sagt: «Wir haben jahrelang von der Substanz gelebt.» Allein um den Status quo erhalten zu können, müssten etwa 70 Millionen Franken investiert werden. «Wegen Altlasten könnten sich die Sanierungskosten noch massiv erhöhen», sagt er. Die Erneuerung des Spitals hätte jedoch hohe Abschreibungen zur Folge, wodurch die Betriebskosten aus dem Ruder laufen würden. Mit den heutigen Einnahmen liessen sich diese unmöglich decken. Denn auch daran hapert es. So werden 30 der 113 Betten des Spitals nicht genutzt. Zwar wächst die Altersmedizin solide, aber die innere Medizin und die Chirurgie sind defizitär. Für die Betriebskommission ist deshalb klar: Weitermachen wie bisher kommt nicht infrage.

Bis zu 170 Millionen investieren

Zusammen mit einem externen Berater wurden deshalb weitere Optionen geprüft. Eine Möglichkeit bestünde darin, das Spital zu einer Fachklinik zu verkleinern und nur mehr auf erfolgreiche Disziplinen wie die Geriatrie zu setzen. Eine Notfallstation gäbe es dann nicht mehr. «Die Betriebskosten blieben in dieser Variante aber hoch. Die Einnahmen aus den wenigen Fachgebieten würden dafür nicht ausreichen», sagt Grötsch. Die Betriebskommission favorisiert deshalb eine andere Lösung: Das Spital Affoltern soll zu einem Gesundheitszentrum werden. Dazu würden ein neues Akutspital sowie ein ambulantes Zentrum gebaut. Mit dem modernisierten Spital sollen Marktanteile gewonnen werden. Eine Analyse des Spitals zeigt, dass die Patienten heute aus einem sehr kleinen Einzugsgebiet kommen, das Gros aus einem Umkreis von nur ein bis drei Kilometern. Dass an sich mehr drinliegt, beweist die Geburtshilfe. Zum Gebären kommen auch Frauen aus dem Aargau und dem Kanton Zug. «Wir sind deshalb überzeugt, dass wir ein Spital mit 120 Betten profitabel betreiben könnten», sagt Leuenberger. Nicht zuletzt könnte in einem modernen Spital effizienter gearbeitet werden. Doch die Sache hat ihren Preis: Die Verantwortlichen rechnen mit einer Investitionssumme von 150 bis 170 Millionen Franken.

Abstimmung geplant

Stellt sich die Frage, wer das bezahlen soll. Denn die Gemeinderäte kehren dem Spital zunehmend den Rücken. Gemäss einer Umfrage der Betriebskommission vom Frühling sind mehrere der vierzehn Gemeinden des Zweckverbands eher nicht mehr an einer Weiterführung beziehungsweise einer Beteiligung am Akutspital interessiert. Die Gründe sind einfach: Im Kanton Zürich sind die Gemeinden nur für die Finanzierung der Langzeitpflege zuständig, während der Kanton den öffentlichen Teil der Spitalkosten übernimmt. Viele Gemeinden wollen die finanziellen Risiken eines Spitals deshalb nicht mehr auf sich nehmen. So hat denn auch die Delegiertenversammlung für das Spital Affoltern Ende 2016 beschlossen, den Zweckverband aufzulösen und für das Spital eine neue Organisationsform zu finden.

Geplant ist, das Spital in eine öffentlichrechtliche Anstalt oder eine gemeinnützige Aktiengesellschaft umzuwandeln. Das Spital könnte die Investitionssumme dann zwar am Kapitalmarkt aufnehmen, aber als Garanten müssten gleichwohl die Trägergemeinden geradestehen. Es brauche nun möglichst rasch Klarheit über das weitere Vorgehen, sagt Grötsch. «Die Bevölkerung muss jetzt sagen, was sie will.» Im Frühling oder im Sommer 2018 ist dafür eine Abstimmung vorgesehen. «Wir sind überzeugt, dass die Bevölkerung hinter dem Spital steht.»

Lehnen die Bürger ab, ist das Schicksal des Spitals Affoltern wohl besiegelt. Der grösste Arbeitgeber in Affoltern müsste dann seine Türen schliessen.