Wie Personalvermittler auf Linkedin und Xing nach Talenten suchen

Personalvermittler und Unternehmen spüren mit immer ausgefeilteren Methoden gefragte Fachkräfte auf. Sie setzen dabei vor allem auf Algorithmen und soziale Netzwerke.

Natalie Gratwohl
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Auch an Job-Messen wie hier in China spüren Unternehmen Wunschkandidaten auf. (Bild: China Photos / Getty)

Auch an Job-Messen wie hier in China spüren Unternehmen Wunschkandidaten auf. (Bild: China Photos / Getty)

«Wir wissen schon vor dem Kandidaten, dass er den Job haben will», sagt Alistair Cox, Chef von Hays. Der auf die Vermittlung von Fachkräften spezialisierte britische Personaldienstleister setzt bei der Talentsuche auf künstliche Intelligenz. Damit werden nicht nur mögliche Kandidaten selektioniert, sondern Hays erfährt auch viel über deren Verhalten im Internet und ihre latente Bereitschaft, den Arbeitgeber zu wechseln.

Fülle an Signalen

Es gebe Tausende von Signalen, ob jemand offen sei für eine neue berufliche Herausforderung, sagt Cox. Wenn eine Person nach längerer Zeit ihr Profil in den sozialen Netzwerken auf den neusten Stand bringe, gelte dies etwa als verlässlicher Hinweis. Zudem baut Hays eine elektronische Beziehung zu potenziellen Kandidaten in gesuchten Berufszweigen auf, um deren Interessen besser studieren zu können. Beobachtet wird etwa, welche zugesandten Inhalte sie lesen und welche nicht. «Wenn jemand die Lohnstudie auf unserer Website anschaut, ist dies etwa auch ein klares Indiz dafür, dass er zu einem Wechsel bereit ist», sagt Cox. Die einzelnen Hinweise ergäben in ihrer Gesamtheit ein Muster, dank dem man Kandidaten bereits im Auge habe, bevor eine Firma eine solche Fachkraft suche.

Zwar erforschen längst nicht alle Personaldienstleister die Bereitschaft von Talenten, den Job zu wechseln. Viele Vermittler setzen aber ebenfalls auf ausgeklügelte Methoden, um Wunschkandidaten aus der breiten Masse herauszufiltern. Bei umkämpften Fachkräften reicht es nämlich bei weitem nicht, die Stelle auszuschreiben und auf geeignete Bewerbungen zu warten. Gefragt sind vielmehr eine gezielte Identifikation und eine individuelle Ansprache der Kandidaten.

Der Personaldienstleister Manpower etwa sucht Talente in sozialen Netzwerken wie Linkedin, Xing oder Facebook über eigene Search-Tools. Die Berater geben die Stellenbeschreibung ein und erhalten daraufhin verschiedene Vorschläge. «Passt das Profil, nimmt der Berater mit der Person meist via Messenger Kontakt auf», sagt Alexander Grasset, Client Solutions Manager bei Manpower Schweiz, der Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften unterstützt. Besteht Interesse, kommt es zum traditionellen Bewerbungsgespräch. Erst dann zeige sich, ob auch die Persönlichkeit zur Stelle und zur Firma passe, sagt Grasset.

Wo die Fachkräfte fehlen

Um begehrte Fachkräfte zu finden, durchforstet der Personalvermittler aber nicht nur das Internet. Manpower hat auch Spezialisten aus diversen Berufszweigen mit Fachkräftemangel als Berater eingestellt, die einen Draht zu potenziellen Kandidaten aus ihrer früheren Branche haben. «Sie sprechen die gleiche Sprache, kennen das Netzwerk und wissen, an welchen Kongressen sie die Spezialisten treffen», sagt Grasset. Besonders gesucht sind dabei etwa Fachleute aus dem Pharma- oder Biotech-Sektor und beispielsweise Mechatroniker.

Das Ausmass des Fachkräftemangels lässt sich nicht einfach erfassen. Mangelberufe gehen aber oft mit hohen Qualifikationsanforderungen, einer unterdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit und einem deutlichen Wachstum der Beschäftigung einher. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat hierzulande starke Anzeichen für einen Fachkräftemangel im Ingenieurwesen identifiziert, aber auch in den Bereichen Management, Gesundheitswesen, Informatik, Werbung/Tourismus/Treuhand, Unterricht/Bildung sowie bei technischen Fachkräften. Auch wenn jedoch beispielsweise im Gesundheitswesen Stellen grundsätzlich schwierig zu besetzen sind, gilt dies nicht für alle Berufe in der Branche gleichermassen. So herrscht etwa bei medizinischen Assistenten im Gegensatz zu Ärzten oder Pflegepersonal kein Mangel.

Laut einer Umfrage der Credit Suisse bei rund 1900 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bekundet jeder zweite Betrieb Schwierigkeiten bei der Rekrutierung. Um sich gegen eine Knappheit von Fachkräften zu wappnen, geben vier Fünftel der KMU an, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Angestellten zu investieren. Die aktive Suche nach Spezialisten steht für die Firmen dagegen weniger im Vordergrund. So nutzen kleinere Unternehmen etwa auch seltener als grosse Konzerne Karriere-Netzwerke wie Linkedin und Xing, um im Netz ihren Wunschkandidaten aufzuspüren.

Konzerne mit eigenen Talent-Scouts

Die Karriere-Portale bieten den Firmen kostenpflichtige Tools an, mit denen sie die Netzwerke nach bestimmten Kriterien wie Ausbildung, Beruf oder besondere Fähigkeiten durchforsten können. Die Algorithmen liefern dabei aus der Fülle an Nutzerdaten zunehmend bessere Ergebnisse.

Konzerne wie Roche beschäftigen auch sogenannte Talent-Scouts, die in der Regel auf einen Bereich fokussiert sind, für den sie eine Suchstrategie entwickeln und umsetzen. Typischerweise nehmen die Talent-Scouts mit dem Kandidaten zunächst über die Netzwerke Linkedin oder Xing Kontakt auf. Weitere Quellen sind Empfehlungen, Publikationen, Konferenzen und persönliche Netzwerke. Sie verfolgen damit das gleiche übergeordnete Ziel wie die von den Unternehmen beauftragten Personalvermittler. Sobald eine Schlüsselposition im Konzern vakant wird, wollen sie auf einen möglichst grossen Pool an Kandidaten zugreifen können.