Es ist der eine Satz, den die Medizinfirma offenbar standardmäßig unter ihre Rechnungen schreibt: von ihr gewährte Rabatte seien in der Kostenrechnung aufzuführen, damit diese dem Versicherten oder dessen Krankenkasse zugute kommen. So, wie es das Schweizer Gesetz fordert.

Inwieweit hat das die Geschäftsführung des Herz-Neuro-Zentrums und des Herzzentrums Konstanz getan? Hat sie gar in die in die eigene Tasche gewirtschaftet? Im Gegensatz zu etlichen anderen Vorwürfen, die Staatsanwaltschaften beider Länder wegen geringer oder fehlender Schuld eingestellt haben, soll es SÜDKURIER-Informationen zufolge bei diesen Fragen anders aussehen. Die Herzklinik-Geschäftsführung will sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Erste Vorwürfe im Jahr 2013

Seit mehr als vier Jahren stehen diese Vorwürfe im Raum, und so lange befasst sich die Thurgauer Staatsanwaltschaft mit diesem Thema. Erstmals benennt sie einen konkreten Vorwurf, weswegen sich die Geschäftsführung des Herz-Neuro-Zentrums Kreuzlingen und des Herzzentrums Konstanz verantworten muss: wegen des Verdachts auf "gewerbsmäßigen Betrug und ungetreuer Geschäftsbesorgung mit Bereicherungsabsicht", erklärt Pressesprecher Stefan Haffter.

Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht eine Firma namens Pro Ventis aus dem steuergünstigen Kanton Zug. An der Spitze von Pro Ventis steht dasselbe Trio wie bei den Herzkliniken: Martin Costa, Dierk Maass und Antoinette Airoldi. Pro Ventis soll, lautet der Vorwurf eines anonym bleibenden Kreises aus ehemaligen Klinikärzten, medizinische Implanate etwa von Boston Scientific günstig bezogen haben – jene Firma also, die auf ihrer Rechnung auf die Weitergabe von Rabatten hinweist.

Kräftiger Aufschlag?

Die Implantante, Stents, sollen mit einem kräftigen Aufschlag an das Herz-Neuro-Zentrum Bodensee in Kreuzlingen und das Herzzentrum Konstanz weiterverkauft worden sein. Kräftig bedeutete hier, wie aus dem SÜDKURIER vorliegenden Unterlagen hervorgeht, eine Marge von mehreren hundert Prozent. Die Kreuzlinger Klinik hat offenbar die laut Schweizer Bundesgesetz zulässigen zehn Prozent Aufschlag plus Mehrwertsteuer hinzugerechnet und bei der Krankenkasse abgerechnet.

In einem Beispiel angeblich mit einer Summe von rund 2500 Franken, wie Zeugen der Staatsanwaltschaft berichtet haben sollen. Bei der Firma in Zug wären damit satte Gewinne geblieben. Bei einem Direktbezug der Implantate bleibt bei einer Klinik nur der legale zehnprozentige Aufschlag, zuzüglich Mehrwertsteuer, hängen. Auf deutscher Seite sind die Stents in Fallpauschalen fix eingepreist.

Klinik will sich nicht äußern

Die Geschäftsführung will sich zu Preisen nicht äußern: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns mit Rücksicht auf das laufende Strafuntersuchungsverfahren, welches noch nicht abgeschlossen ist, und nach Rücksprache mit den zuständigen Behörden derzeit leider noch nicht zu den Details äußern können. Wir verweisen daher auf unsere bisherige Stellungnahme." Wie geht es nun weiter? Costa, Maass und Airoldi haben derzeit die Möglichkeit, zu den Vorwürfen nochmals Stellung beziehen, bevor die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl ausstellt oder eine Anklage verkündet. Oder aber, das könnte theoretisch auch noch möglich sein, das Verfahren fallen lässt. Wie das auf deutscher Seite in einigen Fällen geschehen ist, weil die Schuld zu gering oder nicht vorhanden war. Unter dem Strich gilt jedoch: Bis zu einer Verurteilung durch ein ordentliches Gericht gilt eine beschuldigte Person, hier sind es gleich drei Personen, als unschuldig.

Frühere Aussagen und das Gesetz

  • Herzklinik: In Vergangenheit hatte Geschäftsführer Martin Costa alle Vorwürfe der Preistreiberei in Zusammenhang mit Pro Ventis von sich gewisen und erklärt, dass das Herz-Neuro-Zentrum Bodensee in Kreuzlingen "einen Teil seiner Medizinalprodukte (nebst zahlreichen über 100 weiteren Lieferanten) von der Firma Pro Ventis in Zug" bezieht. Relevant sei, dass der Bezug zu Markpreisen oder darunter, das heiße, durchgehend unterhalb der Listenpreise gewährleistet sei. Bei einem Direktbezug seien "ebenfalls Marktpreise zu bezahlen, wie alle anderen Spitäler in der Schweiz auch".
  • Swica: Sie zählt zu den großen Krankenkassen der Schweiz. Eine mögliche Antwort über Abrechnungsmodalitäten des Herz-Neuro-Zentrums steht noch aus, ebenfalls zu der Frage, ob Swica zwischenzeitlich aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Anlass zu Kritik sieht. Im Jahr 2015 hat die Krankenkasse die Geschäftsführung der Herzkliniken entlastet und keine Hinweise auf illegale Preisabsprachen gesehen
  • Gesetz: Das Schweizer Krankenversichertengesetz besagt in Artikel 54: Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung, also etwa einer Krankenkasse, die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben... Im Schweizer Heilmittelgesetz steht in Artikel 33 eine ähnlich lautende Vorgabe. Immer wieder gibt es in der Schweiz Kritik daran, dass Ärzte und Kliniken Rabatte nicht an Krankenkassen weitergeben.