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Rückgang von Organspenden "Die Ursache liegt in den Krankenhäusern"

2017 gab es in Deutschland nur 797 Organspenden. Im Interview erklärt Axel Rahmel von der Deutschen Stiftung Organtransplantation, warum der Mangel an Spendern nicht das einzige Problem ist.
Organtransportbox

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Foto: Jens Kalaene/ dpa

2017 ist für die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) ein dramatisches Jahr: Mit nur 797 Organspendern sank die Zahl auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Daran ist nicht allein mangelnde Spendebereitschaft schuld, sagt Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. Schließlich werde die Zahl der möglichen Spender, die eine Organspende ablehnen, kleiner. Zudem dokumentiert immerhin knapp ein Drittel der Bevölkerung die Entscheidung dafür oder dagegen in einem Organspendeausweis. Rahmel sieht vor allem die Kliniken in der Pflicht.

Frage: Die Lage bei den Organspenden ist dramatisch. Woran liegt das?

Axel Rahmel: In Deutschland ist Organspende noch immer zu sehr vom individuellen Engagement einzelner Ärzte in den Kliniken abhängig. Von zentraler Bedeutung ist die Behandlung am Lebensende - wenn es keine Überlebenschance mehr für einen Patienten mit kompletter Hirnschädigung gibt. Bevor intensivmedizinische Maßnahmen eingestellt werden, sollte immer auch an Organspende gedacht und darüber gesprochen werden. Das ist im Klinikalltag nicht immer der Fall. Das bedeutet nicht, dass sich Kliniken bewusst der Organspende verweigern. Die Ursachen liegen vielmehr in den enormen Leistungsverdichtungen in den Krankenhäusern, am Druck auf den Intensivstationen und im Personalmangel.

Zur Person
Foto: Jochen Lübke/ dpa

Axel Rahmel, Jahrgang 1962, studierte Medizin in Göttingen und arbeitete nach seiner Promotion als Kardiologe in Münster und Leipzig. 2005 bis 2014 war er Medizinischer Direktor der Stiftung Eurotransplant in den Niederladen, die in ihren Mitgliedsstaaten passende Spenderorgane an Empfänger vermittelt. Seit 2014 ist Rahmel Medizinischer DSO-Vorstand.

Frage: Aber es gibt doch in jeder beteiligten Klinik Transplantationsbeauftragte. Was läuft da schief?

Axel Rahmel: Die Rolle der Transplantationsbeauftragten muss gestärkt werden. Dazu gehört aus unserer Sicht zunächst eine definierte und verbindliche Freistellung von anderen Tätigkeiten in einer Klinik. Die gibt es in klarer Form bisher nur im Landesausführungsgesetz in Bayern. Interessanterweise ist Bayern auch das Bundesland, in dem es 2017 zu einer deutlichen Steigerung der Organspenden gekommen ist - um 18 Prozent. Das ist eine auffällige Koinzidenz. Denn die Freistellung wurde in Bayern im Januar 2017 eingeführt. Das könnte ein Vorbild für andere Bundesländer sein.

Frage: Wie sieht die Lage in diesen Ländern aus?

Axel Rahmel: Es gibt eine Untersuchung aus Nordrhein-Westfalen. Sie zeigt, dass Transplantationsbeauftragte vor einer Einstellung der intensivmedizinischen Maßnahmen bei Patienten mit schwerster Hirnschädigung in weniger als 15 Prozent der Fälle eingebunden wurden.

Fragen und Antworten zur Organvergabe in Deutschland

Frage: Für die Organspende gibt es rund 1250 Entnahmekliniken in Deutschland. Hören Sie von einigen denn gar nichts?

Axel Rahmel: Nicht jeder Patient mit schwerer Hirnschädigung entwickelt einen Ausfall aller Hirnfunktionen. Es kann durchaus Krankenhäuser geben, die in einem Jahr keinen potenziellen Organspender haben. In 2017 erfolgte aber aus nahezu 700 Kliniken keine einzige Meldung. Da gibt es nach unserer Einschätzung Potenzial für noch mehr Zusammenarbeit.

Frage: Wenn Kliniken partout kein Interesse an Organspende haben - können sie sich dann vom System abmelden?

Axel Rahmel: Die Entnahme-Kliniken werden von den Landesministerien benannt. Damit haben sie den gesetzlichen Auftrag, Organspenden umzusetzen. Bei der Entscheidung geht es nicht um das Interesse von Kliniken oder anderen Organisationen. Es geht einzig darum, was ein Patient am Lebensende wollte. Und wenn er durch eine Organspende anderen Menschen ein neues Leben schenken wollte, dann ist es unsere gesellschaftliche Pflicht, diesen Wunsch auch umzusetzen.

dpa/Das Interview führte Ulrike von Leszczynski
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