Ingolstadt:In den Klinik-Skandal kehrt keine Ruhe ein

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In der Klinik-Affäre sind noch viele Fragen offen. (Foto: dpa)
  • Der Ingolstädter Stadtrat hat erstmals nach dem Freitod des Hauptbeschuldigten in der Klinik-Affäre getagt.
  • Ein Anwalt nennt dabei Details zur mutmaßlichen Vetternwirtschaft, die laut Anklage einen Gesamtschaden im niedrigen siebenstelligen Bereich angerichtet haben soll.

Von Johann Osel

Am Anfang ein lateinischer Satz: "De mortuis nil nisi bene", über die Toten sei nur gut zu sprechen. Markus Steinmetz, der Rechtsanwalt des Klinikums Ingolstadt, beginnt damit seinen Vortrag im Stadtrat. Nach dem Suizid des früheren Geschäftsführers, dem Hauptbeschuldigten in der Affäre um mutmaßliche Vetternwirtschaft am Klinikum, haben die Stadträte am Freitag erstmals getagt.

Der 63-Jährige hatte sich Ende Dezember in der JVA das Leben genommen. Kurz vor Weihnachten war ihm eine Sperrung seiner Konten - ein sogenannter Arrest - gerichtlich zugestellt worden. Mit dem Einfrieren von Teilen des Vermögens wollte sich der Aufsichtsrat des Klinikums den Zugriff für Schadenersatzforderungen sichern. Seitdem wird in Ingolstadt spekuliert, ob auch das dem Mann den Lebensmut genommen habe - und ob der Arrest zulässig war, was der Anwalt des Toten bezweifelt.

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Steinmetz kommt dann doch auf Schlechtes zu sprechen: Er listet, sachlich und ruhig, Aspekte der zivilrechtlichen Ansprüche auf - mit Details, die aus den bisherigen Mitteilungen der Staatsanwaltschaft kaum bekannt waren. Die Sitzung, online übertragen, ging am frühen Freitagabend in einen nicht-öffentlichen Teil über.

Der Ex-Manager war seit März in Untersuchungshaft, wegen "Verdunkelungsgefahr". Vor dem Suizid war erwartet worden, dass es 2018 zum Prozess kommt; laut Anklage wegen des Verdachts der Untreue in 99 einzelnen Fällen, der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit. Der Manager, der von 2003 bis zur Entlassung 2017 die kommunale Klinik führte, soll etwa Verwandte zu unvertretbaren Konditionen angestellt und Aufträge gegen Vorteile vergeben haben. Ermittelt wird gegen mehr als ein Dutzend Personen, der Manager stand im Zentrum. Wegen der Untersuchungshaft lief sein Verfahren prioritär.

Das Klinikum geht laut Anklage von einem Gesamtschaden im niedrigen siebenstelligen Bereich aus. Zivilrechtlich sei die Summe höher, hieß es am Freitag, da es auch fahrlässige Fälle gebe, nicht nur vorsätzliche. Kürzlich teilten die Anwälte des Klinikums mit, der Arrest sei zulässig - da "Vermögensübertragungen" an Verwandte zu befürchten gewesen seien.

Steinmetz konkretisierte im Stadtrat zum Beispiel den Fall "Klinik-Homepage", deren Konzeption und Wartung ohne Ausschreibung eine dem Chef "nahe stehende Person" übernahm - 131 000 Euro über dem marktüblichen Preis.

Der Steuerberater des Klinikums habe die private Steuererklärung gratis übernommen, Wert: 54 000 Euro. Regelwidrig und auf eigene Anweisung an die Personalabteilung habe er sich Resturlaub auszahlen lassen, binnen fünf Jahren waren das 32 000 Euro. Es handele sich, sagte der Anwalt, um "keine Klinik-Affäre", sondern um eine "Causa" der Person.

Der Anwalt des Verstorbenen, André Szesny aus Düsseldorf, hatte zuletzt den Arrest inhaltlich wie formal unzulässig genannt - auch, dass das Schreiben dem "verzweifelten" Häftling in die JVA zugestellt worden sei. Angesichts der Betroffenheit einiger Aufsichtsräte nach dem Freitod, so Szesny, waren sich die Mitglieder offenbar nicht über Folgen und Details des Arrests bewusst; somit sei es fraglich, inwieweit das Gremium auch früher in der Lage war, seine Pflichten in der Affäre zu erfüllen.

Dem Gremium unter Vorsitz von Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) gehören Stadträte mehrerer Fraktionen an. In den Wortmeldungen wurde am Freitag gefragt, ob es "Aufsichtsräte erster und zweiter Klasse" gebe, je nach Partei mit unterschiedlichen Informationen. "Sprachlos" zeigte sich ein Kollege darüber, dass zehn Jahre nichts aufgefallen sei - sei der Aufsichtsrat "blind"? Ein Rat wähnte "ein System" am Klinikum.

Dies warfen Teile der Opposition schon im Vorjahr der CSU-geführten Stadtspitze vor. Eine CSU-Stadträtin und Aufsichtsrätin sagte: Die "hohe kriminelle Energie" des Managers sei selbst für spezialisierte Wirtschaftsprüfer, die man engagiert habe, schwer zu überblicken gewesen. Sie empörte sich über den Anwurf, "blind" zu sein. Ein SPD-Mann, dienstältester Rat, sagte, es sei wie in einem Verein. "Wenn alles stimmt, fragt keiner nach." So seien medizinische und wirtschaftliche Bilanzen der Klinik stets bestens gewesen. Er sorge sich um das "Klima" im Stadtrat. Schon am Mittwoch fand der Neujahrsempfang am Klinikum statt. "Es wird Zeit, dass im Haus wieder Ruhe einkehrt", sagte der OB laut Donaukurier. Das freilich ist wohl Wunschdenken.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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