Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Josef-Hospital Delmenhorst Großes Finale im Klinik-Krimi

Das Josef-Hospital soll wieder städtisch werden. Das hat der Rat beschlossen. Doch jetzt fängt die Arbeit erst an. Ein wichtiger Punkt wird es sein, Skeptiker wieder für das JHD zu begeistern.
02.02.2018, 11:27 Uhr
Lesedauer: 4 Min
Zur Merkliste
Großes Finale im Klinik-Krimi
Von Andreas D. Becker

Geschafft. Nach einer dreieinhalbstündigen Debatte hat der Stadtrat seine Entscheidung vom vergangenen Freitag revidiert. Die Politiker haben, wenn auch weiterhin im Schutze der geheimen Abstimmung, nun doch für die erste Nachtragshaushaltssatzung gestimmt. Sie haben damit den Weg frei gemacht für die Übernahme des Josef-Hospitals in städtische Trägerschaft.

Es war eine denkwürdige Ratssitzung. Nicht nur wegen der gigantischen Kulisse von rund 300 Zuschauern. Viele von ihnen Mitarbeiter des Josef-Hospitals (JHD), aber auch einfach viele interessierte Bürger. Das Thema Krankenhaus bewegt sie. Den Menschen in der Stadt liegt viel daran, dass es ein gutes Krankenhaus in Delmenhorst gibt und sie nicht gezwungen sind, nach Bremen, nach Oldenburg oder Wildeshausen auszuweichen. Und viele waren einfach neugierig, was da in der Politik los ist, was da vermeintlich am Freitag schiefgelaufen ist.

Die Zuschauer erlebten eine historische Stunde. Es ist eine weitreichende Entscheidung, die die Politik getroffen hat. Es geht um viele Millionen Euro. Wie auch immer das Votum am Ende ausgefallen wäre: Die Stadtgeschichtsschreiber der Zukunft werden an diesem Kapitel nicht vorbeikommen. Von daher wird wahrscheinlich auch der Name Edith Belz in die Geschichtsbücher eingehen. Die Fraktionsvorsitzende der Linken hat am Wochenende den Antrag gestellt, der es ermöglichte, einen wahrscheinlich fatalen Fehler zu korrigieren. Es war ein guter, ein weiser Antrag – so weit sich die Fakten bislang bewerten lassen.

Sehr viele oder noch mehr Millionen

Zur Wahl stand die Option, viele Millionen Euro auszugeben, um das Krankenhaus vor dem Ruin zu retten und einen Verkauf an einen Investor zu verhindern. Es wird teuer, das JHD zurück auf Kurs zu führen. Es ist zudem nicht sicher, ob es gelingt. Die Chancen stehen nicht schlecht, aber eine wasserfeste Zukunftsprognose ist nichts als Kaffeesatzleserei. Zumindest verfügt die Stadt nun zuerst einmal über eine der wichtigsten Einrichtungen einer Stadt selbst: das Krankenhaus. Immer noch mit der Option, es eines Tages doch zu versilbern. Was aber mit Blick auf eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik in der Region kurzsichtig wäre. Die andere Option wäre übrigens gewesen, noch viel mehr Millionen Euro auszugeben, um am Ende nichts in der Hand zu haben. Es ist das Ende-mit-Schrecken-Szenario, dem immerhin noch 14 Ratsleute anhingen, weil sie nun den Schrecken ohne Ende erwarten.

25 Ja-Stimmen sind kein euphorisch stimmendes Ergebnis, es ist eine vergleichsweise knappe Mehrheit. Das ist deswegen wichtig, weil viele Politiker das Krankenhaus weiter sehr kritisch im Auge behalten werden. Aber wenn das JHD in Zukunft funktionieren soll, müssen diese Politiker auch abgeholt werden. Denn ein Haus, das bei einem wesentlichen Teil der Entscheidungsträger umstritten ist, wird auch weiterhin Akzeptanzprobleme in der Stadt haben. Es wird im Sanierungsprozess nicht nur von Bedeutung sein, das Vertrauen der Bevölkerung und damit der Patienten sowie der einweisenden, niedergelassenen Ärzte zurückzugewinnen. Auch die Politik muss aufgezeigt bekommen, dass das Haus auf ein solides Fundament gestellt wird.

Es muss auch gelingen, die Nörgler vom neuen Standort zu überzeugen, wenn es beim Neubau im Stadtzentrum bleiben soll. Zwar gibt es für dieses Szenario 70 Millionen Euro Förderung vom Bund und vom Land, aber es gibt wegen der Insolvenz auch Unwägbarkeiten, auch weil die Grundstücke an der Westerstraße im Besitz der katholischen Kirche sind. Dass es viele gute Argumente für den Standort Wildeshauser Straße gibt, steht außer Frage. Aber es gibt auch gute Punkte für ein City-Hospital. Und wer in die unmittelbare Nachbarschaft schaut, nach Bremen, nach Oldenburg, wird sehen, dass die großen Häuser dort auch in urbanen Umfeldern sehr gut funktionieren. Es wird in diesem Zusammenhang viel Kommunikation und Austausch nötig sein.

Wie wichtig gute Kommunikation ist, zeigte sich am Mittwoch. Die Stadt fuhr groß auf, um dieses Mal erfolgreich zu sein. JHD-Geschäftsführer Florian Friedel rockte das Rednerpult, so muss man diesen sehr charismatischen Auftritt wohl beschreiben. Anwalt Mark Boddenberg redete über Zahlen so kurzweilig, als wenn er das Publikum mit einem Märchen unterhalten wollte (was er nach Meinung einiger Ratsmitglieder sowieso erzählte). Oberbürgermeister Axel Jahnz hielt wahrscheinlich die Rede seines Lebens, und auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Bettina Oestermann wuchs über sich hinaus und war auf den Punkt so präsent, wie es in so einer Debatte sein muss. Die Spannung, die sich seit Freitag aufgebaut hatte, entlud sich im großen Finale dieses Klinik-Krimis. Wäre Politik immer so packend, Ratssitzungen hätten einen größeren Publikumszuspruch.

Der Mittwochabend zeigt aber auch, dass am Freitag Fehler gemacht wurden. Nach dem deutlichen Grundsatzbeschluss am 28. November pro Rekommunalisierung des JHD – bei sieben Gegenstimmen – war man sich seitens der Verwaltung und vielleicht auch der Parteien zu sicher, dass auch der Nachtragshaushalt angenommen werde. Das war falsch, die Sicherheit war trügerisch. Es war ein bisschen so, als wenn eine Mannschaft beim Fußball nach einer halben Stunde 5:1 führt. Das ist ein Vorsprung, den man eigentlich sicher nach Hause schaukeln muss. Als am Freitag abgepfiffen wurde, stand es 5:5, am Mittwoch fiel die Entscheidung in der Nachspielzeit mit Elfmeterschießen. Den Unterschied machten die Experten, die nun zu Wort kamen. Aber die hätten auch Freitag schon reden können, dann wäre vielleicht die eine nötige Stimme für eine Mehrheit vorhanden gewesen.

Die Arbeit beginnt erst

Nachdem das Ergebnis verkündet war, brandete Jubel auf. Bei den Beschäftigten des Krankenhauses, in der Politik. Aber die Entscheidung ist nur ein Teilerfolg. Die Kärrnerarbeit beginnt jetzt. Die Sanierung muss beginnen. Sie wird weh tun. Das Thema Neubau muss angegangen werden. Das Vertrauen muss zurückgewonnen werden, was mit Blick auf den nächsten Högel-Prozess nicht einfach sein wird. Das Krankenhaus, es wird Delmenhorst noch lange beschäftigen, bis wieder so etwas wie Normalität eintreten kann.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)