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Sondersitzung zum Josef-Hospital Delmenhorst Kehrtwende in Krankenhaus-Debatte

Nach einem Nein am Freitag hat sich der Delmenhorster Stadtrat am Mittwochabend nun doch für den Nachtragshaushalt und somit für eine Rekommunalisierung des Krankenhauses ausgesprochen.
31.01.2018, 22:31 Uhr
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Kehrtwende in Krankenhaus-Debatte
Von Andreas D. Becker

Die endgültige Entscheidung ist gefallen. Der Delmenhorster Stadtrat hat am Mittwochabend unter Jubel mit 25 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen sowie fünf Enthaltungen nun doch für den Nachtragshaushalt und damit auch für eine Rekommunalisierung des Krankenhauses votiert.

In der Sitzung, die sich bis in die späten Abendstunden hinein zog, wurden noch mal alle Register gezogen. Es wurde gekämpft – die Verwaltung hat zur entscheidenden Ratssitzung zur Übernahme des Josef-Hospitals in städtische Trägerschaft noch einmal alles aufgefahren, um die Ratsmitglieder davon zu überzeugen, der Voraussetzung für die Rekommunalisierung, der Annahme des Nachtragshaushalts, nach der Nichtannahme am vergangenen Freitag doch noch zuzustimmen.

Das Thema bewegte die Menschen, wie sich am Interesse der Bevölkerung zeigte. So voll war die Markthalle noch nie. Rund 300 Zuschauer, darunter zahlreiche Mitarbeiter des Josef-Hospitals (JHD), folgten der Debatte. Dass mit Krankenhaus-Geschäftsführer Florian Friedel, mit dem Insolvenzrechtler Mark Boddenberg, mit einem kämpferischen Oberbürgermeister Axel Jahnz, einer mitreißenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Bettina Oestermann am Rednerpult noch einmal argumentativ wie rhetorisch alles in die Waagschale geworfen wurde, damit das Krankenhaus in städtische Trägerschaft übergehen kann, scheint gefruchtet zu haben.

Deutliche Worte fand JHD-Geschäftsführer Florian Friedel für die Politik. „Ich habe mich persönlich sehr geärgert am vergangenen Freitag, dass sich einige Ratsmitglieder hingestellt haben und sagten, sie könnten nicht zustimmen, weil sie schlecht informiert wurden.“ Friedel erinnerte daran, dass er allen Fraktionen angeboten hatte, sich bei ihm direkt zu informieren. Aber nur die SPD habe von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Friedel betonte zudem, dass er weiterhin daran festhalte, dass die Stadt der beste Partner sei, zuverlässig, ein Partner, der an das Haus glaube.

In seiner Rede zeichnete Friedel noch einmal ein eindringliches Bild, warum es seiner Meinung nach sinnvoll und gut ist, das Krankenhaus nicht fallen zu lassen. Selbstbewusst trat er den von einigen Politikern befürchteten Risiken, die Angst davor haben, dass sich das Krankenhaus als Loch ohne Boden entpuppt, entgegen. Mit Verweis auf das Sanierungskonzept meinte er: „Die Risiken sind beherrschbar.“ Das Konzept sei bereits bewusst zurückhaltend aufgestellt, basierend auf Erfahrungswerten. „Aber es kann sein, dass die Annahmen nicht eintreffen.“ Natürlich wisse man nicht, wie sich die Högel-Prozesse auswirken werden. Natürlich wisse man nicht, ob sich die Patientenzahlen wie vermutet entwickeln. „Aber das ist absehbar, das erwischt uns nicht kalt.“

Und wenn sich das Haus nicht wie erwartet entwickele, könne die Stadt als Besitzer immer noch reagieren. Dann könne man immer noch an Private verkaufen. Dann aber mit allen Trümpfen in der Hand. „Sagen Sie aber Nein, berauben Sie sich aller Gestaltungsmöglichkeiten“, betonte Friedel. „Wenn Sie das Krankenhaus später verkaufen, werden Sie mehr erlösen, als Sie jetzt reinstecken.“ Aber dann könne man sich den Investor aussuchen – „und das macht einen Unterschied“. Zudem sei zu diesem Zeitpunkt die Grundstücksfrage in Mitte mit der katholischen Stiftung geklärt, auch in der Fördermittelfrage, also den 70 Millionen Euro Bundes- und Landeszuschuss für den Neubau, herrsche dann Klarheit. Alles Vorteile beim Verkauf – Boddenberg sprach gar davon, dass ein auf Kurs gebrachtes Krankenhaus sogar so gewinnträchtig verkauft werden könne, dass sich damit der Haushalt sanieren lasse.

Zuvor hatte der Insolvenzfachmann noch einmal vorgerechnet, wie sich ein Ja und ein Nein des Rates finanziell auswirke. Sollte der Nachtrag nicht angenommen werden, müsse die Stadt umgehend 32,84 Millionen Euro zahlen. Geld, das sofort aus der Liquidität bedient werden müsse. Zwar sei die Summe, die am Ende in die Sanierung des Hauses mit allem, was daran hängt, zum Beispiel Zuschüsse zum Neubau, nicht kleiner, aber die Stadt hat dann wenigstens einen Gegenwert. Und wenn der Rat Ja sage, werden erst einmal 11,24 Millionen Euro liquiditätswirksam fällig. Bei den Zahlen, führte Boddenberg aus, sei die Entscheidung des Rates vom Freitag sehr überraschend. Und bisher habe sich die Stadt durch die im vergangenen Jahr gezahlten 3,5 Millionen Euro Liquiditätszuschuss für das Krankenhaus auch den Exklusivzugriff gesichert, der wurde am Freitag aufgegeben. „Aber weil das Krankenhaus so attraktiv ist, haben sich am Wochenende sofort mehrere Interessenten für das Haus gemeldet.“

Auch Bettina Oestermann (SPD) zeigte wenig Verständnis für die Ratsmitglieder, die sich bislang nur unzureichend mit dem Thema befasst haben. „Informationsbeschaffung ist auch eine Holschuld.“ Sie wies darauf hin, dass zum Beispiel der nicht öffentlich tagende Verwaltungsausschuss (VA) allen Ratsmitgliedern offen stehe – aber nur wenige haben diese Chance auch genutzt. Und wie schon vorab Jahnz appellierte sie an die unsicheren Ratsmitglieder, statt mit Nein zu stimmen, sich lieber zu enthalten. Und sie machte noch einmal deutlich, welchen Wert ein Krankenhaus vor Ort für die Bevölkerung bedeute: „Ich habe selbst zwei chronisch kranke Kinder, ich bin wöchentlich im Krankenhaus. Und ich möchte nicht jedes Mal nach Bremen oder Oldenburg fahren.“

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