Die Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie (IMST) ist der Goldstandard der Therapie von Patienten mit schweren chronischen Schmerzen. Die Therapie ist national und international anerkannt. Die Wirksamkeit ist vielfach überprüft. Ein zentrales Merkmal der IMST ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen in einem Behandlerteam. Sowohl inhaltlich und strukturell als auch in der Weiterentwicklung der Codierungs- und Abrechnungssysteme (International Classification of Diseases [ICD], Operationen- und Prozedurenschlüssel [OPS], Fallpauschalensystem und Diagnosis related groups [DRG]) wurde in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet.

Die Ad-hoc-Kommission „Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. (AK-IMST) hat die IMST inhaltlich definiert [1] und Merkmale der Strukturen und der Prozessqualität beschrieben [2]. Indikation und Leistungsumfang des interdisziplinären Assessments [3], die Inhalte der konkreten Interventionen der beteiligten Fachgruppen [4] sowie Kriterien der Abgrenzung der IMST gegenüber der Rehabilitation [5] wurden beschrieben.

Eine Kommission der Fachgesellschaften und Verbände in der Schmerzmedizin hat einen Konsens darüber erzielt, wie durch die Klassifikation schmerzmedizinischer Einrichtungen die Struktur der schmerzmedizinischen Versorgung in Deutschland klarer dargestellt werden kann [6].

Seit dem Jahr 2001 arbeitet die Ad-hoc-Kommission „Versorgungsfragen“ der DSG intensiv an der adäquaten Darstellung der IMST in den Codiersystemen ICD und OPS und an der Weiterentwicklung der DRG-Logik für die IMST, um in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Ärzte und psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) eine leistungsgerechte Vergütung für die teil- und vollstationäre IMST zu erreichen und zu sichern.

Für die Bedarfsplanung der IMST sind die Krankenhausplanungsausschüsse der Länder zuständig. Die vollstationäre IMST wird im Krankenhausplan nicht aufgeführt. Jedes Krankenhaus kann IMST vollstationär in Betten unterschiedlicher Fachabteilungen wie Innere Medizin, Neurologie oder Orthopädie anbieten. Eine Bedarfsplanung für Schmerzmedizin würde eine eigene Fachrichtung voraussetzen. Teilstationäre Einrichtungen werden einer Bedarfsprüfung unterzogen und im Krankenhausplan aufgeführt. In einigen Bundesländern, wie z. B. Bayern, wurde eine nahezu flächendeckende Versorgung mit teilstationären Einrichtungen sichergestellt. In anderen Bundesländern gibt es kaum Schmerztherapietageskliniken.

Der lange Weg vom OPS-Code 8‑918 zur adäquaten Vergütung der multimodalen Schmerztherapie

Seit der Einführung des deutschen DRG-Systems im Jahr 2001 und der „Scharfschaltung“ des Systems 2004 hat die Deutsche Schmerzgesellschaft für eine Abbildung aller schmerztherapeutischen Therapieverfahren, insbesondere aber der IMST gekämpft. Sehr schnell wurde klar, dass das DRG-System, das ursprünglich ein diagnosengesteuertes System sein sollte, sehr schnell ein prozedurengesteuertes System wurde. Die Deutsche Schmerzgesellschaft hat das früh erkannt und die Ad-hoc-Kommission „Versorgungsfragen“ (damals Ad-hoc-Kommission „DRGs & AEPs“) gegründet. 2002 wurde der OPS-Code 8‑918 in den amtlichen Prozedurenkatalog aufgenommen. Damit konnte die Leistung codiert werden. Dies war Voraussetzung für die Berechnung einer Fallpauschale. Bereits 2005 wurden dann Fallpauschalen für die vollstationäre multimodale Schmerztherapie für Diagnosen aus den Major Diagnostic Categories (MDC) neurologische Störungen, Skeletterkrankungen, psychische Störungen sowie allgemeine Krankheitssymptome in den DRG-Katalog aufgenommen. Die Vergütung dieser Fallpauschalen hat sich im Laufe der Jahre zu einer adäquaten Vergütung der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie entwickelt [7]. Eine wichtige Voraussetzung für diese positive Entwicklung war die Aufnahme des ICD-Codes F45.41 (Chronischer Schmerz mit somatischen und psychischen Faktoren) in die deutsche Version der ICD-10 [8]. Damit war die Voraussetzung geschaffen, den chronischen Schmerz mit einem eigenen ICD-Code im DRG-System abzubilden. Durch die Definition von Prüfkriterien konnte der ICD-Code F45.41 klarer operationalisiert werden [9].

Ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer adäquaten Vergütung der IMST im vollstationären Sektor war eine Unterteilung des OPS-Codes 8‑918 nach Anzahl der Therapieeinheiten mit besonderer Darstellung der psychotherapeutischen Therapieeinheiten. Dennoch war es mehr als zehn Jahre nicht gelungen, für höhere Therapieintensitäten und längere Therapiedauer eine bessere Vergütung zu erzielen. Erst im Jahr 2016 gelang schließlich die Aufteilung der DRGs B47 und I42 in zwei Schweregrade A und B. 2017 wurde die DRG U42, die bis zum Jahr 2016 von jedem Krankenhaus individuell mit den Kostenträgern zu verhandeln war, mit 3 Schweregraden in den Katalog der fest bepreisten Fallpauschalen aufgenommen.

Zunehmende, teilweise flächendeckende MDK-Prüfungen

Der gesetzliche Auftrag zur Fehlbelegungs- und Abrechnungsprüfung nach § 17c KHG sieht Stichprobenprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) vor. Die Zunahme der Fallzahlen der vollstationären IMST in den letzten Jahren führte bei vielen Krankenkassen zu einer hohen Prüfrate der Leistungen der IMST. Der MDK prüft in erster Linie eine mögliche Fehlbelegung und die Qualität der DRG-Codierung. In letzter Zeit wurden auch zunehmend Strukturprüfungen in den Krankenhäusern durchgeführt.

Eine mögliche primäre Fehlbelegung, d. h. die Frage, ob der Patient auch ambulant oder stationsersetzend behandelt werden kann (§ 39 Abs. 1 SGB V), ist ein weiterer Prüfgrund der Krankenkassen. Zur Überprüfung der Aufnahmeindikation in eine teil- oder vollstationäre Behandlung wurde von der Arbeitsgemeinschaft schmerztherapeutischer Einrichtungen in Bayern (ASTiB) eine Aufnahmeindikationsliste [10] erstellt und mit den Krankenkassen abgestimmt. Die Kriterien für die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung werden in der Neuauflage des Begutachtungsleitfadens des OPS-Codes 8‑918 von den Vertretern der Sozialmedizinischen Expertengruppe (SEG 4) und des BVSD, der Deutschen Schmerzgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin erarbeitet und konsentiert [11].

Sekundäre Fehlbelegung liegt vor, wenn die Versorgung des Patienten zwar eine Krankenhausbehandlung erfordert, die Dauer der stationären Behandlung jedoch in ihrer Länge für die Krankenkasse nicht nachvollziehbar ist. Die Krankenkasse geht davon aus, dass der Patient früher aus der stationären in eine weitere ambulante Behandlung oder aus der Krankenbehandlung in eine Rehabilitationsbehandlung hätte entlassen werden können. Die IMST unterscheidet sich von anderen akut stationären Krankenhausaufenthalten dadurch, dass täglich eine hohe Therapieintensität angewandt wird. Die Prüfung der Therapiedauer ist daher auch immer die Frage nach der erforderlichen Therapiedosis. Die Dosis für eine erfolgreiche IMST wurde in der Metaanalyse von Guzman [12] auf 100 Therapiestunden beziffert. In der aktuellen Version dieser Metaanalyse [13] wird festgestellt, dass aus den vorliegenden Studiendaten nicht eindeutig hervorgeht, dass die Behandlungsintensität Einfluss auf die Stärke des Behandlungseffekts hat. Ein kürzlich durchgeführter systematischer Review [14] konnte zeigen, dass die Dosis der IMST immer zusammen mit deren Inhalten betrachtet werden muss, wenn deren Einfluss auf ihre Effektstärke gemessen werden soll. Einzelne randomisierte kontrollierte Studien [15] zeigten keine wesentlichen Unterschiede in der Wirkung multidisziplinärer Programme unterschiedlicher Intensität. Die Frage nach der notwendigen und ausreichenden Dosis der IMST ist bisher wissenschaftlich noch nicht beantwortet.

Die Überprüfung der Qualität der Codierung richtet sich nach der im OPS-Code 8‑918 festgelegten Struktur- und Prozessqualität. Da sich hier trotz des Begutachtungsleitfadens des MDK immer wieder diskrepante Interpretationen der Formulierungen der einzelnen OPS-Kriterien zwischen den Leistungserbringern und dem MDK ergeben, hat die Ad-hoc-Kommission „Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie“ der Deutschen Schmerzgesellschaft im vorliegenden Heft Hinweise zur praktischen Umsetzung der OPS-Kriterien vorgelegt. Die Kommission ist der Auffassung, „dass darüber hinaus vor allem für hoch chronifizierte bzw. komplex kranke Schmerzpatienten weitergehende qualitative Kriterien für die erfolgreiche Durchführung multimodaler Schmerztherapie im stationären Setting erforderlich sind“ [16].

Multimodale interdisziplinäre Schmerztherapie in der ambulanten Regelversorgung nicht abgebildet

Multimodale Schmerztherapie ist im erweiterten Bewertungsmaßstab (EBM) nicht abgebildet. Immer wieder gibt es einige Ansätze, eine „gleichzeitige, inhaltlich, zeitlich und in der Vorgehensweise aufeinander abgestimmte umfassende Behandlung von Patienten mit chronifizierten Schmerzsyndromen“ auch ambulant umzusetzen. Dies setzt größere ambulante Strukturen wie z. B. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) oder Netzwerkstrukturen im Sinne interdisziplinärer Behandlungsteams voraus.

Ambulante IMST war lange Zeit nur im Rahmen von Programmen der „Besonderen Versorgung“ nach § 140 SGB V (Früher integrierte Versorgung) möglich. Die wenigen integrierten Versorgungsprogramme im Bereich Schmerzmedizin waren in der Regel begrenzt auf wenige Diagnosen wie z. B. den nichtspezifischen Rückenschmerz. Die Patienten wurden den Verträgen nur durch die Krankenkassen zugesteuert. Ein hauptsächlich wirtschaftliches Ziel der Verträge war die Verringerung der Kosten für Krankengeld. Somit waren die Teilnahmemöglichkeiten für die Patienten sehr eingeschränkt. Einige Programme wurden inzwischen wegen fehlender Wirtschaftlichkeit oder zu geringen Zuweisungen eingestellt bzw. eingeschränkt.

Ein riesiges Versorgungsproblem ist dadurch bedingt, dass der ambulante Sektor durch die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vergüteten fachgebundenen Therapien keine interdisziplinären Strukturen und Vergütungsmodelle kennt, obwohl es sehr wohl große multiprofessionelle Versorgungsstrukturen wie medizinische Versorgungszentren gibt, die alle notwendigen Fachgebiete für eine interdisziplinäre Versorgung vorhalten. Hauptproblem dabei ist, dass interdisziplinäre Strukturen und Prozesse wie eine regelmäßige Absprache im Behandlungsteam (z. B. Teambesprechung) nicht im Vergütungskatalog abgebildet sind.

Ohne eine ambulante IMST ist eine flächendeckende Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nicht möglich. Durch Fehlen ambulanter, interdisziplinärer Strukturen ist vor allem in ländlichen Regionen eine vollstationäre IMST häufig die einzige Möglichkeit, chronische Schmerzpatienten adäquat zu behandeln.

Der BVSD hat auf seinem Kongress 2017 die politische Forderung gestellt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine spezialisierte ambulante Schmerzversorgung (SASV) analog der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) zu schaffen [17].

Ist die flächendeckende, abgestufte Versorgung chronischer Schmerzpatienten mit multimodaler interdisziplinärer Schmerztherapie in Zukunft gesichert?

Die Finanzierung der vollstationären IMST hat sich durch die Aufteilung der DRG B47, I42 und U42 erheblich verbessert. Dennoch besteht weiterhin ein falsches Anreizsystem, durch Verringerung der Leistungsmenge (Verringerung der vollstationären Behandlungstage) Mehrerlös pro Behandlungstag zu generieren. Bei tagesbezogenen Entgelten wie in der Tagesklinik fehlt dieser Fehlanreiz.

Im aktuellen DRG-Katalog wird die vollstationäre IMST mit niedriger Therapiedauer von 7 bis 13 Tagen sowie mit höherer Therapieintensität von 14 Tagen und mehr abgebildet. Eine Behandlungsdauer von mehr als 18 Tagen für schwer chronifizierte Schmerzpatienten benötigt durch die hohe tägliche Therapieintensität einen erheblichen Ressourcenaufwand. Dieser ist durch die bei längerer Behandlungsdauer geringeren Tageserlöse nicht kostendeckend darstellbar. Hier besteht Handlungsbedarf.

Leider wird die Möglichkeit der teilstationären schmerztherapeutischen Versorgung nicht in allen Bundesländern gleich genutzt. Manche Bundesländer verweigern die Aufnahme von teilstationären Einrichtungen in ihren Krankenhausplan. In den teilstationären Einrichtungen ist die Zahl der versorgten Patienten gering, da die IMST-Programme meist zwischen 4 und 5 Wochen dauern und die tagesklinischen Plätze begrenzt sind. Die Vergütung der teilstationären multimodalen Schmerztherapie ist krankenhausindividuell zu regeln und hängt damit vom Budget ab, das der Krankenhausträger mit den Krankenkassen vereinbart hat.

Die bisher einzige Möglichkeit einer ambulanten multimodalen Schmerztherapie bestand in der Teilnahme an selektiven, integrierten Versorgungsverträgen mit einer oder mehreren Krankenkassen. Diese „besonderen Verträge“ schließen die Krankenkassen mit einzelnen Leistungserbringern ab, um definierte ökonomische Ziele wie zum Beispiel die Verringerung der Krankengeldtage zu erreichen. Die bisherigen selektiven Verträge sind nicht geeignet, um eine ambulante schmerztherapeutische Versorgung in der Fläche zu gewährleisten.

Kooperative ambulante Strukturen existieren in allen Regionen. Um den Kriterien der Deutschen Schmerzgesellschaft für die IMST gerecht zu werden, braucht es neben der Vergütung der Einzelleistung der einzelnen Ärzte oder Therapeuten vor allem eine Honorierung der Teamstruktur. Die ambulante IMST muss dann wie die teil- oder vollstationäre IMST eine interdisziplinäre, multiprofessionelle Zusammenarbeit von ärztlichen und psychologischen Schmerztherapeuten sowie Physiotherapeuten in einer Teamstruktur gewährleisten.

Die Vergütung der ärztlichen Leistung sollte durch Schaffung entsprechender Ziffern im EBM-Kapitel 30.7.1 (schmerztherapeutische Versorgung) geschehen. Gleichzeitig sollten entsprechende Ziffern für die Schmerzpsychotherapeuten geschaffen werden. Für die Bewegungstherapie sollte eine Ausnahme vom Regelfall für die Zeit der ambulanten multimodalen Schmerztherapie genehmigt werden.

Dieser Vision einer ambulanten IMST sind allerdings auch dadurch Grenzen gesetzt, dass sich im ambulanten Bereich nicht genügend approbierte Psychotherapeuten finden, um den hohen Bedarf an psychotherapeutischen Therapieeinheiten im Rahmen der IMST-Programme abzudecken. Die ambulante Bedarfsplanung muss die Schmerzmedizin als eigenständiges Fachgebiet führen. Die Kollegen, die sich als reine Schmerztherapeuten niederlassen, benötigen Planungssicherheit. Die vom BVSD geforderte Einführung einer SASV könnte eine interdisziplinäre Struktur schaffen, über die eine ambulante IMST abgebildet werden kann.

Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, eine abgestufte flächendeckende Versorgung chronischer Schmerzpatienten mit unterschiedlich intensiven IMST-Therapieprogrammen auf allen Versorgungsebenen (ambulant, teilstationär, vollstationär) sicherzustellen.

figure a

R. Thoma