Herr Zimmer, ärgern Sie die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie? Immerhin schneiden die Bremer Krankenhäuser im Vergleich zu allen anderen Bundesländern bei den Patienten am schlechtesten ab – sie liegen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt?
Uwe Zimmer: Warum ärgern? Immerhin würden nach dieser Studie auch 73,9 Prozent der Patienten die Kliniken weiterempfehlen – wenn man die Studie ernst nimmt.
Sie nehmen die Studie nicht ernst?
Die Studie erklärt jedenfalls nicht, warum die Patienten in Bremen am unzufriedensten sind. Außerdem werden hier regionale Vergleiche angestellt, es gibt aber keine Auskunft darüber, wie diese Unterschiede im Einzelnen ermittelt wurden. Ein direkter Zusammenhang mit der Krankenhausqualität lässt sich daraus definitiv nicht ableiten. Im Hinblick auf die Aussagekraft eines Vergleichs auf Bundeslandebene muss ich die Ergebnisse deshalb anzweifeln.
Woran machen Sie Ihre Zweifel denn konkret fest?
Das geht schon bei der Auswahl der befragten Patienten los. Hier wurden ganz wesentliche Gruppen ausgeschlossen: zum Beispiel über 80-Jährige und bestimmte Diagnosen. Insofern kann man die Ergebnisse schon anzweifeln oder mindestens kritisch sehen. Für den Bremer Krankenhausspiegel lassen wir auch alle zwei Jahre Patienten danach befragen, wie zufrieden sie mit der Behandlung, dem Essen, der Ausstattung und der Kommunikation mit Ärzten und Pflegekräften sind.
Dafür schließen wir keine Patientengruppen aus. Wir haben auch Versicherte aller Krankenkassen befragt, nicht nur der AOK und der Barmer, wie in der Studie von Bertelsmann. Und: Der Fragenkatalog ist deutlich umfassender als die 15 Fragen, die für die Bertelsmann-Studie gestellt wurden. Für den Krankenhausspiegel werden auch andere Fragen gestellt.
Bei der letzten Befragung Mitte 2016 haben 7000 angeschriebene Patienten geantwortet, die Zahl der Rückmeldungen war damit mindestens doppelt so hoch wie in der Bertelsmann-Studie. Die Gesamtzufriedenheit der Bremer Patienten lag bei 87,4 Prozent – also auch deutlich höher. Ich halte die durch uns in Auftrag gegebene Patientenbefragung für detaillierter und damit für viel aussagekräftiger.
Das liegt in der Natur der Sache, die Bremer Krankenhausgesellschaft vertritt die Interessen der Kliniken.
Ja, das ist sicher so. Aber die Befragung wird durch ein externes anerkanntes Forschungsinstitut durchgeführt. Man sieht ganz deutlich, dass diese Befragung quantitativ und qualitativ viel tiefer geht. Die Befragungsergebnisse werden für jeden einsehbar in der Broschüre und auf der Homepage des Bremer Krankenhausspiegels veröffentlicht – genauso wie die Qualitätsdaten aller Kliniken. Bremen ist damit übrigens das einzige Bundesland, in dem die Krankenhäuser ihre Qualitätsdaten in solch einem Umfang freiwillig transparent machen.
Auch wenn bei der Bertelsmann-Studie andere und weniger Fragen gestellt wurden, kommt sie aber zu dem Ergebnis, dass die Patienten in Bremen am unzufriedensten sind und die Kliniken in Sachsen als Spitzenreiter abschneiden. Dafür muss es ja eine Erklärung geben?
Dazu liefert die Bertelsmann-Studie leider keinerlei Erklärungsansätze. Die Zufriedenheit von Patienten macht sich zu großen Teilen auch an der allgemeinen Ausstattung der Krankenhäuser fest. Und das hat ganz viel mit den Krankenhausinvestitionen zu tun, für deren Finanzierung die Bundesländer zuständig sind. In der Bertelsmann-Studie kann man sehen, dass viele Werte für die Patientenzufriedenheit in Ländern mit ausgesprochen hohem Investitionsstau – dazu zählt neben Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen auch Bremen – unter dem Bundesdurchschnitt von 79,3 Prozent liegen. Und umgekehrt sieht man, dass in den neuen Bundesländern, in denen in den beiden Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung massiv investiert wurde, die Zufriedenheit höher ist. Zum Beispiel in Sachsen.
Wie groß ist denn der Investitionsstau in den Bremer Krankenhäusern?
Über 500 Millionen Euro. In Bremen ist der Investitionsstau besonders hoch. Wir wissen ja, dass Bremen lange Haushaltsnotlageland war, aber das wird sich ja bald ändern.
Sie hoffen also auf mehr Geld vom Senat für die Kliniken?
Natürlich, daran muss der Senat ein sehr großes Interesse haben. Wenn vom Land nicht ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, müssen die Kliniken diese selbst erwirtschaften – um in Strukturen wie Gebäude und Ausstattung zu investieren. Im Sachkostenbereich ist nicht viel zu erwirtschaften, das kann also dazu führen, dass es an die Personalkosten geht. Da kommen die Krankenhäuser aber schnell an Grenzen, die Kliniken sind da in einer Falle. Krankenhäuser sind ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsfürsorge. Man kann nicht immer nur über Schlaglöcher in Straßen reden.
Im vergangenen Sommer hat unter dem Vorsitz von Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt die Gesundheitsministerkonferenz in Bremen getagt. Dabei haben die Länder angekündigt, dass sie ab 2019 jedes Jahr zusätzlich 500 Millionen Euro in die Krankenhäuser investieren wollen. Aber nur dann, wenn der Bund den Topf um den gleichen Betrag, also auf insgesamt eine Milliarde Euro, aufstockt. Reicht das – wenn es überhaupt dazu kommt?
Das wäre toll, aber auch eine Milliarde Euro ist zu wenig. Zurzeit stellen die Länder insgesamt 2,8 Milliarden Euro als Investitionsmittel bereit. Notwendig wäre mindestens das Doppelte. Der Bund muss sich stärker an den Krankenhausinvestitionen beteiligen, er macht immerhin Milliardenüberschüsse.
Ansonsten überleben einige Kliniken das nicht?
Auf Dauer lässt sich ein solcher Investitionsstau sicher nicht von den Krankenhäusern aus eigener Kraft bewältigen.