SOS aus dem Kreißsaal: Hebammen dringend gesucht
SOS aus dem kreißsaal: Hebammen gesucht.
Quelle: Christian Rödel
Stralsund. Der bundesweit beklagte Personalmangel in der Geburtshilfe ist längst in Stralsund zu spüren. Auch der Kreißsaal des Helios Hanseklinikums sucht dringend Hebammen. Doch nach Aussage des Klinik-Chefs Torge Koop haben die Stellenausschreibungen in Zeitungen, Zeitschriften, online und auf Facebook bisher nicht zum Erfolg geführt.
Trotz Top-Ausbildung bleibt keiner in Stralsund
Dabei bildet Stralsund in jedem der drei Jahrgänge zwei Schülerinnen aus. Doch nach der Ausbildung zieht es die jungen Leute in die Metropolen. „Außerdem trauen sie sich eine Schicht allein im Kreißsaal nicht zu. Da setzen wir an, begleiten die Berufseinsteiger noch ein bisschen länger. Wir wollen alles versuchen, um die bei uns bestens ausgebildeten Hebammen hier zu halten“, so Koop.
Zehn Hebammen im Stellenplan
Zehn Hebammen kümmern sich laut Stellenplan im Stralsunder Kreißsaal um die werdenden Mütter. Doch die Realität sieht anders aus: Drei Hebammen befinden sich in Elternzeit, eine Mitarbeiterin ist schwanger, eine will sich umorientieren. Das heißt also für die verbleibenden fünf Hebammen: Schichten schieben – und bloß nicht krank werden. Und das bei steigenden Geburtenzahlen. Schließlich wurden im letzten Jahr 962 Kinder auf die Welt geholt, 2016 waren es 906 Mädchen und Jungen.
Hoher Arbeitsdruck im Kreißsaal
„Ich kann den Hebammen nur danken, sie haben all das in letzter Zeit engagiert überbrückt. Jetzt müssen wir diese Durststrecke noch bis zum Sommer überstehen, dann kommen die ersten Kolleginnen aus dem Baby-Urlaub“, sagt Dr. Frank Ruhland. Der Chefarzt der Frauenklinik fragte natürlich bei Nachbarkliniken nach einer eventuellen Vertretung: „Alle haben dieselben Probleme: Es gibt keine Hebammen in der Region. Offene Stellen bleiben unbesetzt. Und von den jungen Auszubildenden, die an der Klinik ihren Abschluss machen, bleibt kaum einer in Vorpommern.“
Hanseklinikum hat jedes Jahr zwei Absolventinnen
Dabei sind die zwei Azubi-Stellen für jedes der drei Ausbildungsjahre immer sehr beliebt. „Wir bilden seit Jahren konstant aus. Und ich denke, unser Kreißsaal hat da einen sehr guten Ruf. Aber was nützt es, wenn die jungen Frauen dann mit ihrem Freund nach Berlin oder Hamburg gehen“, bedauert auch die leitende Hebamme Birgit Busch die Situation. Die 52-Jährige arbeitet seit 32 Jahren im Stralsunder Kreißsaal. „Für mich gibt es keinen schöneren Beruf. Ich mache ja auch Geburtsvorbereitungskurse und betreue die Frauen nach der Entbindung. Da hat man zu jedem eine persönliche Verbindung“, sagt die Stralsunderin, die fast 3000 Babys geholt hat. Ebenso wie ihre Kollegin Marina Knöpken. Die 57-Jährige ist seit 37 Jahren mit Leib und Seele Hebamme. „Natürlich fehlt uns der Berufsnachwuchs. Ich denke, die jungen Hebammen haben kein Problem mit Schichtarbeit, vielmehr haben sie Angst vor der Verantwortung, denn die ist groß, wenn man allein in der Schicht ist.“
Allein in einer Schicht - Angst vor der Verantwortung
Probleme, die der Klinikumsleitung natürlich bekannt sind. „Wir haben bundesweit große strukturelle Probleme, die Rahmenbedingungen für Hebammen sind schlecht. Und da spielen viele Faktoren eine Rolle“, sagt Torge Koop, Geschäftsführer des Helios Hanseklinikums in Stralsund. „DieJungen zieht es in die Metropolen. Außerdem ist für die niedergelassenen Hebammen die unbezahlbare Haftpflichtversicherung eine Hürde. Und wir beobachten auch, dass immer weniger Einsteiger den Beruf Hebamme als Berufung sehen.“
Kreißsaal-Schließung ist keine Option
Bis sich der Sog der Großstädte in eine Rückkehr aufs platte Land umkehrt, werden wohl noch ein paar Jahre vergehen. Was tun also, wenn man den Kreißsaal nicht eines Tages schließen will. „Wir haben in Stralsund steigende Geburtenzahlen, von einer Schließung des Kreißsaal kann keine Rede sein“, betont Koob und erklärt, dass man die Geburtshilfe sogar attraktiver machen wolle. „Wir werden etwas besser ausgestattete Familienzimmer anbieten, für jene Frauen, die mehr als nur Standard wollen. Helios will das in Stralsund testen.“
Klinik: Noch mehr ausbilden und Begleitung der Berufseinsteiger
Doch auch die Personalnot im Kreißsaal soll angepackt werden. „Erstens werden wir die Zahl der Azubis in jedem Jahrgang schrittweise auf drei erhöhen. Zweitens wollen wir den Einstieg in den Beruf begleiten, quasi mit einem Mentor, um die Hebamme noch sicherer zu machen.“ Man wolle noch mehr tun, um die jungen Leute zu halten. Was genau, ließ der Klinik-Chef offen. Außerdem forciere die Geschäftsleitung laut Torge Koop die Stellenausschreibungen. „Ob in Zeitungen, Zeitschriften, online oder auf Facebook, wir nutzen alle Kanäle. Leider bisher mit wenig Resonanz...“
Sommer Ines
OZ