(16.2.2018) Schönheitsoperationen können Heilbehandlungen und damit ausnahmsweise von der Umsatzsteuerpflicht befreit sein, wenn der Arzt dem Finanzamt gegenüber nachprüfbare detaillierte Angaben über die mit der jeweiligen Behandlung verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung macht. Tut er dies nicht, so sind die ärztlichen Leistungen umsatzsteuerpflichtig. Der bloße Hinweis des Arztes, alle Operationen hätten dem Schutz der menschlichen Gesundheit der Patienten gedient - verbunden mit der Vorlage tabellarischer Zusammenfassungen, Fotografien der Patienten und Honorarvereinbarungen - sind dafür nicht ausreichend. Denn der Arzt hat hier zu belegen, dass eine Heilbehandlung vorliegt (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 5 K 5266/15).

BrustoperationsaufklärungsformularPraxisanmerkung:

Die Anforderungen an den Nachweis des Vorliegens einer Heilbehandlung sind also hoch. Der Arzt sollte sich beraten lassen, bevor er dem Finanzamt Unterlagen vorlegt. Hier hat der Arzt nicht nur Nachweispflichten gegenüber den Finanzamt zu erfüllen - er hat auch die Patientendaten hinreichend zu anonymisieren, um dem Datenschutz Genüge zu tun. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob von der Klägerin durchgeführte ästhetische Operationen von der Umsatzsteuer befreit sind.

Die Klägerin ist Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie und war im Streitjahr auf Honorarbasis bei der X... AG tätig, die die Klinik Y… GmbH betreibt. Sie wird von dem Beklagten zur Umsatzsteuer veranlagt. Für das Streitjahr führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-​Sonderprüfung durch. Im Rahmen der Prüfungsvorbereitungen reichte die Klägerin die Umsatzsteuerjahreserklärung 2012 ein, mit der sie unter anderem steuerfreie Umsätze i. H. v. 77.706,65 € erklärte. Die Prüferin stellte fest, dass die Umsätze nur steuerfrei seien, wenn die medizinische Indikation der erbrachten ärztlichen Leistungen durch den Unternehmer nachgewiesen werde. Da dies bislang nicht geschehen sei, seien die Umsätze zu versteuern. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom 10.02.2014 verwiesen.

Der Bekl. folgte den Feststellungen der Prüferin und setzte die Umsatzsteuer für 2012 mit Bescheid vom 17.04.2014 auf 34.931,05 € fest. Mit ihrem Einspruch vom 28.04.2014 wandte sich die Klägerin gegen die Kürzung der umsatzsteuerfreien Erlöse und übersandte zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Eingriffe Kopien von insgesamt 17 Honorarvereinbarungen, in denen jeweils der geplante Eingriff genannt ist und die mit einem handschriftlichen Vermerk zur Diagnose versehen sind. Sie wies darauf hin, dass nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 01.07.2010 (V B 62/09) der behandelnde Arzt die Feststellung zu treffen habe, ob bei chirurgisch-​plastischen Operationen steuerpflichtige oder – wegen medizinischer Indikation – steuerfreie Leistungen vorlägen. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH – habe in seinem Urteil vom 21.03.2013 (C-​91/12) ausgeführt, dass es für die Beurteilung, ob es sich bei einem Eingriff um eine ärztliche Heilbehandlung handele, von Bedeutung sei, dass der Zweck des Eingriffs von einer Person bestimmt werde, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen sei. Im Übrigen sei geklärt, dass die Übernahme der Behandlungskosten durch eine Krankenversicherung nicht als taugliches Kriterium für die Bejahung der medizinischen Indikation herangezogen werden könne. Auch die weiteren vom Beklagten geforderten Nachweise wie die Überweisung von einem Facharzt oder ein Gutachten über die Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit würden weder von der Rechtsprechung gefordert noch seien sie tauglich, die medizinische Indikation nachzuweisen. Die von ihr, der Klägerin, angefügten handschriftlichen Vermerke zur jeweiligen Diagnose seien als Nachweis ausreichend.

Mit der Entscheidung vom 01.12.2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz – UStG – richtlinienkonform auszulegen sei. Die Steuerfreiheit setze voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringe und die dafür erforderliche Qualifikation besitze. Die Beurteilung medizinischer Fragen müsse auf medizinischen Feststellungen beruhen, die von entsprechendem Fachpersonal getroffen worden seien. Im Bereich der ästhetisch-​chirurgischen Maßnahmen, die sowohl Heilbehandlungen als auch bloß kosmetischen Zwecken dienen könnten, komme es auf eine Einzelprüfung an.

Die gebotene Mitwirkung der Klägerin erfordere detaillierte Angaben zu der mit der jeweiligen Behandlung verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung. Hierfür sei es erforderlich, Tatsachen zur konkreten Krankheit, Verletzung oder Beeinträchtigung anzugeben. Die von der Klägerin vorgelegten Honorarvereinbarungen seien lediglich mit einer kurzen handschriftlichen Diagnosebezeichnung versehen. Dies reiche als Nachweis nicht aus.

Nach § 10 Abs. 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin habe ein Arzt die erforderlichen Aufzeichnungen über die in Ausübung seines Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen zu machen. Inhalt und Umfang der ärztlichen Dokumentationspflicht ergäben sich unter anderem aus § 630 f Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –. Danach seien in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere Anamnesen, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen.

Trotz Aufforderung habe die Klägerin anonymisierte Unterlagen der geschilderten Art nicht eingereicht. Da sie die Feststellungslast für die Steuerfreiheit trage, gehe dies ihren Lasten.

Mit ihrer am 21.12.2015 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie führt aus, dass sie im Streitjahr im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit als ästhetisch-​plastische Chirurgin insgesamt 33 Patienten behandelt habe. Alle Behandlungen seien in dem vorgelegten Kontenblatt (Bl. 26 der Gerichtsakte) vermerkt. Die Liquidationen mit den Nrn. 3 bis 7 beträfen Tätigkeiten, bei denen sie Kollegen assistiert habe. Für 17 der 33 behandelten Patienten lege sie als Nachweis das Protokoll der Erstberatung und der Erstuntersuchung der Patientinnen und Patienten bei, in denen unter der Überschrift „Termininfo“ die Anamnese, der Befund, die Diagnose und das den Patientinnen und Patienten empfohlene Prozedere der Behandlung genannt seien. Darüber hinaus habe sie die jeweiligen Gesundheitsstörungen überblicksartig noch einmal zusammengefasst (siehe die tabellarische Aufstellung auf Bl. 21 und 22 der Gerichtsakte). Für mehr als die Hälfte der von ihr durchgeführten Behandlungen ergebe sich damit ein eindeutiger Bezug zu den jeweiligen Gesundheitsstörungen.

Auch die übrigen 16 Fälle ließen diesen Bezug erkennen. Davon beträfen 13 Fettabsaugungen oder die Straffung der Bauchdecke, einer eine Lippenrekonstruktion und zwei Brustvergrößerungen. Den ihr, der Klägerin, vorliegenden Patientenakten sei der weitere Verlauf der Behandlung, der Nachuntersuchung und der Erfolgskontrolle zu entnehmen. Bei Bedarf könne sie diese vorlegen. Alle Operationen hätten dem Schutz der menschlichen Gesundheit der Patientinnen und Patienten gedient. Dies gelte nach den ihr, der Klägerin, erteilten Auskünften auch für die fünf Fälle der Assistenz bei ärztlichen Kollegen. Die eingereichten Aufzeichnungen beträfen mehr als die Hälfte der behandelten Fälle und des erzielten Umsatzes und stellten einen repräsentativen Querschnitt dar.

Ferner verweise sie, die Klägerin, auf die ihr vorliegenden fotografischen Aufnahmen, die in 15 Fällen vor und in fünf Fällen nach der Operation angefertigt worden seien (Bl. 75 ff. GA), sowie auf die zusammenfassende Aufzeichnung der Erstbefunde, die damit verbundenen Gesundheitsstörungen, die durchgeführten Maßnahmen und das therapeutische Ziel dieser Maßnahmen (siehe Bl. 71 ff. der Gerichtsakte).

Die vom Beklagten angesprochene Frage der Honorarerstattung seitens der Krankenkassen der Patienten sei für die Umsatzsteuerbefreiung ohne Belang. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 31.03.2013 auch nicht verlangt, dass externe psychologische Gutachten vorgelegt werden müssten. Sie, die Klägerin, habe intensiven Kontakt mit jeder Patientin und jedem Patienten und könne aufgrund ihrer eigenen Sachkunde die physische und psychische Situation beurteilen.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für 2012 unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.12.2015 auf 0 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass die vorgelegten Aufzeichnungen zu lediglich 17 Behandlungen detaillierte Angaben zu der therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung nicht enthielten. Es seien unter anderem Operationen durchgeführt worden, weil die Patienten unzufrieden gewesen seien oder über Unwohlsein berichtet hätten. Es handele sich nicht um prüfbare Patientenakten. Die erforderliche Sachverhaltsaufklärung könne nur auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen durchgeführt werden. Auf deren Grundlage sei Beweis durch Sachverständigengutachten über die einzelnen Behandlungsfälle zu erheben. Eine Bindung an die Beurteilung durch die Klägerin oder des für sie tätigen Personals bestehe nicht.

Da die Klägerin weder externe psychologische Gutachten noch Kostenübernahmeerklärung von Krankenkassen vorlegen könne, trage sie ein erhöhtes Risiko, dass ein Sachverständiger im gerichtlichen Verfahren zu einem abweichenden Ergebnis gelange. Sie habe über ihre Leistungen jeweils mit Honorarvereinbarung abgerechnet. Diese enthielten zwar einen Hinweis auf die Gebührenordnung für Ärzte, jedoch keine konkreten Nummern des Gebührenverzeichnisses. Aufgrund dieser Honorarvereinbarungen erhalte ein Patient weder von einer gesetzlichen noch einer privaten Krankenkasse eine Erstattung für eine medizinisch indizierte Operation. Es stelle sich die Frage, warum ein krankenversicherter Patient auf die Erstattung der Kosten verzichten solle.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Gerichtsakte folgende Akten des Beklagten vorgelegen: ein Band „Berichte über Umsatzsteuer-​Sonderprüfungen“ (unblattiert) sowie ein Band „Umsatzsteuerakten“ (blattiert bis Bl. 46).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die von der Klägerin im Streitjahr ausgeführten ästhetisch-​plastischen Operationen nicht von der Umsatzsteuer befreit sind.

Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG in der hier maßgeblichen Fassung sind u.a. steuerfrei die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt durchgeführt werden. Diese Vorschrift ist – wie nach der Rechtsprechung des BFH (s. zuletzt Urteil vom 04.12.2014 – V R 33/12 –, BFH/NV 2015, 648) auch die Vorläufervorschrift des § 4 Nr. 14 UStG – entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen. Daher setzt die Steuerfreiheit voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und die dafür erforderliche Qualifikation besitzt). Da die Begriffe der "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i. S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG und der "ärztlichen Heilbehandlung" i. S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG gleichbedeutend sind (EuGH, Urteil vom 21.03.2013 – C-91/12 –, PFC Clinic, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2013, 335, Rz 24), ist bei der Auslegung des nationalen Rechts die zu diesen beiden Bestimmungen ergangene Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Da es aufgrund der Neuregelungen durch die Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) nicht zu inhaltlichen Änderungen gekommen ist, gilt dies auch für die zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der MwStSystRL ergangene Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 10.06.2010 – C-86/09 –, Future Health Technologies Ltd., UR 2010, 540, Rz 27). 

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen danach der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Hierzu gehören auch Leistungen zum Zweck der Vorbeugung und zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit. "Ärztliche Leistungen", "Maßnahmen" oder "medizinische Eingriffe" zu anderen Zwecken sind keine Heilbehandlungen.

Für den Bereich der sog. Schönheitsoperationen hat der EuGH seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass "ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen ... unter den Begriff 'ärztliche Heilbehandlungen' oder 'Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin' [fallen] ..., wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen" (EuGH, Urteil PFC Clinic a.a.O.). Die Leistungen müssen "dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist" (EuGH, Urteil PFC Clinic a.a.O., Rz. 29). Dabei können die gesundheitlichen Probleme, die zu einer steuerfreien Heilbehandlung führen, auch "psychologischer Art" sein (EuGH, Urteil PFC Clinic a.a.O., Rz. 33). Erfolgt "der Eingriff jedoch zu rein kosmetischen Zwecken", reicht dies nicht aus (EuGH-Urteil PFC Clinic a.a.O., Rz. 29). Im Übrigen ist die "rein subjektive Vorstellung, die die Person, die sich einem ästhetischen Eingriff unterzieht, von diesem Eingriff hat, ... als solche für die Beurteilung, ob der Eingriff einem therapeutischen Zweck dient, nicht maßgeblich". Von Bedeutung ist demgegenüber, dass die Leistungen, "von einer Person erbracht werden, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen ist, oder dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen Person bestimmt wird" (EuGH, Urteil PFC Clinic a.a.O., Leitsatz dritter Gedankenstrich). Denn die Beurteilung medizinischer Fragen "muss ... auf medizinischen Feststellungen beruhen, die von dem entsprechenden Fachpersonal getroffen worden sind" (EuGH, Urteil PFC Clinic a.a.O., Rz. 35).

Die nach dieser Rechtsprechung erforderliche Feststellung, welche Zwecke mit ärztlichen Leistungen verfolgt werden, ist in vielen Fällen, bei denen sich die Zielsetzung bereits aus der Leistung selbst ergibt, unproblematisch. Anders ist es im Bereich ästhetisch-​chirurgischer Maßnahmen, die sowohl Heilbehandlungszwecken als auch bloßen kosmetischen Zwecken dienen können. Im Bereich ästhetisch-​chirurgischer Maßnahmen kommt es daher auf eine Einzelprüfung an. Diese ist unter größtmöglicher Wahrung des zwischen Arzt und Patient bestehenden und auch durch § 84 Abs. 1 FGO i. V. m. § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c Abgabenordnung – AO – geschützten Vertrauensverhältnisses vorzunehmen. Daher ist die gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO von Amts wegen erforderliche Sachverhaltsaufklärung auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen durchzuführen. Der Schutz des Vertrauensverhältnisses erfordert zudem, das für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche, aber auch ausreichende Beweismaß gegenüber dem Regelbeweismaß zu reduzieren. Das Beweismaß kann sich dabei auf eine "größtmögliche Wahrscheinlichkeit" verringern (BFH, Urteile vom 23.03.2011 – X R 44/09 –, BStBl II 2011, 884, und vom 04.12.2014 – V R 16/12 a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen scheidet die Anerkennung einer Steuerfreiheit für die 16 von der Klägerin überhaupt nicht dokumentierten Behandlungen von vornherein aus.

Mit Blick auf die von ihr für die übrigen 17 Behandlungsfälle vorgelegten Unterlagen vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Heilbehandlung in dem oben beschriebenen Sinne vorlagen. Insbesondere fehlt es an nachprüfbaren detaillierten Angaben der mit der jeweiligen Behandlung verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung. Die von der Klägerin vorgelegte tabellarische Zusammenfassung genügt insoweit schon mangels Nachprüfbarkeit nicht den an den Nachweis stellenden Anforderungen. Dies gilt gleichermaßen für die von der Klägerin vorgelegten Honorarvereinbarungen, die lediglich mit einer handschriftlich angefügten Diagnosebezeichnung versehen sind, sowie die fotografischen Abbildungen der Patienten.

Für die vom Gericht zu treffende Beurteilung wäre vielmehr erforderlich gewesen, anonymisierte Patientenakten vorzulegen, in denen sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufgezeichnet und Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen dargestellt sind.

Da die Klägerin die Feststellungslast für die Steuerfreiheit trägt, geht es zu ihren Lasten, dass sie hinreichend aussagekräftige Unterlagen nicht vorgelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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