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Wegen Personalmangels geschlossen: Pflegeengpass in NRW-Hospitälern

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Krankenpflege
Die Pflegeassistentin im Evangelischen Krankenhaus, Sandra Radulj, steht in einem Krankenzimmer. © picture alliance / Oliver Berg/d

Münster - Von Banja Luka nach Bergisch Gladbach: Der Mangel an Pflegepersonal hat die gelernte Krankenschwester Sandra Radulj (28) aus Bosnien nach Nordrhein-Westfalen geführt. Seit dem 26. Juni 2017 arbeitet sie als Pflegeassistentin am Evangelischen Krankenhaus in Bergisch Gladbach bei Köln. Nach einem Anerkennungsjahr soll sie als Fachkraft anfangen können. «Am Anfang war es schwierig mit der Sprache, vor allem mit den medizinischen Fachbegriffen», sagt sie. «Aber die Kollegen und Patienten sind alle nett, das muss ich sagen.»

Radulj ist eine von zehn Pflegekräften aus Serbien und Bosnien, die das EVK 2017 eingestellt hat. «Es ist einfach so, dass wir offene Stellen in der Pflege seit ein paar Jahren nur sehr schwer besetzt bekommen», erklärt Bianca Blech vom EVK. Acht Monate nach Start des Programms sind alle zehn Fachkräfte noch da. «Aber es ist schon eine Herausforderung», sagt Blech. «Es ist deutlich aufwendiger, wie wenn jemand nach dem Vorstellungsgespräch nur eine Einarbeitung braucht.»

Radulj und das EVK haben über das Programm «Triple Win» der Arbeitsagentur und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammengefunden. Die GIZ wirbt im Ausland die Fachkräfte an - in Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Philippinen und Tunesien. Ausgesuchte Bewerber vermittelt die Gesellschaft dann an deutsche Krankenhäuser. 593 Personen sind so allein 2017 nach Deutschland gekommen. Das Ganze ist umstritten: Kritiker beklagen, dass in der Folge die Fachkräfte im Ausland fehlen.

Eine Station der Uni-Klinik Münster musste schließen

Programme wie «Triple Win» zeigen: Der Pflegemangel an deutschen Krankenhäusern ist groß. An der Uni-Klinik in Münster musste im Juli 2017 eine Station wegen fehlenden Personals schließen. Um die Qualität der pflegerischen Versorgung sicherzustellen, habe man die Station dichtmachen müssen, sagt Thomas van den Hooven, Pflegedirektor der Uniklinik. Am St. Marien-Krankenhaus in Siegen musste zwar keine Station schließen. Laut deren Sprecher habe man aber die Betten zeitweise reduzieren müssen, weil Pfleger fehlten.

Auch Prämienzahlungen sind kein Einzelfall mehr, um dem Pflegemangel entgegenzuwirken. In diesen Fällen zahlt der Arbeitgeber Pflegekräften eine Prämie, wenn sie andere Fachkräfte werben. An der Uniklinik in Münster sind es 3000 Euro, der Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf zahlt bis zu 1500 Euro.

Was die Krankenhäuser in ihrem Alltag feststellen, zeigen auch Zahlen der Arbeitsagentur. Sie führt den Beruf Gesundheits- und Krankenpfleger als «Engpassberuf». Allerdings gibt es deutliche Unterschiede nach dem Ausbildungsgrad: So kamen nach den aktuellsten Zahlen vom Dezember 2017 in NRW auf 1520 Krankenpflegehelfer 556 Stellenangebote. Umgekehrt ist es bei den ausgebildeten Fachkräften. Im Dezember 2017 gab es für 2553 offene Stellen 1223 Fachkräfte. Der Mangel an Pflegekräften ist laut Arbeitsagentur besonders stark ausgeprägt im Rheinland und Ruhrgebiet, im Münsterland ist er moderat. Bundesweit sei die Situation ähnlich wie in NRW, sagt ein Sprecher.

Hoher Arbeitsbelastung

Eine Ursache für den Pflegemangel in Krankenhäusern sei die hohe Arbeitsbelastung des Personals, sagt Pflegewissenschaftlerin Christel Bienstein von der Universität Witten-Herdecke. «Die Menge, die täglich gestemmt werden muss, ist einfach zu groß», erklärt Bienstein. Außerdem würden die Patienten immer älter und kränker. Die Ausbildungsplätze seien vielerorts zwar gut besetzt - viele stiegen dann aber bald aus der Pflege wieder aus, weil ihnen der Stress zu groß ist.

Der neue Koalitionsvertrag sieht für die Pflege im Krankenhausbereich einige Verbesserungen vor: Dazu gehört etwa, dass Tarifsteigerungen in Hospitälern vollständig finanziert werden sollen. Außerdem soll es künftig nicht nur in den pflegeintensiven Bereichen, sondern in allen bettenführenden Abteilungen Personaluntergrenzen geben. Weiter sollen die Pflegepersonalkosten besser und unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden. «Das alles kann sich durchaus sehen lassen», erklärt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).

Berufsverband äußert Zweifel

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest begrüßt die geplanten Verbesserungen, äußert aber auch Zweifel. «Es ist alles sehr unkonkret. Es werden weder Zeitpläne noch Zuständigkeiten benannt», kritisiert Stefan Schwark vom DBfK. Um den Pflegemangel zu beheben, müsse vor allem die Arbeitsbelastung in der Pflege reduziert werden und die Arbeitgeber müssten Familien stärker entgegenkommen müssen. Längst nicht jeder könne etwa auf einen Kita-Platz zurückgreifen, der schichtarbeitstauglich ist. Für Pflegende mit Kindern sei das ein großes Problem.

Schwark kritisierte auch die NRW-Landesregierung. Die Pflege sei im Koalitionsvertrag der neuen NRW-Regierung nicht ausreichend berücksichtigt. «Wegen des Landärztemangels wird an der Universität Bielefeld eine medizinische Fakultät vereinbart, die einen Schwerpunkt auf Allgemeinmedizin haben soll», stellt er fest. Für die Pflege werde nichts Vergleichbares getan, kritisiert er.

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