In Berlin streiten Politiker darum, wie sich der Pflegenotstand aufhalten lasse. In Radolfzell ist er längst Alltag geworden. Aktuell fehlen im Krankenhaus Radolfzell so viele Pflegekräfte, dass eine komplette Station schließen muss. Wie viele Betten konkret unbelegt bleiben, konnte Andrea Jagode, Sprecherin des Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz nicht sagen. Es handle sich um die Station R 22 der Abteilung Innere Medizin. "Im Jahresdurchschnitt sind in Radolfzell zehn Stellen unbesetzt", erklärt Andrea Jagode. Kämen dann Ausfälle durch Krankheit oder Mutterschutz hinzu, könne die Personaldecke schon mal ganz dünn werden. Auch im Klinikum Konstanz habe man zuletzt insgesamt 24 Betten aus Personalmangel sperren müssen.

Die Station sei zur Entlastung des Personals geschlossen worden. Je weniger Betten belegt werden, umso mehr Zeit hätten die Mitarbeiter für die übrigen Patienten. Diese Maßnahme sei nur vorübergehend, bis sich die Lage etwas entspannt habe, erklärt Andrea Jagode. Sie betont allerdings, dass es für die Patienten keine Nachteile habe. Das Krankenhaus Radolfzell sei ohnehin nicht zu 100 Prozent belegt, vereinzelt seien auf anderen Stationen noch Betten frei. Kein Patient müsse aus diesem Grund abgewiesen werden. "So lange noch andere Betten frei sind, werden wir diese Station auch nicht wieder öffnen", sagt Andrea Jagode.

Schwierige Suche nach Pflegekräften

Für den Gesundheitsverbund sei es enorm schwierig, ausgebildete Pflegekräfte anwerben zu können. Viele würden in die benachbarte Schweiz gehen, erklärt Andrea Jagode. Mit der eigenen Bildungsakademie versucht der Gesundheitsverbund neue Pflegekräfte selbst auszubilden. Auch werbe man Fachkräfte aus dem Ausland, zum Beispiel aus Italien, an. "Wir versuchen auf vielen wegen, Pflegepersonal zu bekommen, aber es reicht doch nicht", sagt sie. Die ersten ausländischen Pflegekräfte arbeiten bereits in den Krankenhäusern des Verbundes. Auch in diesem Jahr werde wieder ein Trainee-Programm für Pflegekräfte aus Italien stattfinden.

Oberbürgermeister Martin Staab bedauert die Schließung der Station. „Diese Entwicklung betrifft leider alle drei Klinikstandorte des Gesundheitsverbundes im Landkreis und ist symptomatisch für unser derzeitiges Gesundheitssystem", lässt Staab auf Nachfrage mitteilen. Die Geschäftsführung des Verbundes habe den Auftrag, die Lücken nachhaltig zu schließen, so Staab. Und diese Aufgabe sei bereits angegangen worden. Eine schnelle Lösung des Problems werde es allerdings nicht geben, da ist sich auch Andrea Jagode sicher. "Die Maßnahmen der Politik greifen nicht von heute auf morgen", sagt sie. Der Gesundheitsverbund fordere eine definierte Personalquote im Pflegebereich, die sich an den heutigen Erfordernissen orientiere und von der Politik zusätzlich finanziert werde.

 

Mehr als Gehalt

Das Gehalt für Beschäftigte im Pflegebereich ist die eine Komponente. Eine andere Frage ist jene nach Wohnraum. Und der kann knapp und teuer sein. Der Gesundheitsverbund will Mitarbeiter bei der Suche nach bezahlbaren Wohnraum unterstützen. Zudem soll das Angebot von unbefristeten Arbeitsverträgen, von Weiter- und Fortbildungs- und Lernprogrammen einen Einstieg attraktiver machen. (phz)