Krankenhäuser-Schließungen: Die alte Rot-Grün-Politik wird von der neuen GroKo fortgesetzt

Charité - Campus Mitte, Berlin. 2016_Charite_Hospital.jpg:Bild: INTERRAILS/CC BY-SA-4.0

Krankenhaus-"DRG" noch schlimmer als Arbeitsmarkt-"Hartz IV"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Krankenhäuser in Deutschland behandeln derzeit ca. 20 Millionen Patienten und Patientinnen ambulant und ca. 19 Millionen Patienten und Patientinnen stationär - macht rund 40 Millionen Fälle im Jahr. Das ist ein Vielfaches der Zahl der Insassen des Hartz IV-Ghetto mit seinen reichlich 6 Millionen Leistungsempfängern jährlich. Die Folgen des von Rot-Grün installierten "Hartz IV"-Schikanesystems (Wikipedia) bspw. für Alleinerziehende muss man nicht mehr erläutern. Die Folgen des ebenfalls von Rot-Grün dekretierten Krankenhausfinanzierungssystems "DRG" beginnen die Leute erst allmählich, allerdings beschleunigt zu bemerken.

Die Verordnung von Konkurrenz, Ökonomisierung, Profit und Defizit in der Krankenhausfinanzierung durch ein Pauschalpreissystem ("DRG")zeigt sich in der Schließung von Geburtshilfeabteilungen, Kinderstationen, ganzen Krankenhäusern, in absinkender Pflegequalität, Vernachlässigung der Geriatriefälle, Hygieneskandalen, überlasteten Notaufnahmen etc.

Dieses "Erbe" der Schröder-Fischer-Episode des Berliner Regimes hat die verflossene GroKo noch brutalisiert. Mit ihrem "Krankenhausstrukturgesetz" (KHSG) hat sie den Startschuss für die nächste Runde in der Kapitalisierung der Krankenhausversorgung abgefeuert: Nach der Initiierung gnadenloser Konkurrenz vor allem zwischen Konzernkrankenhäusern einerseits und Kommunalkrankenhäusern andererseits sollen nun die Konzentration und Zentralisierung des Krankenhausanlagekapitals erfolgen. Angestrebt wird eine drastische Reduzierung der wohnortnahen Krankenhäuser und ein Ausbau überregionaler "Schwerpunktkliniken". Beitragszahler und Steuerzahler sollen hierfür laut aktuellem Koalitionsvertrag in den nächsten vier Jahren 4 Mrd. Euro an Schließungsprämien aufbringen.

Welche Opposition?

Alle Verschlechterungen der Gesundheitsversorgung, insbesondere der Krankenhausversorgung in Deutschland seit der Schmidt-Genscher-Regierung Ende der 1970er Jahre, also die berüchtigten "Gesundheitsreformen", wurden und werden von willigen, weil bezahlten "Experten" und "Expertinnen", die sich gerne als "Gesundheitsökonomen" bezeichnen, vorbereitet, begleitet und gerechtfertigt.

Wenn man die derzeit aktuelle Frage stellt, weshalb der politische Linkssektor mittlerweile jegliche Bedeutung verloren hat, findet man die Antwort gerade auch im Gesundheitsbereich. Dort wächst die Beeinträchtigung von allein 40 Millionen Krankenhauspatientinnen und Krankenhauspatienten - von den Arztpraxisfällen, den Apothekenkundinnen und Apothekenkunden, den Pflegebedürftigen gar nicht zu reden.

Der Linkssektor hatte hier seit Jahrzehnten nur wenig und eher belangloses zu bieten und den neoliberal-autoritären "Expertinnen" und "Experten" das Feld überlassen. Die Hauptanliegen von Selbsthilfegruppen, Alternativärzten und Medizinsoziologen waren lediglich eine "Andere Medizin", die "Zweiklassenmedizin" und die "Sozialkürzungen" als Bla-Bla-Diskurse. Von der fundamentalen Transformation des deutschen Sozialstaates, seiner Krankenversicherung und seiner Gesundheitsversorgung von einer Korrekturveranstaltung zum Industriekapitalismus der "Deutschland AG" in ein Funktionselement des Exportextremismus und Finanzkapitalismus des "Geschäftsmodells Deutschland" hatte und hat diese "linke" Gesundheitsopposition einschließlich der zuständigen Gewerkschaft ver.di keinen blassen Schimmer.

Gleiches gilt für die Umwandlung der vormals mehrheitlich regionalen autonomen Krankenkassen in bundes- oder landesweite Finanzkonzerne. Auch die systematische Ersetzung von immer weiter gesenkten Hocheinkommens-, Gewinn- und Vermögenssteuern durch die Krankenkassenbeiträge der Abhängigbeschäftigten als heimliche Quelle der Staatsfinanzierung ist für diese Opposition kein Thema.

Wie zu erwarten, gibt es auch keinerlei Wissen über die fatalen Wirkungen des im Windschatten der Finanz-, Real- und Budgetkrise von der damaligen GroKo durchgedrückten zentralen "Gesundheitsfonds", der die strukturell schwächeren Regionen zugunsten der strukturell stärkeren Regionen sozialfinanziell belastet. Nur so lange die schwächeren Regionen wenigstens eine einigermaßen durchschnittliche Krankernhausausstattung behalten, bekommen sie einen nicht nur kümmerlichen Teil der von ihnen an den zentralen Gesundheitsfonds abgeführten Beitragszahlungen als Leistungsausgaben wieder zurück.

Solche Aspekte überfordern aber die Denkmodelle der linksreformistischen "Gesundheitsopposition" bei weitem. Ihr genügen Illusionen zu einer Kapitalismus- und Sozialstaatsverschönerung durch weniger Kommerz und mehr Humanität. Die gute Gesundheitsversorgung von "Geflüchteten" spielt dabei selbstverständlich eine zentrale Rolle. Sie erspart intensives Nachdenken durch forcierte Gesinnung.

Immerhin hat sich in den zurück liegenden Jahren ein "Bündnis Gesundheit gebildet. Mitglieder kommen aus dem Alternativmedizinerbereich, dem attac-Kreis und der Gewerkschaft ver.di. Im Mittelpunkt der Aktivitäten dieses Bündnisses steht die Krankenhauskrise in Deutschland. Dies ist sachgerecht.

Blamierte Krankenhaus-Weltverbesserer

Den Ton im Bündnis gibt der noch aus den 1970er und 1980er Jahren stammende traditionslinke "Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte" (VDÄÄ) (Wikipedia)an. Kohärente kritische Empirie oder solide fundamentale Analyse sucht man in den Programmen und Publikationen dieses Vereines und ebenso des Bündnisses auch nach Jahrzehnten vergebens. Vorherrschend ist ethisch-moralischer Kapitalismus- und Sozialstaatsprotest a là "Gesundheit ist keine Ware" bzw. "Krankenhaus statt Fabrik".

Die Forderungen des "Bündnis Gesundheit" konzentrieren sich seit zwei Jahren auf eine Abschaffung des "DRG"-Preissystems, das als Hauptursache für die "Ökonomisierung" der Krankenhausversorgung betrachtet wird. Wozu es aber führt, wenn man sich bei der Kritik an der Kapitalisierung der Gesundheitsversorgung nur mit den Symptomen beschäftigt, zeigt genau diese Kampagne gegen das "DRG"-Preissystem.

Seit ein paar Wochen sieht sich nämlich die dauerempörte Gesundheitsopposition von den GroKo-Verhandlern programmatisch links überholt. Laut Koalitionsvertrag sollen die Krankenhauspersonalkosten, immerhin um die 60 Prozent der Krankenhausgesamtkosten und damit Quelle für enorme Profite aus dem Krankenhausbusiness, von den unauskömmlichen "DRG"-Pauschalentgelten abgesondert und separat refinanziert werden.

Vermutlich verstehen die Gesundheitskritiker jetzt die politisch-ökonomische Krankenhauswelt gar nicht mehr, die sie allerdings bisher auch nicht wirklich untersucht haben. Dass mit diesen GroKo-Plänen vor allem eine Neuverteilung der Wertschöpfung und Profitabschöpfung zwischen den konkurrierenden Gruppen der Krankenhauswirtschaft bewirkt wird, geht an den von Merkel, Schulz und Co. blamierten Krankenhausweltverbesserern total vorbei. Wenn auch nicht ausdrücklich, so doch tatsächlich haben die GroKo-Verhandler das "DRG"-System demontiert. Was also gibt es noch zu kritisieren, wenn man den Krankenhauskapitalismus nicht fundamentaler analysieren will?

Nützliche Idiotinnen und Idioten?

Die Amateurprogrammatik des "Bündnisses" reduziert sich dementsprechend jetzt auf die bestenfalls unbedachte Übernahme der Argumente des Privatisierungs-, Profit- und Sparkartells aus Kassenkonzernen, Klinikketten, Alibiexperten, Gesundheitsbürokraten und Parlamentsfiguren, Finanzpolitikern und nicht zu vergessen Gebührensendern und Wahrheitspresse. Dieses Kartell übt seit geraumer Zeit wachsenden Druck aus, nach der Kommerzialisierung und Privatisierung der Krankenhausversorgung via "DRG"-System nun eine finale Zentralisierung und Konzentration des Krankenhausanlagenkapitals in Gestalt der schon von der verflossenen GroKo eingeleiteten "Qualitätsoffensive" zu realisieren. Im Koalitionsvertrag ist die Fortsetzung dieser Qualitätsoffensive, sprich: Zentralisierungspolitik dementsprechend vereinbart.

Ganz auf dieser Linie übertönt die Gesundheitsopposition derzeit ihre nicht falsche Feststellung, das "DRG"-Preissystem sei eine Ursache für die Ökonomisierung von Denken und Handeln in der Krankenhausversorgung, durch eine bloße Skandalisierung der deutlichen Zunahme ökonomisch einträglicher, medizinisch aber überflüssiger und qualitativ bedenklicher Prozeduren und Operationen in "den" Krankenhäusern. Mit dieser verkürzten Darstellung macht sich der Linkssektor auch in der Krankenhauspolitik, ebenso wie in der Gesellschaftspolitik und bevorzugt in der Einwanderungspolitik zum kostenlosen und gesinnungsgeleiteten Handlanger neoliberaler Konzepte und Strategien.

Vor lauter ethisch-moralischer Erregung und trotz warnender Hinweise entgeht den Krankenhausweltverbesserern, dass ihr krankenhauskapitalistischer Verbündeter, das Zentralisierungskartell, genau den gleichen Ansatzpunkt wie sie selbst für seine schon vor zwei Jahren eingeleitete Kampagne zur Massenschließung von Krankenhäusern benutzt: Zu viele Operationen und Prozeduren in dafür zu kleinen Krankenhäusern und damit steigende Risiken für die Qualität der Krankenhausbehandlung.

Auch wenn die wohlmeinende Gesundheitsopposition noch immer die Ökonomisierung der Krankenhäuser via "DRG"-Preissystem als Ursache der kritisierten Mengen-, d.h. Umsatzsteigerung benennt - spätestens mit der politischen Liquidierung des "DRG"-Preissystems durch den Koalitionsvertrag interessiert diese Argumentation der "Linken" niemanden mehr. Was wirkmächtig bleibt, ist dagegen die infame Verdrehung der Wirklichkeit durch das Zentralisierungskartell, das nicht das Preissystem in der Krankenhausversorgung, sondern die Standorteanzahl in der Krankenhauslandschaft zur Ursache von Qualitätsrisiken durch Mengen- und Umsatzsteigerung erklärt: Es gäbe zu viele wohnortnahe Krankenhäuser, die ihre Existenz durch Darauflosbehandeln sichern würden.

Als Zielmarke skizzieren diverse bezahlte "Expertinnen" und "Experten" eine Schließung von 1600 der 1900 Allgemeinkrankenhäuser in Deutschland und die Abbehandlung der gegenwärtig etwa 40 Millionen ambulanten und stationären Fälle in 300 spezialisierten "Schwerpunktkliniken" - wusste die "Süddeutsche Zeitung schon im Herbst 2016 zu berichten. Bei einem gegenwärtigen Umsatzvolumen von rund 95 Mrd. Euro mit 1,2 Millionen Beschäftigten in der Krankenhauswirtschaft und vor allem einem Personalkostenanteil von enormen 60 Prozent kann man sich vorstellen, welch eine immense Mehrwertschöpfung und Profitmasse nach einer Beseitigung der häufig kommunalen wohnortnahen Krankenhäuser in den angestrebten kommerziellen Klinikzentren produziert werden könnten.

Nun wird klar, warum die GroKo-Parteien plötzlich keine Probleme mehr mit der Liquidierung oder zumindest Modifizierung des "DRG"-Systems haben: Dieses System hat über ein Jahrzehzehnt seine Schuldigkeit getan und Hunderte von Krankenhäusern und Krankenhausabteilungen in die Schließung getrieben. Der Rest kann jetzt im direkten Angriff über die ebenfalls vereinbarte Qualitätsoffensive und den 4 Mrd. "Strukturfonds" erledigt werden.

Nebenbei wird damit der Sozialstaat in Gestalt seiner Krankenhauswirtschaft zu einem Instrument, um den europaweit und international immer dysfunktionaleren Exportextremismus des Geschäftsmodell Deutschland zu moderieren. Höchstprofite der Exportkonzerne werden durch Maximalprofite der Klinikkonzerne ersetzt. Auch bei mehrfachem Durchblättern diverser Materialien des "Bündnisses Gesundheit" ist von einer Erahnung oder gar Erarbeitung solcher macht- und kapitalpolitischen Zusammenhänge nichts zu finden.

… oder üble Denunziantinnen und Denunzianten?

Ohne Zweifel sitzt die linke Gesundheitsopposition dank der für das Merkel-Regime typischen Täuschungsstrategie in einer Kommunikationsfalle aus Gesinnungsargumenten ("Qualitätssicherung") und Scheinverbesserungen ("DRG"-Moderierung).

Die beiden Anführer(innen) des "Bündnis Gesundheit", ein Dr. Peter Hoffmann und eine Dr. Nadja Rakowitz, beide Vorstände des Traditionsvereines VDÄÄ, beschreiten seit Ende vergangenen Jahres einen Ausweg aus dieser Kommunikationsfalle, der fatal ist. Sie haben sich dafür hergegeben, dem Gebührensender SWR bei der Beschaffung von "Whistleblowern" behilflich zu sein. Diese "Whistleblower" sollen als Zeugen für eine "ökonomisch begründete Überversorgung" in ihren Krankenhäusern auftreten. Den Denunziantinnen und Denunzianten wird "jede gewünschte Form der Anonymisierung" seitens des Kontaktmannes, eines von Hoffmann als "seriöser SWR-Journalist" klassifizierten Dr. Frank Wittig zugesagt.

Welche Ansichten dieser SWR-Redakteur in Krankenhausdingen vertritt und welche Absichten er offenbar bei seiner Denunziationskampagne verfolgt, beschreibt er in einer Stellungnahme gegenüber Prof. Goeschel u.a. wörtlich so:

… ist es nicht so, dass wir z.B. im Vergleich zu skandinavischen Ländern doppelt bis dreimal so viele Krankenhausbetten je Einwohner haben? Sollte nicht das DRG-System das erledigen, wozu Politiker zu feige sind: Krankenhäuser schließen, die nicht "rentabel" sind. Leider ging der Schuss nach hinten los, weil die kleinen Häuser zwanghaft ihre Fallzahlen hochtreiben, um in die Gewinnzone zu gelangen. Ist nicht die Versorgung in großen Häusern besser, weil mehr Routine vorhanden. Wäre nicht das, was Sie als Krankenhausputsch bezeichnen ein rationaler Weg (wie er soweit ich höre, gerade in Dänemark erfolgreich vollzogen wurde)?

Dr. Frank Wittig

Dr. Wittig führt mit dieser Stellungnahme vor, was "seriöser Journalismus" in Krankenhausfragen bei den Gebührensendern ist: Die papageienhafte Wiederholung der Verdrehungen und des Unbewiesenen nebst des bodenlosen Meinungswissens aus dem "Expertenmilieu" und seitens der Propagandainstitute und -abteilungen der Kassenkonzerne.

Besonders peinlich: Der "internationale Vergleich". Erfahrene Gesundheitswissenschaftler, die "schon länger auf diesem Gebiet arbeiten", können sich noch an die 1960er und 1970er Jahre erinnern, als die damaligen wertkonservativen und ordoliberalen Regime-Professoren gegen Reformforderungen als "Anspruchsdenken" gewettert haben und dabei gerne auch den "internationalen Vergleich" bemüht haben. Damals waren das Vergleichsideal die USA. Die haben allerdings traditionell einen deutlich höheren Anteil kleiner Krankenhäuser als etwa Deutschland und scheiden damit für diesmal aus.

Der "seriöse Journalist" des SWR ist freilich nicht allein: Ebenso verlautbarungsgläubig wie Frank Wittig schreibt eine Ulrike Henning im Linksblättchen "Junge Welt" das gleiche gesinnungsfeuchte Meinungswissen wie Dr. Wittig in die Welt. Diese Art von Journalismus würde wohl ohne Mühe auch die organisierte Dieselkriminalität auf ein "Zuviel" an Betriebsstätten und Arbeitsplätzen in der Automobilbranche zurückführen, wenn ihnen das von den Autokonzernen erzählt wird. Eben darum geht es nämlich bei der Qualitäts- und Zentralisierungskampagne: Die Erhöhung des Pflegekräfteangebotes je Großkrankenhaus durch Massenschließung von wohnortnahen Klein- und Mittelrankenhäusern: Pflegekräftemangel erledigt. Pflegeunterbezahlung weiter möglich, Gewinnmaximierung gesichert.

Zerstörung der Geburtshilfe

Die von Prof. Gertrud Höhler meisterlich sezierte stets doppeldeutige Fake-Kommunikation von Angela Merkel kennzeichnet auch den vorliegenden Koalitionsvertrag. In diesem Text wird einerseits, wozu im Übrigen die Gesundheitsopposition bis heute nicht fähig war, eine "flächendeckende Gesundheitsversorgung" als Kernelement "gleichwertiger Lebensverhältnisse" im urbanen und ländlichen Raum und einer Verringerung der "Ungleichheit zwischen Städten und Regionen" bezeichnet und versprochen. Diese Vorstellung und Verheißung soll sich im Vorhandensein einer "gut erreichbaren Grund- und Regelversorgung" des Krankenhausbereiches realisieren.

Im gleichen Text werden andererseits für die seit mehreren Jahren bereits laufende "Qualitätsoffensive" zur Massenschließung wohnortnaher Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung weitere 4 Milliarden Euro von den Krankenversicherten und von den Steuerzahlern gefordert.

Das Parteipersonal der bisherigen und der beabsichtigten GroKo stellt in seinem Vertrag vor allem eine "wohnortnahe Geburtshilfe" in den Mittelpunkt der zitierten Bekenntnisse und Versprechen. Genau an diesem kann dann die GroKo-Bürgertäuschung auch dingfest gemacht werden. Das seit über einem Jahrzehnt insbesondere von GroKo-Regierungen forcierte "DRG"-System hat in diesem Zeitraum die wohnortnahe Geburtshilfe bereits weitreichend zerstört. Das Parteipersonal kann also eine wohnortnahe Geburtshilfe versprechen, ohne jede Befürchtung , dass diese tatsächlich jemals wiederkommt.

Gesundheitsmedien wie beispielsweise das "aerzteblatt" haben schon vor einem Jahr berichtet, dass insbesondere wohl nach der "DRG"-Einführung Hunderte von Geburtshilfeabteilungen in Deutschland geschlossen worden sind. Das Ergebnis ist eine Krankenhauslandschaft, in der im Süden, Osten und Norden Deutschlands regelrechte Geburtshilfewüsten entstanden sind.

Geburtshilfe-Bettendichte in den Regionen Deutschlands. Amtlich gemeldete Geburtshilfe-Betten.

Eine von der Qualitätspropaganda der Kassenkonzerne gerne vorgebrachte Erklärung für den Ausstieg so vieler Krankenhäuser ist der Geburtenrückgang (Qualitätsmonitor 2018). Dieses Argument ist fraglos so unseriös, wie die angeblich "wissenschaftlichen" Qualitätsuntersuchungen aus dem Kassenbereich tendenziös sind. Unabhängig davon, dass die Geburtenhäufigkeit zunimmt, sind gerade in denjenigen Regionen die Geburtenraten besonders hoch, für die mittlerweile die dürftigste Ausstattung mit Geburtshilfebetten gilt (Nationalatlas).

Es werden also vor allem doch die unauskömmlichen "DRG"-Pauschalen für normale Geburten sein, die Geburtshilfeabteilungen für wohnortnahe Krankenhäuser zu einem Verlustbringer machen. Für eine normale Vaginalgeburt erlösen Krankenhäuser zwischen 1600,- und 2100,- Euro. Für eine komplizierte Kaiserschnittgeburt erlösen Krankenhäuser hingegen 2500,- bis 5400,- Euro (Hebammen für Deutschland). Die von den Kassenkonzernen via "DRG"-Preissystem provozierte Neigung zu Kaiserschnitt-Geburten zeigt sich in den deutlich höheren Häufigkeiten dieser Geburtsvariante in Deutschland als in anderen Industrieländern.

Die auch aus anderen Konstellationen berüchtigte Infamie der "sozialen" Krankenversicherung zeigt sich in Sachen Geburtshilfe darin, dass die von den Kassenkonzernen mit jahrelanger regelrechter Antikrankenhaushetze und "DRG"-Durchsetzung selbst erzeugte Kaiserschnitt-Tendenz nun den Krankenhäusern als Qualitäts-Defizit und Patientinnen-Risiko vorgehalten wird.

Die Kassen-"Experten" fordern auf der Grundlage ihrer Auswertungen ziemlich unverblümt eine Eliminierung der kleineren Geburtshilfeabteilungen. Da es solche aber nur in den Flächenländern, nicht aber in den Stadtstaaten und dementsprechend wohl auch nicht in den Ballungsraumkernstädten gibt, richtet sich diese Anti-Geburtshilfe-Offensive der Kassenkonzerne gegen die Ländlichen Räume mit ihrer erhöhten Geburtenhäufigkeit. Dazu passt die Verweigerung der gesetzlich vorgesehenen Sicherstellungszuschläge für Geburtshilfe durch den von den Kassenkonzernen dominierten so genannten "Gemeinsamen Bundesausschuss" (G-BA).

Wie es um die wissenschaftliche Seriosität der von den Kassenkonzernen bezahlten "Qualitäts-Experten" bestellt ist, zeigt sich darin, dass sie den wohnortnahen, d.h. kleineren Krankenhäusern tendenziös-einseitig Qualitätsdefizite in der Geburtshilfe unterstellen, wiewohl nur die Hälfte der Bundesländer mit kleinen Geburtshilfeabteilungen dort höhere Kaiserschnittraten aufweisen als die dortigen größeren Geburtshilfeabteilungen.

Umgekehrt haben in einigen Bundesländern die kleineren Geburtshilfeabteilungen niedrigere Kaiserschnittraten als die größeren Geburtshilfeabteilungen (Qualitätsmonitor 2018). Dies hindert die "Wissenschaftler" des Kassensektors aber nicht daran, sich auch noch als eine Art Denunzianten und Proskriptoren für ächtenswerte Geburtshilfeabteilungen zu betätigen. Sie schieben dabei das Informationsrecht der Schwangeren als Alibi vor. Wenn umgekehrt der Picker Report 2017 vermeldet, dass sich bei einer Großumfrage die Mehrzahl der frischen Mütter in den kleineren Geburtskliniken besser betreut gefühlt hat, dann ist dies für die Kassenpropagandisten noch lange kein Datum.

Anmerkung: Zum Beitrag gab es zahlreiche sachbezogene und ergänzende Kommentare. Ein Kommentar zog die Gültigkeit der von uns erstellten und bislang exklusiv in TELEPOLIS veröffentlichten Kartographie "Geburtshilfe-Bettendichte in den Re-gionen Deutschlands" in Zweifel. Für die Räume Aschaffenburg, Hof und Landshut seien keine Geburtshilfe-Betten abgebildet, wiewohl in dortigen Krankenhäusern sehr wohl Geburtshilfebetten angeboten würden. Ein weiterer Kommentar machte auf den gleichen Sachverhalt im Saarland aufmerksam.

Wir haben die angeführten Fälle am 3.3.2018 überprüft. Die von den Lesern genannten Krankenhäuser haben an das Statistische Bundesamt für die Erstellung des amtlichen Krankenhausverzeichnisses (Stand 2016) keine Krankenhausbetten für das eigenständige Fachgebiet Geburtshilfe gemeldet. Die Krankenhäuser haben stattdessen nur Krankenhausbetten für da verbundene Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe gemeldet.

Uns war dieses Problem einzelner undifferenzierter Meldungen bereits bei der Konzipierung des Auswertungsprogrammes der Daten des Statistischen Bundesamtes aufgefallen. Wir hatten daher entschieden, nur die Zahlenangaben zu den definitiv als Krankenhausbetten des Fachgebietes "Geburtshilfe" gemeldeten Betten darzustellen.

Wenn einzelne Krankenhäuser gegenüber der Öffentlichkeit und den Benutzerinnen Betten und Stationen als "Geburtshilfe" darstellen, diese aber bei der amtlichen Erhebung nicht ausweisen, beeinträchtigt dies sicherlich das Gesamtergebnis einer Regionalauswertung. Da aber der Großteil der über 1900 Akutkrankenhäuser differenzierte Angaben gemacht hat, kann man die ermittelten regionalen Unterschiede als gültig betrachten – zumal etwas anderes gar nicht übrig bleibt.

Präzisere Ergebnisse wären nur durch kostspielige Befragungen sämtlicher Krankenhäuser mit Betten der Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu erzielen. Dabei wäre immer noch nicht sicher gestellt, dass Krankenhäuser unpräzise Angaben nicht wiederholen.

Unsere Entscheidung, nur definitiv als Krankenhausbetten des Fachgebietes "Geburtshilfe" gemeldete Betten darzustellen muss letztlich vor dem Hintergrund nachvollzogen werden, dass eine Vermengung von Fachbetten auch für todkranke Greisinnen (Frauenheilkunde) und frische Mütter (Geburtshilfe) vielleicht die Krankenhauspolitik entlastet, nicht aber den Patientinnen dient.

Im Übrigen haben wir vor einem Jahrzehnt in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und deren Leiter, Dr. Rudolf Martens, die Dichte der Kinderheilkundebetten in Deutschland als Kartographie dargestellt. Auch auf diesem Fachgebiet zeigt Bayern leider besonders ungünstige Verhältnisse.

Regionalanalysen gegen Qualitätspropaganda

Wegen der anhaltenden Schließungen von Geburtshilfeabteilungen und ganzen Krankenhäusern vor Ort haben sich in vielen Gegenden Deutschlands Bürgergemeinschaften zur Verteidigung ihrer Versorgungseinrichtungen gebildet. Derzeit kämpfen die aber auf ziemlich verlorenem Posten, da es gegen die mit emotionalisierten Thesen ("Komplikationsrisiken") und designten Fakten ("Operationsmindestzahlen") geführte Qualitätspropaganda noch kein Gegennarrativ gibt.

Im Hintergrund zieht seit etlichen Jahren die SPD-Führungsebene, die eng mit den Kassenkonzernen und der Gesundheitsbürokratie vernetzt ist, die Fäden bei dieser Qualitätskampagne. Die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung hat schon 2013 das Konzept für eine Massenschließung von wohnortnahen Krankenhäusern entwickelt. Die guten Beziehungen des SPD-Establishments zu den Massenmedien bewirkt ein Übriges.

Natürlich können Fachleute die von den Kassenkonzernen bezahlten "Expertinnen" und "Experten" ohne große Mühe als zumindest fahrlässige, wohl aber eher vorsätzliche Dilettantinnen und Dilettanten enttarnen. Fachleute können rasch nachweisen, dass es bei den Kassenkonzernen nicht um Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten, sondern um Ausgabensenkung und Überschusssteigerung der Kassenbudgets geht. Es waren die Kassenverbände, allen voran die AOK, die schon Ende der 1970er Jahre ein gesundheitspolitisches Bündnis mit den Kassenarztvereinigungen geschlossen haben, das unter der Bezeichnung "Bayern-Vertrag" die Lasten der damaligen SPD/FDP-Kostendämpfungspolitik auf die Krankenhäuser abwälzen sollte.

Selbst eine Qualitätsoffensive, die vorrangig nur auf Einsparungen und Überschüsse aus der Schließung von Krankenhausstandorten oder Geburtshilfeabteilungen abzielt, müsste, wenn sie tatsächlich seriös und professionell angelegt ist, eine Gegenrechnung darüber aufstellen, welche Mehrkosten sie selbst verursacht.

Bei einer Massenschließung wohnortnaher Krankenhausstandorte oder Geburtshilfeabteilungen und deren Zentralisierung in Ballungsräumen wird es zu erheblichen Personalkostensteigerungen kommen, da das Gehaltsniveau in der Krankenpflege dort deutlich höher liegt als in Umlandzonen oder Landgebieten. Auch wird sich der Personalmangel wegen der schwierigen Wohnungsmarktlage in den Ballungsräumen nochmals verschärfen. Vielleicht ist das sogar der hinterhältige Beweggrund, im Koalitionsvertrag nun die Krankenhauspersonalkosten aus den "DRG"-Pauschalen herauszulösen und voll zu refinanzieren. Immerhin fehlen bis 2025 etwa 112000 Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege (Statistisches Bundesamt).

Solche Zusammenhänge und Feinheiten helfen aber den Leuten, die in den Kreisen und Städten um ihre Krankenhäuser oder Geburtshilfeabteilungen kämpfen wenig. Sie brauchen ein Konzept, das ihre Kommunalverwaltungen aus eigener Kompetenz unabhängig vom interessendurchseuchten Gesundheitsdiskurs entwickeln, vertreten und durchsetzen können.

Krankenhausdirektoren und Kommunalplaner, die in den 1980er und 1990er Jahren aktiv waren, könnten sich daran erinnern, dass ein derartiges Konzept damals schon entwickelt und in hunderten von Krankenhausgutachten umgesetzt worden ist. Es handelte sich um das Konzept "Eigene Regionalanalysen der Krankenhäuser" (Studiengruppe für Sozialforschung e.V.) Hierbei wurden zunächst die Risiko-, Morbiditäts- und Mortalitätsprofile der Bevölkerungen in den Standortregionen untersucht und daraus dann der Bedarf an ambulanter und stationärer Versorgung und insbesondere der Beitrag der untersuchten Krankenhäuser hierzu abgeleitet. Die hierfür nötigen Daten gibt es seit Jahrzehnten bei den Statistikämtern und Forschungseinrichtungen des Bundes und der Länder etc. Die Stadt- und Entwicklungsplaner der Kreise und Städte können selbständig und ohne Mitwirkung und Einmischung der Kassenverbände oder gar des "Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen" den Krankenhausbedarf ihrer Einwohnerschaften ermitteln und vorstellen.

Zunächst ist es aber notwendig, das von den "Expertinnen" und "Experten" der Kassenkonzerne zurechtgezimmerte Drohszenario der Komplikations- und Qualitätsrisiken bei Behandlung in wohnortnahen Krankenhäusern auf ein Normalmass zu bringen. Hierzu ist es zunächst erforderlich, die häufigsten Anlässe für Krankenhausbehandlung danach zu unterscheiden, ob bei ihnen eine ortsferne Behandlung im Schwarm anhaltend vieler ähnlicher Behandlungsfälle die Heilungswirkung verbessert oder wenigstens die Behandlungsschäden verringert.

So stellen nach den Normalgeburten als häufigster Krankenhausanlass in den öffentlichen Krankenhäusern Seelische Störungen wegen Alkoholmissbrauch den zweit- häufigsten Krankenhausanlass. Zu den häufigsten Krankenhausanlässen zählen aber auch Bluthochdruck, Ohnmacht und Rückenschmerzen. Man würde von den "Qualitäts-Expertinnen" und "Qualitäts-Experten" der Kassenkonzerne schon gerne hören, worin die höhere Heilungswirkung oder die verringerten Behandlungsschäden bei einem Ohnmachtsanfall auf dem Lande bestehen sollen, wenn dieser mit dem Notarztwagen nicht mehr in das geschlossene Kreiskrankenhaus, sondern in die Universitätsklinik der Landeshauptstadt gebracht wird.

Der alltagserfahrene Zeitungsleser oder Fernsehschauer wird nicht ganz zu Unrecht vermuten, dass die Ohnmächtige oder der Ohnmächtige bereits auf halbem Wege dem Notarztwagen wegen Ende der Ohnmacht wieder entstiegen und mit dem Bus nach Hause gefahren sind. Krankenhauskosten haben sich AOK oder BARMER o.ä. so schon einmal gespart.