Sulzbach-Rosenberg
28.03.2018 - 17:26 Uhr

Krankenhaus-Vorstand nimmt Stellung zu AOK-Thesen und Betten-Abbau: Qualität gegen Kliniksterben

Gibt es wirklich zu viele kleine Krankenhäuser? Die Diskussion ist voll entbrannt um die Thesen des AOK-Bundesverbandes. Die drastische Verminderung des Angebotes als Allheilmittel? Landrat und Klinik-Chef stellen sich ganz klar dagegen: "Häuser, die beste Qualität und Kompetenz aufweisen, sind nach wie vor unverzichtbar."

Der barmherzige Samariter vor dem Krankenhaus St. Anna hilft seinem Mitmenschen, ohne viel zu fragen. Für die Klinikleitung ist klar: Eine ähnliche Funktion erfüllt das Haus auch für einen Großteil des Landkreises und darüber hinaus. Bilder: Gebhardt (2)

Der Bundesverband der AOK läuft nicht zum ersten Mal Sturm gegen kleine Krankenhäuser, deren Qualität angeblich nicht ausreichend ist. Zusätzlich steht die Forderung nach Abbau weiterer Kliniken und Krankenhausbetten im Raum. Darüber zeigt sich der Vorstand des St.-Anna-Krankenhauses, Klaus Emmerich, empört: "Es ist ärgerlich, wie pauschalisierend die AOK ihre Thesen flächendeckend verbreitet." Vor allem Aussagen des AOK-Krankenhausreports 2018 will Emmerich so nicht stehen lassen: AOK-Vorstandsvorsitzender Martin Litsch: "Ein deutlicher Schritt wäre es aber bereits, wenn Kliniken mit mehr als 500 Betten künftig nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel bildeten." Für eine an der Versorgungsqualität ausgerichtete Zentrenbildung plädierte auch Gesundheitsökonom Professor Reinhard Busse.

Nur acht Prozent dabei

Emmerich hat sich für unsere Zeitung die Mühe gemacht, die Konsequenzen für einen Flächenstaat Bayern mit ausgeprägten ländlichen Regionen zu eruieren. Im bayerischen Krankenhausplan 2018 zählte er alle Plankrankenhäuser mit 500 Betten und mehr: "Nur etwa 29 Kliniken erfüllen dieses Kriterium, das sind knapp acht Prozent der aktuell 368 bayerischen Krankenhäuser. Hinzu kommen noch fünf große Universitätskliniken." Konkret erfüllten in der Region lediglich die Kliniken in Amberg, Weiden, Bayreuth, Nürnberg, Erlangen, Fürth und Regensburg das Kriterium von mindestens 500 Betten - größere Krankenhäuser etwa in Schwandorf, Neumarkt und Ansbach verfügen aktuell über weniger.

Die Konsequenz: Für Bayern wäre die Ausdünnung der Kliniklandschaft in diesem Ausmaß eine Katastrophe. Lange Fahrten zum nächsten Krankenhaus, nicht gewährleistete Notfallversorgung, Verlust von Arbeitsplätzen und regionaler Nachfrage, sinkende Attraktivität ländlicher Regionen und das Wegbrechen eines Kernbestandteils des Versorgungsauftrags. Emmerich hat ein praktisches, aktuelles Beispiel zur Hand: "Nicht auszudenken, was in den letzten Wochen mit dem riesigen Ansturm an Influenza-Patienten geschehen wäre." In der nördlichen Oberpfalz gab es Kliniken, die in ihrer Not einen Aufnahmestopp verhängten. Das St.-Anna-Krankenhaus eröffnete eine Interimsstation und konnte trotzdem tageweise Patienten nur auf den Stationsgängen betreuen, weil jedes Zimmer belegt war."

Es verwundere nicht, dass der AOK-Krankenhausreport 2018 zu einer solchen Einschätzung komme, ergänzte Emmerich. Busse habe bereits bundesweit mit seiner Feststellung Aufmerksamkeit erlangt, dass insgesamt 330 bundesdeutsche Krankenhäuser für die klinische Versorgung der Bevölkerung ausreichend seien - das wären 80 Prozent weniger als jetzt. Zum 31. Dezember 2016 gab es noch 1951 Plankrankenhäuser. "Die Empfehlung war vorhersehbar und offenbar auch so gewollt."

Kein Generalverdacht

Es helfe aber niemandem weiter, wenn kleine Krankenhäuser einem Generalverdacht mangelnder Qualität ausgesetzt würden. "Das Verhalten des Bundesverbands der AOK ist mangelnde Wertschätzung gegenüber den Ärzten und Pflegekräften, die täglich ihr Bestes geben. Es schädigt zudem ländliche Krankenhäuser, die sich den hohen qualitativen Anforderungen täglich neu stellen."

Die Zusammenarbeit der regionalen AOK mit dem St.-Anna-Krankenhaus und der St.-Johannes-Klinik funktioniere aber gut und sei von hohem gegenseitigen Vertrauen geprägt. Das Gleiche wünscht sich Vorstand Klaus Emmerich auch vom Bundesverband. "Wir würden es begrüßen, wenn die AOK eine ausgewogenen Pressearbeit ohne pauschalisierende Vorwürfe gegenüber kleinen Krankenhäusern einsetzen würde."

Ausgezeichnete Qualität

Nicht gelten lassen will Landrat Richard Reisinger im Gespräch auch die pauschale Unterstellung, kleine ländliche Krankenhäuser verfügten über weniger Qualität. Zitat des AOK-Bundesverbands: "Bessere Überlebenschancen rechtfertigen etwas längere Anfahrtswege". Tatsache sei, so Reisinger, dass ländliche Krankenhäuser vielfach über sehr gute Qualität verfügen.

Das Kommunalunternehmen "Krankenhäuser des Landkreises" sei beispielsweise über das Herzinfarktnetzwerk, das lokale Traumazentrum, Zentrumspartnerschaften, Kooperationsverträge mit Perinatalzentren und viele andere Vernetzungen darauf vorbereitet, vor Ort nur das zu machen, was es wirklich beherrscht. "Das, was wir behandeln, machen wir nachweislich sehr gut", so der Landrat und Verwaltungsratsvorsitzende.

Das St.-Anna-Krankenhaus und die St.-Johannes-Klinik hätten viele Qualitätsanstrengungen unternommen, um weit mehr als die gesetzlich verordnete Qualität sicherzustellen: Umfassende Zertifizierungen, Gründung zertifizierter Zentren (lokales Trauma-Zentrum und Endoprothetikzentum), IQM-Qualitätsvergleiche deutschsprachiger Krankenhäuser mit überdurchschnittlichem Qualitätsausweis, jeweils erste Plätze bei Hygiene, Patientensicherheit und Lungenentzündung in der Metropolregion Nürnberg und eine Patientenweiterempfehlungsquote zwischen 91 und 92 Prozent.

"All diese Erfolge sind Beispiele dafür, dass auch wohnortnahe ländliche Kliniken über ausgezeichnete Qualität verfügen." Emmerich und auch Reisinger haben das auch gegenüber der Gesundheitsministerin deutlich gemacht und sie gebeten, hier zugunsten der ländlichen Versorgung einzugereifen. (ge)

Mindestmenge

Was die öffentliche Diskussion und Forderung nach weiteren Mindestmengenregelungen bei Krankenhäusern betrifft (zum Beispiel mindestens 50 Operationen einer spezifischen Erkrankung pro Jahr), so wird laut Klaus Emmerich, Chef des St.-Anna-Krankenhauses, folgender Aspekt völlig außer Acht gelassen: Große Universitätskliniken übertreffen eine geforderte Mindestmenge von 50 Operationen gegebenenfalls schon allein dadurch, dass dort zehn junge Fachärzte jährlich je zehn dieser Operationen leisten.

Ein spezialisierter, langjährig erfahrener Chefarzt führt diese Operation aber in seinem ländlichen Krankenhaus exklusiv vielleicht 45 mal pro Jahr durch. Aber er verfehlt dann die aufgestellte Mindestmengenregelung. "Welche Qualität wird hier wohl besser sein?", fragt der Klinik-Vorstand. (ge)

 
 

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