S 12 KR 252/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 KR 252/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Rückforderung und Aufrechnung von zunächst auf entsprechende Rechnungsstellung nach § 275 Abs 1c SGB V im Jahr 2014 vorbehaltslos gezahlten Aufwandspauschalen, wenn die Krankenkasse zuvor beim MDK zur Rechnungsprüfung ausdrücklich eine Auffälligkeitsprüfung in Auftrag gibt, dabei gegenüber dem MDK auch entsprechende Auffälligkeiten explizit benennt, den Prüfauftrag auf diese Auffälligkeiten stützt, ihn auf der Grundlage dieser am konkreten Einzelfall orientierten Auffälligkeiten spezifiziert, der MDK in seiner anschließenden Prüfanzeige gegenüber dem Krankenhaus unter ausdrücklichem Verweis auf § 275 Abs 1c SGB V und zur Wahrung der dortigen 6-Wochen-Frist diese Auffälligkeiten im Einzelnen in Bezug nimmt, insoweit beim Krankenhaus zur Rechnungsprüfung eine Reihe von konkret benannten Krankenunterlagen anfordert oder aber auch im Rahmen einer Krankenhausbegehung vor Ort Einsicht in die Krankengeschichte des konkreten Behandlungsfalles nimmt, die anschließende Rechnungsprüfung des MDK die ursprüngliche Rechnungsstellung des Krankenhauses bestätigt, eine Rechnungskürzung danach unterbleibt, die Krankenkasse im Weiteren die seitens des Krankenhauses ausdrücklich unter Verweis auf § 275 Abs 1c SGB V in Rechnung gestellte Aufwandspauschale vorbehaltslos ausgleicht, sie später dann aber mit der Begründung zurückfordert und mittels einfachem Zahlungsavis aufrechnet, dass lediglich eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der ursprünglichen Krankenhausabrechnung erfolgt sei, die mit der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R = BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4 sowie vom 14.10.2014 - B 1 KR 25/13 R, B 1 KR 26/13 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 3 und B 1 KR 34/13 R = SozR 4-2500 § 301 Nr 5) keinen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c SGB V begründe, ua das vorgenannte Urteil vom 1.7.2014 dann aber bei der vorbehaltslosen Zahlung der Aufwandspauschale sowohl durch einen entsprechenden Terminbericht als auch die anschließend im Wortlaut erfolgte Veröffentlichung auch bereits bekannt war. (Fortführung u.a. von SG Kassel, Urteil vom 04. Mai 2016 – S 12 KR 72/16 –, juris)
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 1.800,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von jeweils 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Q-bank aus 300,00 EUR seit 7. Oktober 2015, aus weiteren 300,00 EUR seit 8. Oktober 2015, aus weiteren 300,00 EUR seit 17. Oktober 2015 und aus weiteren 900,00 EUR seit 15. Oktober 2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat einschließlich der Kosten der Klägerin insgesamt die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Tatbestand:

Mit ihrer am 12. Mai 2016 erhobenen Klage macht die Klägerin als Krankenhausträgerin des A-Krankenhauses im Anschluss an eine mit Beschluss vom 30. Mai 2017 erfolgte Abtrennung im Rahmen des vorliegenden, abgetrennten Teils des Rechtsstreites gegenüber der Beklagten als Krankenkasse die Zahlung von 1.800,00 EUR zuzüglich Zinsen in unterschiedlichem Umfang geltend.

Der Forderung liegt zunächst zugrunde, dass die Beklagte in dieser Höhe bzw. in Höhe von 6 x 300,00 EUR Aufrechnungen gegenüber unbestrittenen Forderungen der Klägerin vorgenommen hatte, nachdem sich die Versicherten der Beklagten a) E. A., b) W. A., c) D. P., d) M. M., e) E. M. und f) K. N. im Jahr 2014 in unterschiedlichem Umfang in vollstationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin befunden hatten, die diese Behandlungen betreffenden Rechnungen der Klägerin von der Beklagten auf der Grundlage der zwischen den Beteiligten bestehenden vertraglichen Regelungen jeweils zunächst auch in voller Höhe ausgeglichen worden waren, die Beklagte anschließend hinsichtlich dieser Rechnungen innerhalb von 6 Wochen nach Rechnungseingang Rechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) in Auftrag gegeben und diese der Klägerin auch innerhalb dieser 6 Wochen angezeigt worden waren, diese Rechnungsprüfungen dann jeweils zu keiner Beanstandung durch den MDK geführt hatte, die Klägerin der Beklagten hierauf jeweils pro Prüfungsfall unter Verweis auf § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR, also insgesamt 1.800,00 EUR in Rechnung gestellt hatte, diese insgesamt 1.800,00 EUR von der Beklagten dann im Weiteren auch insgesamt gezahlt worden waren und die Beklagte diese jeweils in Höhe von 300,00 EUR gezahlten 6 Aufwandspauschalen dann im Jahr 2015 jedoch wieder zurückgefordert und - nachdem die Klägerin dem nicht nachgekommen war - im Weiteren gegen unbestrittene Forderungen der Klägerin, andere vollstationäre Krankenhausbehandlungen betreffend, aufgerechnet hatte.

Dem wiederum vorausgegangen war, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin im März und April 2015 unter Verweis auf zwei Urteile des Bundessozialgerichts vom 1. Juli und 14. Oktober 2014 die Auffassung vertreten hatte, dass im Falle sachlich-rechnerischer Prüfungen von Krankenhausrechnungen durch die Beklagte bzw. den MDK Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c SGB V nicht zu zahlen seien, wobei hierzu die Prüfung der Kodierung von Haupt- und Nebendiagnosen, von Prozeduren und Beatmungsstunden, von Zusatzentgelten und die Prüfung des OPS 8.550.x verbunden mit der Prüfung der Verweildauer gehörten. Dem war anschließend wiederum die Klägerin entgegengetreten, unter anderem mit der Begründung, dass in sämtlichen o.a. Behandlungsfällen, in denen der Beklagten von der Klägerin eine Aufwandspauschale ausdrücklich unter Verweis auf § 275 Abs. 1 c SGB V in Rechnung gestellt worden sei, dem auch entsprechende Prüfanzeigen des MDK mit Verweis auf § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 275 Abs. 1c SGB V zugrunde gelegen hätten.

Hierauf hatte die Beklagte dann unter anderem die sechs o.a. Aufrechnungen gegen jeweils unbestrittene Krankenhausrechnungen der Klägerin vorgenommen. Dabei war die Aufrechnung im Behandlungsfall E. A. am 6. Oktober 2015 erfolgt, im Behandlungsfall W. A. am 7. Oktober 2015, im Behandlungsfalls D. P. am 14. Oktober 2015, im Behandlungsfall M. M. am 16. Oktober 2015 sowie in den Behandlungsfällen E. M. und K. N. jeweils am 14. Oktober 2015.

Den o.a. Rechnungsprüfungen durch den MDK hatten schließlich im ausdrücklichen Auftrag der Beklagten im Behandlungsfall E. A. die Prüfung eines abgerechneten Zusatzentgeltes, im Behandlungsfall W. A. die Prüfung der der Rechnungslegung zugrunde gelegenen Hauptdiagnose, im Behandlungsfall D. P. die Prüfung eines in Rechnung gestellten Zusatzentgeltes bzw. die Prüfung eines in Rechnung gestellten OPS, im Behandlungsfall M. M. die Prüfung der Hauptdiagnose, im Behandlungsfall E. M. die Prüfung einer Nebendiagnose und im Behandlungsfall K. N. die Prüfung eines Zusatzentgeltes bzw. eines OPS zugrunde gelegen, sodass es sich zumindest nach Lesart der Beklagten bei sämtlichen der vorgenannten sechs Rechnungsprüfungen um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Rechnungen handelte und insoweit Fallkonstellationen, in denen mit der Rechtsprechung des BSG Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c SGB V in Höhe von jeweils 300,00 EUR hätten entstehen können, von Anfang an nicht vorgelegen hätten.

Die Klägerin hat am 12. Mai 2016 Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben, wobei sie unter anderem unter Vorlage der im Rahmen der streitigen Rechnungsprüfungen erstellten MDK-Gutachten sowie der noch vorhandenen Prüfmitteilungen des MDK und der Rechnungen, mit denen der Beklagten in den hier betroffenen sechs Behandlungsfällen die Aufwandspauschale in Höhe von jeweils 300,00 EUR unter Verweis auf § 275 Abs. 1s SGB V in Rechnung gestellt worden war, gegenüber der Beklagten den hier streitigen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.800,00 EUR geltend macht.

In sämtlichen der hier betroffenen sechs Behandlungsfälle sei die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 c SGB V zu Recht in Rechnung gestellt worden, die von der Beklagten für sich in Anspruch genommene Rechtsprechung des BSG stehe den Ansprüchen der Klägerin nicht entgegen, was die Klägerin unter weiterer Darlegung ihrer Rechtsauffassung und unter Verweis auf die dieser Rechtsprechung vielfach entgegen gebrachte Kritik in Rechtsprechung und Literatur ausführlich begründet. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass das BSG zwischenzeitlich wiederholt und weiter erläuternd an seiner von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung festhalte. Unabhängig hiervon seien dann von der Beklagten aber auch jeweils konkret benannte Auffälligkeiten Anlass für die o.a. Rechnungsprüfungen gewesen, so dass es sich auch von daher schon um Auffälligkeitsprüfungen gehandelt habe, die die Aufwandspauschalen hätte auslösen können und nicht Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Im Übrigen habe das BSG vor seinem o.a. Urteilen dann aber auch selbst noch die Überprüfung der Kodierung einer Hauptdiagnose als Grundvoraussetzung für einen Anspruch des Krankenhauses gegen eine Krankenkasse auf Zahlung einer Aufwandspauschale als erfüllt angesehen. Insoweit hätten sich die Prüfanzeigen des MDK gegenüber der Klägerin dann auch als nichts anderes als Auffälligkeitsprüfungen im Sinne von § 275 Abs. 1c SGB V dargestellt. Wie hätte insoweit die Klägerin vor Einführung des Models der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung durch das BSG, das im Gesetz in keiner Weise angelegt sei, insoweit zu der Annahme gelangen sollen, dass es sich bei den hier betroffenen sechs Prüfungen, die die Beklagte beim MDK in Auftrag gegeben hatte, nicht um eine gegebenenfalls die Aufwandspauschale auslösende Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V handeln würde, sondern um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung. Wie hätten die Beklagte und der MDK seinerzeit eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung anzeigen können, wo ein solche zu diesem Zeitpunkt doch noch gar nicht existent gewesen sei. Hinzukomme, dass die Rechnungen der Klägerin, mit denen der Beklagten die Aufwandspauschalen in Rechnung gestellt worden seien, im Behandlungsfall E. A. vom 26. Januar 2015, im Behandlungsfall W. A. vom 20. August 2014, im Behandlungsfall D. P. vom 12. Dezember 2014, im Behandlungsfall M. M. vom 10. Juli 2014, im Behandlungsfall E. M. vom 20. August 2014 und im Behandlungsfall K. N. vom 28. November 2014 datierten, also sämtlich jünger seien, als die mit Urteil des BSG vom 1. Juli 2014 in der Sache B 1 KR 24/13 R eingeläutete Rechtsprechung des BSG zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung. Das hieße, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die Rechnungen beglichen habe, ihr diese Rechtsprechung bereits bekannt gewesen sei. Wenn die Beklagte aber zum einen tatsächlich jeweils keine Prüfung im Sinne von § 275 Abs. 1c SGB V, sondern eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit hätte in Auftrag geben wollen und zum anderen die Rechnungen der Klägerin über die Aufwandspauschale dann aber doch in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung beglichen habe, so stehe ihrem vermeintlichen Rückforderungsanspruch bereits entgegen, dass das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden könne, wenn der Leistende gewusst habe, dass er zur Leistung nicht verpflichtet gewesen sei, §§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, 814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sei sich die Beklagte hingegen nicht bewusst gewesen, beim MDK eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung in Auftrag zu geben, könne sie darüber hinaus die einmal gezahlte Aufwandspauschale gemäß des Grundsatzes von Treu und Glauben mit der Rechtsprechung der erkennenden Kammer später nicht wieder zurückfordern, was die Klägerin weiter erläutert.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 1.800,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von jeweils 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der Q-bank aus 300,00 EUR seit 7. Oktober 2015, aus weiteren 300,00 EUR seit 8. Oktober 2015, aus weiteren 300,00 EUR seit 17. Oktober 2015 und aus weiteren 900,00 EUR seit 15. Oktober 2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält daran fest, dass es sich bei den o.a. Rechnungsprüfungen um Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gehandelt habe, die mit dem BSG Ansprüche auf eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V seinerzeit nicht hätten auslösen können, sodass die hier dennoch getätigten Zahlungen zu Unrecht erfolgt und von der Klägerin zurückzuzahlen gewesen seien. Nachdem die Klägerin entsprechenden Zahlungsaufforderungen nicht nachgekommen sei, seien die o.a. Aufrechnungen danach zu Recht erfolgt. Auch die Prüfmitteilungen des MDK gegenüber der Klägerin, soweit diese noch vorhanden seien, belegten, dass die Beklagte faktisch eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit beauftragt und der MDK faktisch eine solche Prüfung auch angezeigt habe. § 814 BGB sei hier schließlich nicht einschlägig. Auch der Rechtsprechung der erkennenden Kammer vermöge die Beklagte insoweit weiterhin nicht zu folgen. Dass der MDK die faktisch als Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit durchgeführte Prüfung selbst fälschlicherweise als 275er-Prüfung deklariert habe, sei mit dem BSG unschädlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten und der im Verlauf des Klageverfahrens erteilten rechtlichen Hinweise des Gerichts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte. Ebenso wird Bezug genommen auf die die o.a. sechs Behandlungsfälle betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten, deren wesentlicher, den vorliegenden Rechtsstreit betreffender Inhalt gleichfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer, die sich an die höchstrichterliche Rechtsprechung anlehnt, im Leistungserbringungsrecht und damit als Klage im Gleichordnungsverhältnis als allgemeine (echte) Leistungsklage zulässig (vgl. hierzu bereits BSG in SozR 3 - 2500 § 39 Nr. 4, BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, B 3 KR 33/99 R und BSG, Urteil vom 13. Dezember 2001, B 3 KR 11/01 R). Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit der Sozialgerichte für Streitigkeiten aus dem Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse (vgl. schon BSG, Urteile vom 17. Mai 2000 und 13. Dezember 2001 wie vor) insoweit aber auch ausdrücklich aus § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG, in der im Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung, der u.a. auch Streitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen in Angelegenheiten des SGB V der Sozialgerichtsbarkeit zuweist.

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin 1.800,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von jeweils 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Q-bank aus 300,00 EUR seit 7. Oktober 2015, aus weiteren 300,00 EUR seit 8. Oktober 2015, aus weiteren 300,00 EUR seit 17. Oktober 2015 und aus weiteren 900,00 EUR seit 15. Oktober 2015 zu zahlen, da die hier in Höhe von insgesamt 1.800,00 EUR getätigten Aufrechnungen zu Unrecht erfolgt und somit rechtswidrig sind. Die Klägerin war und ist nicht verpflichtet, der Beklagten die auf die o.a. Rechnungsstellungen seinerzeit noch nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Höhe von jeweils 300,00 Euro vorbehaltlos gezahlten Aufwandspauschalen zurückzuzahlen. Dem stehen zumindest in der vorliegenden konkreten Fallgestaltung bereits Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen.

Ob darüber hinaus auch bereits deswegen, weil der von der Beklagten für sich in Anspruch genommenen o.a. Rechtsprechung des BSG zum Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für das Entstehen einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Fallkonstellationen der von einer Krankenkasse veranlassten sachlich-rechnerischen Prüfung einer Krankenhausrechnung durch den MDK mit der Klägerin weiterhin aus unterschiedlichen rechtlichen, auch verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu folgen sei, lässt die Kammer dabei zumindest in Fallkonstellationen der vorliegenden Art, also in Fällen einer zunächst vorbehaltslos erfolgten Zahlung der Aufwandspauschale, dabei jedoch weiterhin ausdrücklich dahingestellt.

Stattdessen stellt die Kammer in der vorliegenden Fallkonstellation zumindest im Ergebnis in Anlehnung an ihre o.a. Rechtsprechung (vgl. z.B. SG Kassel, Urteil vom 4. Mai 2016, S 12 KR 72/16) nach wie vor mit dem SG Mainz (Urteile vom 8. September 2015, S 14 KR 427/14 und S 14 KR 56/12) allein darauf ab, dass sich eine Krankenkasse nicht nachträglich darauf berufen kann, die Prüfung durch den MDK habe der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gegolten, wenn der MDK auf Veranlassung der Krankenkasse die Rechnungsprüfung sowohl intern als auch nach Aktenlage gegenüber dem betroffenen Krankenhaus ausdrücklich als Rechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V anzeigt und durchführt und die Krankenkasse anschließend auf entsprechende Inrechnungstellung der Aufwandspauschale, d.h. auf eine unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 275 Abs. 1c SGB V erfolgte Rechnungsstellung, diese auch ohne jeglichen Vorbehalt "anstandslos" ohne "wenn und aber" als solche bezahlt, die Krankenkasse also selbst davon ausgegangen ist, eine die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V auslösende Rechnungsprüfung in Auftrag gegeben zu haben.

Insoweit muss sich die Klägerin in der hier besonderen Fallkonstellation, auf die allein abzustellen bleibt, letztlich zumindest die vorbehaltslose Zahlung auf die Inrechnungstellung der Aufwandspauschale entgegenhalten und fragen lassen, warum sie eine Rechnung für etwas bezahlt, was sie nicht nur rein rechtlich, sondern auch tatsächlich nicht in Auftrag gegeben haben will.

Dies umso mehr, als sich im Rahmen langjährig gewachsener öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen ein Krankenhaus darauf verlassen können muss, dass sich der öffentlich-rechtliche Krankenversicherer im Rahmen der beiden zustehenden Spielräume als solches gesetzeskonform verhält und deren Verwaltung Dritten gegenüber auch entsprechend ausgerichtet ist.

Hiervon kann nicht mehr ausgegangen werden, wenn ein Krankenversicherer eine Leistung - wie hier durch entsprechenden Rechnungsausgleich - ausdrücklich nach Wissen und Wollen als solche erbringt, sich später hieran dann jedoch nicht mehr festhalten lassen will. Dies erst Recht, wenn er sich einerseits auf eine Rechtsprechung stützt, die zumindest in dieser Auslegung überhaupt erstmals im Jahr 2014 und dabei auch erst nach den hier beauftragten MDK-Prüfungen zur Anwendung gelangt ist und andererseits erst im Anschluss an diese Rechtsprechung erfolgte Rechnungsstellungen der Klägerin trotz der dortigen ausdrücklichen Inbezugnahme von § 275 Abs. 1c SGB V selbst noch ausgleicht.

Dies verstößt mit der o.a. Rechtsprechung der Kammer gleich einer unzulässigen Rechtsausübung auf der Grundlage der hier langjährig gewachsenen öffentlich-rechtlichen Beziehungen der Beteiligten und einer dem innewohnenden Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme gegen Treu und Glauben und erweist sich als insgesamt treuwidrig.

Dies weiter mit der Folge, dass zumindest ein Anspruch auf Rückzahlung der vorbehaltslos gezahlten Aufwandspauschale jedenfalls in Fallkonstellationen der vorliegenden Art unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht.

Das SG Stralsund (Urteil vom 10. August 2012, S 3 KR 181/11, mwN.) verweist nach Auffassung der erkennenden Kammer dabei zu Recht bereits 2012 folgerichtig daraufhin, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen diese in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten, wobei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben diese Sonderrechtsbeziehung auch wechselseitig bestehende Ansprüche begrenzen kann.

Dass dem Grundsatz von Treu und Glauben gerade auch im Verhältnis Krankenhausträger/Krankenkasse eine herausragende Bedeutung zukommt, hat selbst das BSG mit Ur-teil vom 8. September 2015, B 1 KR 1/15 R nochmals bestätigt. Dies gilt dann auch nicht nur bezogen auf ein im Klageverfahren abgegebenes Anerkenntnis, nachdem auch im Falle der Krankenhausvergütung kein Subordinationsverhältnis existiert, sondern ein Vergütungsanspruch im Gleichordnungsverhältnis und der anerkennende Beteiligte mit dem Anerkenntnis das Beurteilungsrisiko bezüglich der dem Anerkenntnis zugrunde gelegten tatsächlichen und rechtlichen Vorstellungen übernimmt, dies gilt mit dem BSG, Urteil vom 21. April 2015, B 1 KR 11/15 R auch insgesamt im Verhältnis der vorliegend Beteiligten untereinander, wenn sich das - nachträgliche - Verhalten eines Beteiligten, hier der beklagten Krankenkasse als insgesamt in sich widersprüchlich und zumindest in der vorliegenden konkreten Sachverhaltskonstellation aus Vertrauensschutzgesichtspunkten als zumindest im Ergebnis insgesamt willkürlich und letztlich auch als illoyal erweist.

Mit Urteil vom 24. Mai 2017 (S 9 KR 1604/16) weist insoweit auch das SG Stuttgart zurecht daraufhin, dass das BSG noch im Jahr 2013 mit Urteil vom 28. November 2013 (B 3 KR 4/13 R) den Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c SGB V auch für eine Prüfung der Kodierung bejaht hat. Weiter führt das SG Stuttgart insoweit aus, dass sich selbst dann, wenn man der dort beklagten Krankenkasse dahingehend folge, dass ein eigenständiges Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeit existiere und schon im Zeitpunkt der Zahlung der Aufwandspauschale existiert habe, kein anderes Ergebnis ergebe. In diesem Fall würde der Rückforderungsanspruch nämlich § 814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegenstehen. Danach könne das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst habe, dass er zur Leistung nicht verpflichtet gewesen sei, wobei der Rechtsgedanke auch auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch Anwendung finde (SG Stuttgart, wie vor, mzwN).

Insoweit sei allgemein anerkannt, dass nur eine im Zeitpunkt der Leistung bestehende positive Kenntnis der Nichtschuld eine Rückforderung nach § 812 Absatz 1 Satz 1 BGB ausschließe, so dass der Leistende Wissen müsse, dass er nach der Rechtslage nichts schulde und allein die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergebe, für den Ausschluss des Kondiktionsanspruchs nicht ausreiche. Entscheidend sei vielmehr, dass der Leistende aus diesen Umständen subjektiv den rechtlichen Schluss ziehe, die sodann gleichwohl erbrachte Leistung nicht zu schulden, wobei insoweit mit dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. November 2012, L 16 KR 600/11) allerdings eine Parallelwertung in der Laiensphäre ausreichend sei. Wenn der maßgebliche Wille der dort beklagten Krankenkasse darauf gerichtet gewesen sei, eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung im Sinne der Rechtsprechung des BSG durchzuführen, müsse sie auch positive Kenntnis davon gehabt haben, dass eine Aufwandspauschale für diese Prüfung nicht zu zahlen sei, so dass die Leistung in Kenntnis der Nichtschuld erfolgt sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass es nur darauf ankommen könne, wie tatsächlich verfahren worden sei, nicht aber darauf, wie rückblickend unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hätte verfahren werden müssen.

Weiter führt das SG Stuttgart und Hinweis auf das SG Aachen (Urteil vom 25. April 2017, S 13 KR 479/16) aus, dass, wenn der 1. Senat des BSG die "weitergehende Auffassung des früher auch zuständigen 3. Senats" nunmehr aufgebe (so ausdrücklich im Urteil vom 25. Oktober 2016, B 1 KR 22116 R), dies nicht dazu führen könne, dass Handlungen, die seinerzeit im Einklang mit dem für die Auslegung des Rechts damals zuständigen höchsten Fachgerichtes gestanden hätten (hier: die Zahlung der Aufwandspauschalen) heute allein aufgrund einer Änderung der Zuständigkeit beim BSG und die Aufgabe der Rechtsprechung des damals (auch) zuständigen 3. Senats durch den heute (allein) zuständigen 1. Senat rechtsgrundlos seien, dass also aus dem damals mit Rechtsgrund vom dort beklagten Krankenhaus Erlangten nunmehr - rückwirkend (!) - etwas "ohne rechtlichen Grund" Erlangtes werde, das nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben wäre. Die Änderung der Rechtsprechung begründe keinen in die Vergangenheit zurückweisenden öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch.

Alledem schließt sich die Kammer im Nachgang zu ihren o.a. Ausführungen und insoweit auch zu ihrer eigen o.a. Rechtsprechung an.

D.h., die Beklagte unterliegt hier insbesondere auch der Kondiktionssperre des § 814 BGB sowie einer Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben, wobei die Kammer dabei zusätzlich verweist auf LSG Baden-Württemberg (Beschlüsse vom 18. Oktober 2016, L 4 KR 2801/16 NZB, vom 6 Oktober 2016, L 5 KR 2802/16 NZB und vom 15. November 2016, L 11 KR 2804/16 NZB).

Wenn die Beklagte danach auch hier vereinfachend meint, dass eine einmal gezahlte Aufwandspauschale dann generell nicht zurückverlangt werden könne, verkennt sie die vorliegend die Entscheidung der Kammer tragenden besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhalts und die Tatsache, dass die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung vorbehaltlos gezahlter Rechnungen letztlich auch insoweit nach wie vor bestehen bleibt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Oktober 2016). Denn selbst dann, wenn man der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG folgt, verbleiben weiterhin eine Reihe von Möglichkeiten, unter denen je nach Sachverhaltsgestaltung auch die Rückforderung einer vorbehaltslos gezahlten Aufwandspauschale rechtlich durchsetzbar erscheint.

All dies mit der weiteren Folge, dass die hier getätigten Aufrechnungen rechtswidrig erfolgt sind.

In der vorliegenden Sachverhaltskonstellation, abgestellt auf das, was von den Beteiligten dem Gericht zur Entscheidungsfindung vorgelegt worden ist, war der Klage nach alledem auf der weiteren Grundlage von § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V iVm dem Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen(verbänden), wonach die Beklagte verpflichtet ist, unbestrittene stationäre Krankenhausbehandlungen ihrer Versicherten im Krankenhaus der Klägerin - wie in Rechnung gestellt - in voller Höhe zu vergüten, stattzugeben.

Die ausgeurteilten Zinsansprüche folgen mit der Klägerin und dem hier insoweit mit der jeweils rechtswidrigen Aufrechnung eingetretenen Verzug aus § 10 Abs. 5 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (zum Zinsanspruch im Leistungserbringungsrecht vgl. u.a. BSG, Urteile vom 4. März 2004, B 3 KR 4/03 R und vom 19. April 2007, B 3 KR 10/06 R), bei einem konkreten Verzinsungsbeginn hier jeweils ab dem Tag nach der vollzogenen Aufrechnung (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2013, B 1 KR 67/12 R).

Die Kostenentscheidung folgt den §§ 197a, 183 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO), nachdem § 193 Abs. 1 und 4 SGG gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGG hier keine Anwendung finden, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten, privilegierten Personenkreis gehören.
Rechtskraft
Aus
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