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Bremer Gesundheitssenatorin fordert Debatte Quante-Brandt will über geschlossene Psychiatrie diskutieren

Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) fordert eine Debatte über die geschlossene Psychiatrie. Anlass sind Patienten im Klinikum Bremen-Ost, für die es offenbar kein passendes Wohnangebot gibt.
30.09.2017, 16:37 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Quante-Brandt will über geschlossene Psychiatrie diskutieren
Von Antje Stürmann

Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) hat in der jüngsten Sitzung der Gesundheitsdeputation eine Diskussion über die Rückkehr geschlossener psychiatrischer Einrichtungen angestoßen. „Die bremische Politik muss entscheiden, ob sie solch ein Angebot haben will“, sagte sie. „Diese Diskussion müssen wir jetzt führen.“ Anlass für die Äußerungen der Senatorin sind besonders schwer psychisch erkrankte Menschen, die im Klinikum Ost untergebracht sind und für die es in Bremen offenbar kein passendes Wohnangebot gibt.

Es gehe um strukturierte Wohnangebote für diese Menschen, die Struktur und Regeln benötigten, um außerhalb der Klinik leben zu können – diese aber in der klinischen Versorgung nicht finden und auch ambulant nicht entsprechend versorgt werden könnten, sagte Quante-Brandt. „Wenn diese Menschen nach einer gewissen Zeit immer wieder im Klinikum Bremen-Ost landen, ist das Ziel nicht erreicht.“

Unterkünfte für acht Patienten gesucht

Hintergrund für die Anregung war auch die Aussage des Leiters der Psychiatrie im Klinikum Bremen-Ost, Jens Reimer. Er sagte, fast ein Drittel der derzeit ausgeübten Zwangsmaßnahmen bezöge sich auf acht Patientinnen und Patienten. Für diese Menschen suche das Krankenhaus gemeinsam mit ambulanten Anbietern und Akteuren nach besseren Versorgungslösungen, um immer wiederkehrende Aufenthalte in der Klinik zu vermeiden.

Für eine schwer betroffene Patientin könnte es demnächst mit einer Wohnung klappen, so Reimer. Ziel sei es, auch die anderen sieben Patienten unterzubringen. In Bremen fehle es allerdings an geeigneten Angeboten. „Im Sinne einer wohnortnahen Versorgung ist es sicher nicht sinnvoll, Patienten in Niedersachsen unterzubringen“, betonte Reimer.

Der Direktor des Zentrums für psychosoziale Medizin nutzte die Deputationssitzung auch, um an die Politiker zu appellieren: „Wir brauchen einen offenen Dialog mit der Justiz, der Polizei und auch der Bevölkerung über die Erwartungen an die Psychiatrie.“ Denn jede dieser Parteien habe andere Erwartungen an die Versorgung in Kliniken. „Die einen möchten, dass wir Menschen, die Autos mit dem Hammer zertrümmern und mit Kot beschmieren, wegsperren. Die anderen sagen, wir sperren sie zu lange weg. Darüber müssen wir reden, sonst wird die Psychiatrie zerrieben“, forderte Reimer. Die Kliniken seien schließlich nur die ausführenden Organe.

Patienten sollen leichter zwischen Klinik und heimischem Umfeld wechseln können

Bremen hatte 1980 im Zuge seiner vorbildhaften Psychiatrie-Reform beschlossen, seine psychiatrische Klinik, das Kloster Blankenburg in der Nähe von Oldenburg, zu schließen. Der damals neu gegründete Verein „Initiative zur sozialen Rehabilitation“ gab den ersten entlassenen Patientinnen und Patienten ein neues Zuhause. Hauptanliegen war es, die rund 300 Patienten in die Gesellschaft zu integrieren und allen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Mit diesem Konzept war Bremen in der Bundesrepublik Vorreiter. Im Frühjahr hatte Reimer ein 50-seitiges Konzept zur Behandlung psychisch kranker Menschen vorgelegt, Anlass waren unter anderem bekannt gewordene Missstände in der Psychiatrie im Klinikum Bremen-Ost. Patientenfürsprecher hatten kritisiert, dass zu viel Zwang und Gewalt angewendet werde. Daraufhin hatte die Gesundheitsbehörde einen Aktionsplan Psychiatrie aufgelegt.

Dem Konzept des Psychiatrie-Leiters zufolge sollen in den kommenden drei Jahren 50 der 240 Klinikplätze auf den Stationen abgebaut und stattdessen die Behandlung im Lebensumfeld der Patienten ausgebaut werden. Die Patienten sollten leichter zwischen Klinik und heimischem Umfeld wechseln können und trotzdem gut versorgt sein. In der Deputationssitzung berichtete Reimer, dass seit März 22 Ärzte eingestellt worden seien, außerdem zwei Psychologen sowie Pfleger. 86 Prozent der Mitarbeiter seien inzwischen darin geschult worden, in Konfliktsituationen möglichst ohne Gewalt zu reagieren. Für das Personal gebe es eine Checkliste, damit es nicht zu aggressiven Handlungen komme.

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