China:Staat statt Markt

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Ein Krankenhaus in Tianjin: Bald gibt der Staat hier die Preise vor. (Foto: Fred Dufour/AFP)

Die chinesischen Behörden wollen künftig die Preise für Medizintechnik festlegen. Die ganze Branche ist in heller Aufregung.

Von Christoph Giesen, Peking

Es ist mal wieder ein knapper Text, eingestellt auf der Website einer chinesischen Behörde, der eine ganze Branche in Atem hält. Vor genau einem Jahr überraschte das Pekinger Industrieministerium die Autobauer mit einer Elektroquote, jetzt sind die Medizintechniker in heller Aufregung.

Die staatliche Kommission für Gesundheitswesen und Familienplanung verlangt von Herstellern von Herzschrittmachern und künstlichen Hüftgelenken deren Überbeglaubigungen, Geschäftslizenzen und Produktbeschreibungen. Dazu Genehmigungen aus dem In- und Ausland, Steuerbescheide, klinische Studien - selbstverständlich alles auf Chinesisch. Die Frist war knapp, wie so oft, wenn Ämter in Peking ein Ultimatum stellen, in diesem Fall genau elf Tage. Kurz vor Ablauf hatte die Kommission ein Einsehen. Neuer Abgabetermin ist der 9. Oktober.

Für die betroffenen Unternehmen ist das wohl nur ein schwacher Trost, denn vor allem ein Detail sorgt für Unruhe: Die Firmen sollen die Herstellungskosten aller ihrer Produkte offenlegen. Weshalb, das lässt sich auf der Website nachlesen: Egal, welches Krankenhaus in China Stents, Herzschrittmacher oder Hüftgelenke bezieht, der Preis soll künftig überall derselbe sein. Egal, ob nur ein einziges Krankenhaus einkauft oder aber das Militär eine Großbestellung für sämtliche Armeespitäler ordert. Den Preis gibt bald der Staat vor, nicht der Markt. Lediglich private Krankenhäuser sollen von dieser Regel ausgenommen werden - allerdings eine Fußnote, da in China nahezu jedes Hospital unter staatlicher Obhut steht.

Die Verunsicherung in der Branche ist gewaltig, zumal die Behörde auf der Website von einem Pilotprojekt spricht. Gelingt es, die Preise für Herzschrittmacher zu senken, könnten bald andere Produkte folgen. Öffentlich äußern möchte sich kein Hersteller dazu, zu groß ist die Frucht vor staatlichen Repressalien. Schließlich ist der chinesische Markt einer der wichtigsten der Welt. Nur so viel ist zu erfahren: Dass die Preise für manche Krankenhäusern höher lägen, habe vor allem damit zu tun, dass dort der Trainingsaufwand für das Personal größer sei.

Die Kostenkontrolle im Gesundheitswesen sei zwar ein legitimes Ziel, räumt ein westlicher Diplomat in Peking ein. "Ausländische Unternehmen befürchten aber, durch massiven Druck der Behörden ihre Produkte künftig nur noch unter dem Herstellungspreis anbieten zu können." Die Zahl protektionistisch motivierter Eingriffe in die Wirtschaft habe jüngst deutlich zugenommen. "Es ist zu befürchten, dass es in erster Linie wieder vornehmlich zu Lasten ausländischer Unternehmen gehen wird", sagt der Diplomat.

Die Stimmung bei vielen ausländischen Unternehmen in China ist dementsprechend schlecht. In einer jüngst veröffentlichten Umfrage der Europäischen Handelskammer in Peking gaben 54 Prozent der Mitglieder an, sie fühlten sich im Vergleich zu chinesischen Wettbewerbern benachteiligt. Diese These stützen auch die nackten Zahlen: Während chinesische Übernahmen in Europa im vergangenen Jahr um 77 Prozent auf etwa 40 Milliarden Dollar stiegen, sanken europäische Investitionen in der Volksrepublik um 23 Prozent auf rund acht Milliarden Dollar. China, so scheint es, schottet sich ab.

Dabei hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping in den vergangenen Jahren eine Reihe an Versprechen gemacht, den Kräften des Marktes mehr Freiraum zu lassen. Zuletzt sprach er sich immer wieder gegen Protektionismus aus. Beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos etwa warb er für die Globalisierung. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Laut einer Erhebung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt die Volksrepublik bei der Offenheit für ausländische Direktinvestitionen derzeit auf Platz 59 von 62.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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