GESUNDHEIT: Für ambulant vor stationär ist «die Umsetzungsfrist viel zu kurz»

Ab nächstem Jahr gilt in Zug bei gewissen Spitaleingriffen das Prinzip «ambulant vor stationär». Urs Karli, der Direktor der Andreas-Klinik in Cham, hat dafür zwar Verständnis, übt aber auch Kritik.

Christopher Gilb
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Urs Karli, Direktor Andreas-Klinik Cham: «Wir hatten keinen Einfluss auf die Fristbestimmung.» (Bild: PD)

Urs Karli, Direktor Andreas-Klinik Cham: «Wir hatten keinen Einfluss auf die Fristbestimmung.» (Bild: PD)

Christopher Gilb

christopher.gilb@zugerzeitung.ch

Ende September gab auch der Kanton Zug bekannt, ab nächstem Jahr aufs Prinzip «ambulant vor stationär» zu setzen. Dieses gilt im Kanton Luzern bereits seit Mitte des Jahres und im Kanton Zürich ebenfalls ab Anfang 2018. Basis dafür ist eine Liste, die bestimmt, welche Eingriffe und Behandlungen ein Spital zwingend ambulant vornehmen muss. Davon versprechen sich die Kantone Einsparungen bei den Gesundheitskosten, denn stationäre Eingriffe sind deutlich teurer als ambulante. Zudem werden ambulante Eingriffe nach dem bisherigen Finanzierungsmodell ausschliesslich von den Versicherungen bezahlt, an den Kosten eines stationären Eingriffs hingegen beteiligt sich der Kanton mit 55 Prozent.

Auch die Andreas-Klinik in Cham, die zur Hirslanden-Gruppe gehört, ist von dieser Umstellung betroffen. Laut Kanton gilt das Prinzip ab Januar 2018, die Spitäler erhalten aber eine Übergangsfrist bis März 2018. Diese findet Urs Karli, Direktor der Andreas-Klinik, «viel zu kurz». «Grundsätzlich habe ich Verständnis dafür, dass auch der Kanton Zug sich der Entwicklung im Gesundheitswesen von stationär hin zu ambulant nicht verschliessen will, aber dafür braucht es Zeit», so Karli. Die Andreas-Klinik sei erst diesen Sommer informiert worden, dass das neue Prinzip schon ab Anfang 2018 gelte, und müsse dieses jetzt so gut wie möglich umsetzen. «Nein, wir hatten keinen Einfluss auf die Fristbestimmung.»

Ambulante Eingriffe derzeit nicht kostendeckend

Das grosse Problem sei, dass man jetzt zügig ambulante Operationskapazitäten in den bestehenden stationären Kapazitäten schaffen müsse – «und dies mit einer Unterfinanzierung». Zum Vergleich: Laut einer Studie von Pricewaterhouse-Coopers Schweiz kostet eine stationäre Meniskusoperation durchschnittlich 6935 Franken, ambulant aber nur 2400 Franken. Die Spitäler, Ärzte und Versicherungen drängen deshalb auf eine nationale Tarifanpassung, und auch Gesundheitsdirektor Martin Pfister hat angekündigt, sich für Anpassungen, etwa in Form einer sogenannten Zero-Night-Pauschale, starkzumachen (Ausgabe vom 28. September). «Falls sich bis zur Einführung nichts ändert, wären die Eingriffe, die neu ambulant durchgeführt werden müssten, für uns nicht einmal kostendeckend, da wir diese in der kostenintensiveren stationären Infrastruktur vornehmen müssten», so Karli.

Wie genau die vorläufigen Anpassungen in der Andreas-Klinik aussehen sollen, kann er noch nicht sagen. «Bisher haben wir erst sehr wenig ambulante Eingriffe, diese finden immer mal wieder zwischen stationären statt. Nun könnte es aber sein, dass wir beispielsweise einen Tag pro Woche in den Operations­sälen prinzipiell für ambulante Eingriffe reservieren müssten.» Während es beim Zuger Kantonsspital gemäss den Aussagen von Spitaldirektor Matthias Winistörfer so aussieht, als würde man in Zukunft in den bestehenden Strukturen einen ambulanten Bereich einrichten, bevorzugt Urs Karli eine andere Lösung. «Für uns kommt es beispielsweise nicht in Frage, Kapazitäten für stationäre Patienten in solche für ambulante umzuwandeln, da ich davon ausgehe, dass wir stationär auch weiterhin gut ausgelastet sein werden.» Schliesslich steige die Nachfrage, für solche Behandlungen, die auch weiterhin nur stationär durchgeführt werden könnten, weiter. Er bevorzuge eher eine Lösung in Richtung jener der Hirslanden-Klinik im Park in Zürich. Dort werden ambulante Eingriffe in einem eigenständigen chirurgischen Zentrum vorgenommen. «Wie aber genau die längerfristige Lösung bei uns aussieht, steht noch längst nicht fest.» Eine Personalkürzung werde es aber nicht geben. Der Direktor des Kantonsspitals, Matthias Winistörfer, hatte dazu gegenüber unserer Zeitung gesagt: «Es ist so, dass, wenn die Patienten weniger lange da sind, auch weniger Betreuung benötigt wird.»

Verlust der Entscheidungsfreiheit

Dann sagt Karli noch etwas Generelles zur anstehenden Umstellung: «Grundsätzlich entschied ja bisher der Arzt, welche Behandlung am besten ist, dies aber in enger Abstimmung mit dem Patienten. Und der Patient steht bei uns an erster Stelle.» Zukünftig aber gehe diese Entscheidungsfreiheit bei Eingriffen von der Liste verloren, was nicht unproblematisch sei. «Ich denke, wenn man eine Tarifanpassung durchführen würde, bräuchte es diese Regulierung gar nicht mehr.» Falls diese Tarifanpassung nicht bald durchgeführt werde, bestehe noch eine andere Gefahr: «Dann könnte es in den nächsten Jahren im Spitalwesen zu einer Strukturbereinigung kommen.» Was andernorts auch schon eine Reduktion des Angebots mit sich gebracht habe.