Pflegegrade im Überblick
Inhaltsverzeichnis
Definition: Pflegegrade
Die Pflegegrade von 1 bis 5 sind „Grade der Pflegebedürftigkeit“. Sie drücken aus, wie stark eine Person in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Pflegebedürftige Menschen erhalten einen Pflegegrad auf Antrag von ihrer Pflegeversicherung und können damit Pflegeleistungen beanspruchen. (1)
Die fünf Pflegegrade auf einen Blick:
- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit
- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit
- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit
- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Wie Sie einen Pflegegrad bekommen, wer darüber entscheidet, welchen Pflegegrad Sie erhalten, welche Leistungen Sie damit beanspruchen können und vieles mehr erfahren Sie hier.
Einstufung: Der Weg zum Pflegegrad
Einen Pflegegrad brauchen Sie, wenn Sie Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen möchten. Sie stellen dafür einen formlosen Antrag bei Ihrer Pflegeversicherung. Daraufhin wird ein Pflegegutachten erstellt und am Ende schickt Ihnen die Versicherung einen Pflegegrad-Bescheid zu.
1. Der Antrag
Egal ob Sie einen Erstantrag stellen oder Ihren vorhandenen Pflegegrad erhöhen möchten: Sie müssen einen Pflegegrad-Antrag bei Ihrer Pflegeversicherung stellen. Das Datum des Antrags ist wichtig, weil Sie bei einer Bewilligung rückwirkend ab diesem Datum Ansprüche auf Leistungen haben.
In dringenden Fällen können Sie mit einem Eilantrag bewirken, dass innerhalb von nur 5 oder 10 Tagen eine vorläufige Pflegebegutachtung durchgeführt wird.
2. Das Gutachten
Für das Gutachten kommt ein Pflegegutachter an Ihre Wohnstätte, also zu Ihnen nach Hause oder auch ins Pflegeheim, falls Sie dort leben. Er macht sich ein Bild von der Pflegesituation, stellt Fragen und gibt auch erste Tipps für die Pflege oder empfiehlt Hilfsmittel.
In einigen Fällen sind auch eine Begutachtung am Telefon (strukturiertes Telefoninterview) oder der Einsatz von Videotelefonie möglich. Mehr dazu im Ratgeber Pflegebegutachtung.
Im Anschluss wird das Pflegegutachten erstellt. Darin wird nach einem festen Begutachtungsverfahren ermittelt, welchen Pflegegrad Sie erhalten sollen. (2)
3. Der Bescheid
Die Empfehlung im Gutachten ist aber nicht die finale Entscheidung, denn diese wird von der Pflegeversicherung getroffen. In der Regel folgt sie aber dem Gutachten. Sie erhalten Ihren Pflegegrad-Bescheid zusammen mit dem Gutachten schriftlich.
Wurde Ihnen ein Pflegegrad bewilligt, gelten Ihre Ansprüche jetzt rückwirkend zum Tag des Antrags. Wenn Sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb von 30 Tagen Widerspruch einlegen.
Pflegegrade: Punkte-Tabelle
Das Pflegegutachten folgt klaren Richtlinien, um zu einer Einstufung in einen Pflegegrad zu gelangen. Darin werden in verschiedenen Kategorien 0 bis 100 Punkte für die Einschränkung der Selbständigkeit einer Person vergeben. Die gewichtete Gesamtpunktzahl ergibt den Pflegegrad.
Wie setzen sich die 100 möglichen Punkte zusammen? Das Verfahren berücksichtigt zahlreiche Einzelpunkte in verschiedenen Modulen, die zusammen die Punktzahl ergeben. Mehr darüber erfahren Sie in den Kriterien für das Pflegegutachten.
Außerdem gibt es einige Sonderfälle:
- Besondere Bedarfskonstellation: Einzelfallregelung für Menschen mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
- Pflegegrad im Kindesalter: Sowohl das Begutachtungsverfahren als auch die Einstufung weichen teilweise ab.
- Pflegegrade bei Demenz: Wie das Begutachtungsverfahren auch Menschen mit einer Demenzerkrankung angemessen berücksichtigt.
Kriterien für das Pflegegutachten
Die möglichen 100 Punkte im Pflegegutachten setzen sich aus Kriterien in sechs verschiedenen Modulen zusammen. Die einzelnen Module fließen unterschiedlich stark in das Gesamtergebnis ein. (3)
1. Mobilität: Wie selbstständig bewegt sich der Begutachtete fort und kann seine Körperhaltung ändern?
2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Antragsteller in seinem Alltag noch räumlich und zeitlich orientieren? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen, Gespräche führen und seine Bedürfnisse mitteilen?
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie oft benötigt der Betroffene Hilfe wegen psychischer Probleme wie aggressivem oder ängstlichem Verhalten?
4. Selbstversorgung: Wie selbstständig kann sich der Begutachtete noch täglich selbst waschen und pflegen?
5. Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Welche Hilfen benötigt der Antragsteller beim Umgang mit Krankheit und Behandlungen wie z. B. bei Dialyse oder Verbandswechsel?
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Wie selbstständig kann der Begutachtete noch seinen Tagesablauf planen oder Kontakte pflegen?
Neben den sechs beschriebenen Modulen gibt es noch zwei weitere Pflegegrad-Module: 7. Außerhäusliche Aktivitäten und 8. Haushaltsführung. Diese beiden Module sind aber für den Pflegegrad nicht relevant, sondern nur für die Pflegeplanung und individuelle Empfehlungen.
Besondere Bedarfskonstellation
In Einzelfällen erreichen Menschen trotz höchster Pflegebedürftigkeit im Gutachten nicht genug Punkte für Pflegegrad 5. In solchen Fällen kann das Gutachten auf eine besondere Bedarfskonstellation verweisen und aus pflegefachlichen Gründen trotzdem Pflegegrad 5 vergeben. (1)
Vorgesehen ist dieser Sonderfall für Menschen, die beide Arme und beide Beine nicht mehr benutzen können. Das heißt, dass die Greif-, Steh- und Gehfunktion auch mit Hilfsmitteln nicht mehr möglich ist. Eine minimale Beweglichkeit darf jedoch vorhanden sein. (4)
Pflegegrade im Kindesalter
Auch Kinder mit besonderem Pflegebedarf können einen Pflegegrad erhalten. Die Eltern müssen diesen beantragen. Die Begutachtung orientiert sich an dem allgemeinen Verfahren für Erwachsene, ist aber an die Besonderheiten bei Kindern angepasst.
Sonderregelungen gelten in diesen Altersgruppen:
- Kinder unter 18 Monaten: Hier wird eine natürliche Pflegebedürftigkeit vorausgesetzt, da auch gesunde Kinder in diesem Alter eine Rund-um-Versorgung durch die Eltern benötigen. Deshalb werden Sie bei der Pflegebegutachtung immer einen Pflegegrad höher eingestuft.
- Kinder unter 11 Jahren: Bei Kindern müssen sich viele Fähigkeiten erst mit den Jahren entwickeln und auch die Selbständigkeit ist naturgemäß eingeschränkt. Deshalb orientiert sich die Begutachtung nicht an Erwachsenen, sondern an altersentsprechend entwickelten Kindern.
Pflegegrad bei Demenz
Erkrankt eine Person an Demenz, so braucht sie ziemlich bald Unterstützung im Alltag. Allerdings eher bei kognitiven, emotionalen und sozialen Themen. Denn körperliche Einschränkungen bringt eine Demenzerkrankung erst im späten Stadium mit sich.
Aus diesem Grund war es für Menschen mit einer Demenzerkrankung bis 2016 im alten System der Pflegestufen oft schwierig, eine angemessene Einstufung zu erhalten. Dies wurde mit der umfassenden Reform der Begutachtung und der Einführung der Pflegegrade 2017 korrigiert.
Früher galt der tägliche Pflegeaufwand in Minuten als entscheidendes Kriterium. Bei den Pflegegraden entscheidet nicht mehr der Pflegeaufwand, sondern der Grad der Selbständigkeit. So werden Demenz und psychische Erkrankungen nicht mehr gegenüber körperlichen Einschränkungen benachteiligt.
Pflegegradrechner: Kostenlos einen Pflegegrad berechnen
Reicht es bei mir oder einem Angehörigen für einen Pflegegrad? Oder ist vielleicht sogar ein höherer Pflegegrad als bisher möglich? Diese Fragen zu beantworten ist trotz aller Informationen im Einzelfall schwierig. Eine einfache und individuelle Einschätzung bietet hier der Pflegegradrechner.
Der Pflegegradrechner führt Sie Schritt für Schritt durch die entscheidenden Fragen und errechnet das Ergebnis automatisch. So erhalten Sie schnell eine gute Pflegegrad-Schätzung – ohne sich im Detail mit Modulen, Punkten und deren mathematischer Gewichtung zu beschäftigen.
Pflegegrad: Geld- und Sachleistungen
Versicherte können bei Ihrer Pflegeversicherung verschiedene Leistungen beanspruchen. Für alle Pflegeleistungen gibt es bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Die maximale Leistungshöhe hängt oft vom Pflegegrad ab.
Pflegegrade und Leistungen als Tabelle
Widerspruch bei Ablehnung oder Rückstufung
Egal ob Ablehnung, Rückstufung oder zu niedriger Pflegegrad: Wenn Sie einen Pflegegrad-Bescheid erhalten und damit nicht einverstanden sind, sollten Sie Widerspruch einlegen. Zumindest sollten Sie prüfen, ob Sie Aussicht auf einen erfolgreichen Widerspruch haben.
Erfolg hat ein Widerspruch dann, wenn Sie schlüssig begründen können, in welchen Punkten das Gutachten die Pflegesituation falsch einschätzt und wie dadurch insgesamt ein anderer Pflegegrad zustande kommt.
So können Sie mit einem Pflegegrad-Widerspruch ein Wiederholungsgutachten erreichen. Dabei wird ein neues Gutachten erstellt und genauer auf die strittigen Punkte eingegangen. So erhalten Sie dann im zweiten Anlauf hoffentlich den richtigen Pflegegrad.