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Einfluss der inneren Uhr Herz-OPs besser nachmittags als morgens

Ein Operationsteam operiert im Deutschen Herzzentrum in Berlin einen Patienten am offenen Herzen.

Ein Operationsteam operiert im Deutschen Herzzentrum in Berlin einen Patienten am offenen Herzen.

(Foto: dpa)

Für Arbeiten zur Inneren Uhr gab es dieses Jahr den Nobelpreis für Medizin. Beeinflusst die Uhrzeit auch das Resultat von Herzoperationen? Eine "sehr bedeutsame Studie" hat das untersucht. Ergebnis: Solche Eingriffe sollten besser nachmittags erfolgen.

Riskante Herzoperationen sollten einer Studie zufolge eher nachmittags erfolgen. Eine ausgeklügelte französische Studie zeigt, dass dann in den folgenden Monaten seltener schwere Komplikationen auftreten. Die Mediziner um David Montaigne von der Universität Lille führen das im Fachblatt "The Lancet" auf die Innere Uhr der Patienten zurück, die die Reaktion des Herzens auf den Eingriff beeinflusse. Ein deutscher Experte hält die Studie für "sehr bedeutsam" und "in jedem Fall beachtenswert".

Für Arbeiten zur Inneren Uhr bekommen drei US-Forscher dieses Jahr den Nobelpreis für Medizin. "Ihre Entdeckungen erklären, wie Pflanzen, Tiere und Menschen ihren biologischen Rhythmus so anpassen, dass er mit dem Tag-Nacht-Rhythmus der Erde übereinstimmt", erklärte die Nobeljury Anfang Oktober. Die Innere Uhr ist an den weitaus meisten Prozessen des Körpers beteiligt.

Seit Jahren gibt es Hinweise darauf, dass sie auch das Herz beeinflusst. So deuten Studien darauf hin, dass Herzinfarkte am Morgen gravierender sind als am Nachmittag. Die französischen Mediziner prüften nun in einer Reihe von Studien, ob die Tageszeit auch Einfluss hat auf Operationen am offenen Herzen - in diesem Fall auf den Austausch der Aortenklappe. Bei dem mehrstündigen Eingriff wird die Durchblutung des Organs zeitweilig unterbrochen.

Zunächst verglichen sie fast 600 Patienten der Uniklinik Lille miteinander: Die eine Hälfte von ihnen wurde morgens operiert, die andere am Nachmittag. Die - ansonsten weitgehend gesunden - Teilnehmer wurden von vier erfahrenen Herzchirurgen behandelt, die täglich zwei solche Eingriffe vornahmen, morgens und nachmittags.

Nur halb so oft Probleme bei am Nachmittag operierten Patienten

In den eineinhalb Jahren nach der Operation erlebten 54 morgens operierte Patienten (18,1 Prozent) ein größeres Problem wie etwa Herzinsuffizienz oder Herzinfarkt. In der gleich großen anderen Gruppe waren es nur 28 (9,4 Prozent), also etwa mehr als die Hälfte. Solche Probleme könne man bei jedem elften Patienten vermeiden, wenn man den Eingriff nachmittags vornehme, berechnen die Autoren.

Im zweiten Teil der Studie wurden 88 Patienten per Losverfahren entweder morgens oder nachmittags operiert. In beiden Gruppen blieben die Teilnehmer danach im Mittel mit zwölf Tagen ähnlich lange im Krankenhaus. Allerdings wiesen Gewebeproben der am Nachmittag operierten Menschen geringere Schäden auf.

Um dem vermuteten Zusammenhang weiter nachzugehen, analysierten die Forscher zusätzlich insgesamt 30 Proben von Herzgewebe aus beiden Gruppen. Demnach erlangten die Proben der Nachmittagspatienten bei guter Versorgung schneller wieder die Fähigkeit, sich zusammenzuziehen. Eine genetische Untersuchung ergab, dass bei diesen Patienten 287 Gene besonders aktiv waren, die an der Inneren Uhr beteiligt sind. Daraus folgert das Team, dass die Innere Uhr des Körpers auch das Herz beeinflusst. Dies könne die bessere Genesung nach Operationen am Nachmittag erklären, schreiben sie.

Im letzten Schritt prüften die Forscher die Rolle der gefundenen Gene an Mäusen. Künftig könnten Medikamente, die auf diese Gene einwirken, das Herz während der Operation vor Schäden schützen. Allerdings müssten die Resultate noch in größeren Studien bestätigt werden, räumen die Autoren ein.

"Studie ist sehr beeindruckend"

"Am Anfang war ich sehr skeptisch", sagt Friedhelm Beyersdorf, Ärztlicher Direktor des Universitäts-Herzzentrums Freiburg. "Aber diese Studie ist sehr beeindruckend, das Team hat unglaublich sorgfältig gearbeitet." Die Resultate müssten nun in größeren Studien geprüft werden. "In einigen Jahren haben wir dann Klarheit", sagt der Herzchirurg, der dem Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung angehört.

Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, habe dies Folgen für die Planung derartiger Operationen. Das Thema sei umso wichtiger, weil derzeit die besonders komplizierten Eingriffe morgens vorgenommen würden. So habe man im Fall von Komplikationen ausreichend Zeit und Kapazitäten, um optimal reagieren zu können.

In einem "Lancet"-Kommentar beglückwünschen Thomas Bochaton und Michel Ovice vom Hôpital Louis Pradel in Lyon das Team für die gut durchdachte Studie, die überzeugende neue Daten bringe. "Die Autoren haben klar gezeigt, dass der Tag-Nacht-Rhythmus bei Eingriffen zum Austausch der Aortaklappe von klinischer Bedeutung ist." Dies könne schon jetzt Folgen für die Praxis haben. "Auch wenn wir noch keine Arzneien haben, die die Innere Uhr regulieren, könnte man vorschlagen, dass Risikopatienten eher am Nachmittag operiert werden sollten."

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa

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