Paul Neuhäuser "Das ,Etienne' überzeugt mit Zuwachsraten"

Neuss · Der Chef der Augustinus-Kliniken übt Kritik an der Krankenhaus-Strukturreform des Landes und an den Fusionsplänen des Rhein-Kreises.

 Paul Neuhäuser (58) ist seit 2004 Sprecher der Geschäftsleitung.

Paul Neuhäuser (58) ist seit 2004 Sprecher der Geschäftsleitung.

Foto: lue-

Herr Neuhäuser, NRW-Gesundheitsminister Laumann bereitet eine Krankenhaus-Strukturreform vor. Was sagen Sie zu der Initiative?

Paul Neuhäuser Es ist gut, dass die neue Landesregierung erkannt hat, dass in den letzten Jahrzehnten das Land NRW seinen Verpflichtungen in der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser nicht nachgekommen ist. Daher ist es ein richtiger erster Schritt, dass noch in diesem Jahr 250 Millionen Euro zusätzliche Fördermittel bereitgestellt werden sollen. Die Überlegungen des Gesundheitsministeriums, die Bildung von Behandlungsschwerpunkten zu fördern, vollziehen eine Entwicklung nach, die bereits aus eigener Kraft seit einigen Jahren eingesetzt hat. Die teilweise Wiedereinführung der Einzelförderung in der Investitionsfinanzierung halte ich aber für einen deutlichen Rückschritt und führt zu einem Bürokratieaufbau.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen, die St. Augustinus-Kliniken, bei dieser Strukturreform betroffen?

Neuhäuser Die St. Augustinus-Kliniken sind gemeinnützig und ein starker Unternehmensverbund mit Strahlkraft weit über den Rhein-Kreis Neuss hinaus. Wir stehen für Vielfalt, Fortschritt — und Werteorientierung. Wir haben inzwischen rund 70 Standorte, nicht nur im Rhein-Kreis und einige davon haben mit ihrer überdurchschnittlichen Kompetenz bundesweiten Leuchtturmcharakter — so das St. Augustinus-Memory Zentrum oder das Zentrum für seelische Gesundheit in Neuss. Als großes Netzwerk für Gesundheit und Soziales sind wir einzigartig in der Region und anders unterwegs als unser lokaler Wettbewerb. In den letzten Jahren haben wir unter Einbeziehung auch der Angebote außerhalb der Krankenhäuser bereits zahlreiche übergreifende Behandlungsschwerpunkte geschaffen. Als Beispiel sind neben dem Schwerpunkt Demenz, die Neurologie mit der Schlaganfallversorgung, das Brustzentrum, das Darmkrebszentrum, die Gefäßchirurgie und die Adipositasbehandlung zu nennen. Wir sind für die Herausforderungen gut aufgestellt.

Was haben Sie mit der Niederrhein-Klinik in Korschenbroich vor? Können Sie eine Bestandsgarantie geben?

Neuhäuser Wir sind froh, im 20. Jubiläumsjahr der Niederrhein-Klinik das Heft des Handelns nun zu 100 Prozent in die Hand nehmen zu können. Die Niederrhein-Klinik gehört nun ganz zu einem starken, sicheren Verbund in dem es auf jeden Mitarbeitenden ankommt. Der Rehabilitationsmarkt ist ein hart umkämpfter Markt: Neben den bewährten und bekannten Kernkompetenzen Onkologie und Orthopädie, werden wir nach geeigneten Möglichkeiten der Weiterentwicklung suchen. Die Eröffnung der neuen psychiatrischen Tagesklinik und Institutsambulanz St. Fabiola war ein erster Schritt zur Stärkung des Standorts Korschenbroich.

Sie geben den Umsatz Ihrer St. Augustinus-Gruppe mit 307 Millionen Euro an. Verdienen Sie auch Geld?

Neuhäuser Natürlich, wir schreiben in allen Gesellschaften schwarze Zahlen und stecken den Überschuss von acht bis zehn Millionen Euro jährlich wieder voll in unsere Einrichtungen, um notwendige Investitionen tätigen zu können und die Versorgung der Menschen zu verbessern. Wir werden auch mittelfristig unsere Investitionen und Kapitaldienste selbst verdienen.

Jeder fünfte Euro den Sie in den vergangenen fünf Jahren investiert haben, kam vom Land. Das waren 26 Millionen bei einem Gesamtvolumen von 123 Millionen Euro. Kommen Sie mit diesen Zuschüssen klar?

Neuhäuser Wir mussten damit klar kommen. Das belegt ein Blick in die Bilanz. Aber das Land wird — zumindest nach derzeitigem Stand — nur noch mit elf Prozent an den Investitionen beteiligen. Die Länder kommen ihren Verpflichtungen nicht nach. Wir halten in den kommenden fünf Jahren Investitionen von 160 Millionen Euro für erforderlich; davon entfallen 116 Millionen auf unsere Krankenhäuser und die psychiatrischen Fachkliniken. Da sind die von der Landesregierung angekündigten zusätzlichen Mittel aus dem Entfesselungsgesetz, für uns rund 1,5 Millionen Euro, nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die St.-Augustinus-Kliniken werden als eine gemeinnützige GmbH geführt. Wie bilanzieren Sie den menschlichen Mehrwert im Haus?

Neuhäuser Menschlichkeit zeichnet die St.-Augustinus-Kliniken seit jeher aus. Unsere Aufgaben - sowohl im Medizinischen als auch im Sozialen - gehen auf die Dienste zurück, die in Neuss bereits von den Augustinerinnen und den Alexianer-Brüdern im Zeichen der Nächstenliebe an den Menschen geleistet wurden. Dieser Geist lebt in unseren Häusern weiter. Die Arbeit bei den St.-Augustinus-Kliniken ist anspruchsvoll, abwechselungsreich und immer sinnstiftend - das macht den Unterschied zu vielen anderen Jobs. Davon profitieren nicht nur unsere Mitarbeiter, sondern auch unsere Patienten und Klienten: Wir erbringen Leistung von Menschen für Menschen. Unsere mehr als 5000 Mitarbeiter kommen aus 68 Nationen, sie üben 158 verschiedene Berufe aus. Wir bilden allein in 13 verschiedenen Berufen aus.

Was bedeutet das in der Praxis?

Neuhäuser Viele Mitarbeiter kommen zu uns, weil wir ein stabiler Arbeitgeber sind, dessen Werte deckungsgleich mit ihren sind. Das ist ein hohes Gut. Ein Beispiel: Wir haben die Suppenküche der Alexianer übernommen. Die Essensausgabe leisten Tag für Tag unsere Mitarbeitenden. auch jene aus der Verwaltung. Ehrenamtlich. Wir verzichten dieses Jahr auf Weihnachtskarten und spenden davon ein Weihnachtsessen mit Bescherung für Bedürftige in der Suppenküche. Die Geschenke kommen von unseren Mitarbeitenden. Auch so kann man Werte leben und erleben.

Schön und gut, aber auch Sie tun sich schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Was unternehmen Sie da?

Neuhäuser Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein, der bei Dienstleistungen rund um die Uhr dennoch flexible Arbeitszeitmodelle realisiert, um Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Und wir zahlen gut. Eine examinierte Krankenschwester erhält 48.741 Euro brutto als Jahresgehalt. Auszubildende in der Pflege liegen mit ihrer Vergütung an der Spitze aller Ausbildungsberufe. Sie erhalten 1.154 Euro im Schnitt pro Monat in den drei Ausbildungsjahren. Zum Vergleich: Angehende Bankkaufleute erhalten 1.019 Euro, Köche 765 Euro und Verkäufer 794 Euro.

In Japan werden die ersten Pflegeroboter eingesetzt ...

Neuhäuser Ja, aber die Maschinen kann ich mir nur als Unterstützer vorstellen. Wir werden mehr Pfleger benötigen, weil die Nachfrage nach Pflege steigen wird. Bisher war die Pflege weiblich, wir werden die Pflegeberufe für Männer attraktiver machen müssen. Ich glaube uns steht da ein Kulturwandel bevor und wir werden diesen aktiv mitgestalten. Neben unseren vielfältigen Initiativen in der Flüchtlingshilfe bereiten wir gerade zusätzlich ein Modellprojekt vor, in dem Flüchtlinge fit für die Pflegeausbildung gemacht werden.

Was ist neu an Ihrem neuen Medizinischen Zentrum für erwachsene Behinderte, kurz MZEB genannt?

Neuhäuser Dieses Angebot passt in unser Portfolio und zeigt unseren Anspruch hinsichtlich der Menschlichkeit, auch weil wir über die Sektoren nach Vernetzungsmöglichkeiten suchen und sie finden. Auch Menschen mit Behinderung werden einmal krank. Das Ergebnis: Sie überfordern oft die Ärzte, Pfleger, andere Patienten und sich selbst. Wir geben mit unserem MZEB eine Antwort und haben nun die Genehmigung und die Zulassung durch die Kassenärztliche Vereinigung.

Die kommunalen Krankenhäuser in Dormagen und Grevenbroich sowie das "Lukas" könnten fusionieren. Das kann Ihnen doch nicht gefallen?

Neuhäuser Unser Geschäft ist kein Wunschkonzert. Von der Marktsituation her müssten allerdings alle vier Akutkrankenhäuser im Rhein-Kreis - die drei kommunalen Häuser und unser "Etienne" in Neuss - erfolgreich zu führen sein. Wenn nun die Kommunalen fusionieren, verändert sich die Wettbewerbssituation: Statt wie bisher drei, gibt es dann nur noch zwei Träger. Ich denke, das wird sich die Kartellbehörde sehr genau anschauen, ehe sie entscheidet.

Die sich abzeichnende Veränderung macht Sie offenbar nicht nervös?

Neuhäuser Nein, das tut es nicht - ich erwarte für uns wenig Auswirkungen. Unser "Etienne" hat sein Einzugsgebiet im Norden von Stadt und Kreis - und dort ändert sich ja nichts. Wir machen eine gute Versorgung. Das belegen die Zuwachsraten. Das "Etienne" legte im ersten Quartal 2017 bei den abzurechnenden DRG's um 13 Prozent zu und baute seinen Marktanteil auf 27,6 Prozent aus. Das ist einfach gut.

Was erwarten Sie von einer Fusion der kommunalen Krankenhäuser?

Neuhäuser Wir haben ein Interesse daran, dass Krankenhäuser in einer soliden Trägerschaft medizinisch und wirtschaftlich erfolgreich arbeiten. Ich frage mich aber, warum mit der angestrebten Fusion der Fokus so sehr auf geballte Marktmacht gelegt wird. Was wird, wenn da etwas Gemeinsames entsteht und das Ganze gerät in Schieflage? Sehen Sie sich die Häuser in Dormagen und Grevenbroich an. Selbst das ,neue' Haus in Dormagen wird bald 50 Jahre alt. Es sind mit Sicherheit Reinvestitionen erforderlich. Wer verdient später das Geld? Wenn da eine finanzielle Schieflage entsteht, dann ist der gewerbliche Anbieter nicht weit. Der verfügt über ausreichend Risikokapital. Ich habe viele Fragen und erhalte wenig Antworten, warum die Fusion Sinn macht.

LUDGER BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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