Neuer Chef des Klinikums will den Service verbessern

5.11.2017, 05:52 Uhr
Neuer Chef des Klinikums will den Service verbessern

© Foto: Daniel Karmann, dpa

Weniger Wehklagen, mehr "Wow". Wenn Prof. Achim Jockwig schildert, wie er das Klinikum Nürnberg in die Zukunft führen will, klingt es vor allem so, als fehle es im Haus bisher an Selbstbewusstsein. Im Interview mit der NZ äußert sich der Vorstandschef geradezu euphorisch über seinen neuen Arbeitgeber. "Wir sind hervorragend aufgestellt", sagt er wiederholt. Und, im Selbstverständnis eines obersten Motivators: "Wir haben eine tolle Mannschaft, die ist zu Recht stolz auf ihr Haus." Das Klinikum liege an der Spitze, was medizinische Expertise und Ausstattung angeht.

Bei der Leistungsstärke des Klinikums gebe es derzeit nur ein Problem, sagt Jockwig: "Das kommt bisher beim Patienten nicht so an. In der Attraktivität und bei der Weiterempfehlung unseres Hauses können wir noch gewinnen." Wie die meisten Großkrankenhäuser bekommt das ehemalige "Städtische" in Umfragen niedrigere Weiterempfehlungsraten als kleinere Kliniken. Das liegt teils in der Natur der Sache. Im Betrieb mit vielen Hundert Patienten kann zwischen den Abteilungen leichter Wissen verloren gehen, wechseln die Ansprechpartner häufiger, sind die Mitpatienten schwerer krank.

Auch Hotelkräfte könnten mithelfen

Mit einer Service-Offensive will der neue Vorstand das ausgleichen. Denn auch eine Wahrnehmungsverschiebung ist daran schuld, dass Patienten die tatsächliche Behandlungsqualität oft unterschätzen, wenn sie von der persönlichen Betreuung enttäuscht sind, glaubt Jockwig. Während die Umstände des Aufenthalts – Zimmer, Empfang, Speiseplan, Pünktlichkeit – überhöht würden, könne der Laie eher schlecht beurteilen, ob er auf hohem Niveau behandelt werde. "Wir müssen zwingend daran arbeiten, dass unsere hervorragende medizinische und pflegerische Leistung auch beim Patienten gefühlt ankommt."

Dafür sei einerseits bessere Kommunikation nötig. Zum anderen könnten neue Berufsgruppen im Krankenhaus Einzug halten: Hotelfachleute oder andere Betreuungskräfte, die in der Haushaltung und im Patientenmanagement arbeiten. Sie sollen Pfleger und Mediziner entlasten. Jockwig, der zuletzt in Frankfurt eine private Medizinhochschule innerhalb der Hochschule Fresenius leitete, wo er einen Lehrauftrag behält, beruft sich auf sein Forschungsthema des "Physician Assistant". Der in den USA etablierte ärztliche Assistent übernimmt einfachere medizinische Tätigkeiten und erklärt dem Patienten Behandlungsabläufe. Solche Zwitter-Gesundheitsberufe brauche es in Zukunft schon allein deshalb, weil es an klassischen Medizinfachkräften irgendwann auch in der Region Nürnberg mangeln werde.

Neuer Chef des Klinikums will den Service verbessern

© Foto: Rudi Ott, Klinikum

Der 52-jährige Arzt und Gesundheitsökonom hat im September die Amtsgeschäfte von Dr. Alfred Estelmann übernommen, der in den Ruhestand ging. Die Stadt Nürnberg erwartet vom Neuen keine Kursänderung, jedoch unternehmerische Weitsicht. Er soll das Minus in der Kasse – in der jüngsten Jahresbilanz waren es 4,2 Millionen Euro – beheben, wieder die schwarze Null erreichen. Das kommunale Krankenhaus muss trotz des engen Korsetts der gesetzlichen Finanzierungsvorgaben als Nächstes seinen Süd-Standort in Nürnberg-Langwasser sanieren. Auch für das Nordgelände gibt es Ausbaupläne, etwa für ein "Zentrum für seelische Gesundheit".

Die wirtschaftliche Gesundung könne nur durch moderates Wachstum gelingen, sagt Jockwig. "Alles andere wäre aus meiner Sicht töricht und geradezu kontraproduktiv." Das Marktpotenzial, wie er es nennt, sei noch nicht ausgeschöpft. Immer mehr Behandlungen seien heute noch im hohen Lebensalter sinnvoll. Es gebe daher keinen Grund, Abteilungen zu schrumpfen oder unrentable Behandlungsfälle abzulehnen – "wir haben einen Versorgungsauftrag als Maximalversorger, wir sind für alle da, und das wird auch so bleiben". Personalabbau oder gar Entlassungen kämen nicht infrage.

Vor einem Jahrzehnt sanierte Jockwig im Dienst der Schweizer Klinikbetreibergruppe Ameos das Krankenhaus in Halberstadt. Es war drastisch defizitär, seine Wachstumsstrategie brachte den Aufschwung. Das Haus ist aber schon wegen der Größe mit Nürnberg nicht vergleichbar. Er sei nicht als Sanierer angetreten – einfach deshalb, weil es keinen Sanierungsbedarf gebe.

Guter Personalstand

Personalknappheit, Kostendruck, Fehl- und Überversorgung – dem verbreiteten Klagelied über die Krankenhäuser mag sich Jockwig nicht anschließen, wenn er derzeit die Stationen und Konferenzen im Klinikum abklappert. "Wir sind gut besetzt. Auch wenn es sicher Mitarbeiter gibt, die das anders sehen", sagt er. "Ich finde es schade, dass die Pflege im Krankenhaus schlechtgeredet wird, sie ist ein attraktiver Beruf und nicht so schlecht vergütet, wie es immer hingestellt wird." Seine gigantische Vorstellungsrunde dauert noch an. 6200 Mitarbeiter hatte er bisher noch nicht unter sich. "Ich gehe oft unangemeldet vorbei, stelle Fragen und lasse mir alles erklären, das klappt hervorragend."

Er spüre den nötigen "Mannschaftsgeist", versichert der Krankenhausmanager, der ursprünglich Internist war und mit seiner Familie aus Hessen hergezogen ist. Am Klinikum seiner Heimatstadt Darmstadt spezialisierte er sich auf die Gastroenterologie, dann sei er eher beiläufig im Management gelandet, erzählt er. "Ich hatte nie vor, den weißen Kittel an den Nagel zu hängen. Ich war immer gerne in der Patientenversorgung, und ich würde auch wieder Medizin studieren."

Erstmals führt nun jemand das Klinikum, der seine Karriere nicht schon hier begann. Der Blick von außen tue dem Haus gut, Achim Jockwig ist sich sicher.

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