Gesundheitsministerium:Datenschatz der Krankenkassen weckt Begehrlichkeiten

Hybrid-Operationssaal im Klinikum München-Süd, 2016

Mit den Krankenkassendaten lässt sich womöglich nachvollziehen, wie Arzneimittel wirken oder wie gut bestimmte Kliniken und Arztpraxen ihre Patienten behandeln.

(Foto: Robert Haas)
  • Die riesige Datensammlung der Krankenkassen ist für Wissenschaftler ein ungehobener Schatz.
  • Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will Wissenschaftlern solche Daten schneller als bisher zur Verfügung zu stellen.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Jede Diagnose, die Ärzte stellen, die Medikamente, die sie verschreiben, all diese Informationen werden gesammelt und gespeichert - nämlich von den Krankenkassen, die Gesundheitsleistungen bezahlen. Die riesige Datensammlung, die aus diesen Abrechnungen entsteht, ist für Wissenschaftler ein ungehobener Schatz.

Denn mit den Krankenkassendaten könnten sie zum Beispiel nachvollziehen, wie Arzneimittel wirken, wie sich Krankheiten entwickeln oder auch, wie gut bestimmte Kliniken und Arztpraxen ihre Patienten behandeln. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will Forschern nun den Zugriff auf diese Daten erleichtern. In einem Verordnungsentwurf, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, schlägt er vor, Wissenschaftlern anonymisierte Kassendaten schneller als bisher zur Verfügung zu stellen. Anstatt wie bisher vier Jahre sollen Forscher künftig nicht mehr länger als zwei Jahre auf die anonymisierten Datensätze warten. Außerdem sollen auch Informationen von Patienten aufgehoben werden, die bereits verstorben sind.

38 Forschungsanträge in zwei Jahren

Die Möglichkeit, Krankenkassendaten für die Forschung zu nutzen, besteht erst seit drei Jahren. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Dimdi) hütet im Auftrag des Gesundheitsministeriums die Informationen der Versicherten. Das Institut überprüft die Anträge der Forscher und wertet für sie die Daten aus. Das funktioniert so: Forscher schicken elektronische Statistikskripte an das Institut, das Institut schickt die Ergebnisse zurück. Doch für viele Wissenschaftler ist dieser Vorgang zu aufwendig und langwierig. Auch deshalb wurden in zwei Jahren insgesamt bloß 38 Forschungsanträge eingereicht, heißt es in einer Auswertung des Dimdi: "Diese Zahl liegt weit hinter den ursprünglichen Annahmen".

Mit der neuen Verordnung können Wissenschaftler die Daten nun zwar in Ausnahmefällen selbst einsehen, aber nur "in den Räumen" des Instituts.

Minister Gröhe hat versucht, den Spagat zu schaffen, einerseits den Zugang für Forscher zu erleichtern und andererseits die sensible Krankheitsgeschichte der Versicherten zu schützen. Forscher sollen sich künftig selbst verpflichten können, aus den Kassendaten keine Rückschlüsse auf einzelne Patienten zu ziehen. Und falls ihnen doch Details zu Patienten unterkommen, sollen sie diese geheim halten. Auch "Dritte" dürfen Forscher künftig beraten und Daten einsehen. Durch diese Lücke könnten auch private Unternehmen Einblick in sensible Daten erhalten.

"Belege für manipulative Aktivitäten"

Trotz dieser Lockerungen werde Gröhes neue Verordnung jedoch wenig an der geringen Antragszahl ändern, sagt der Hamburger Gesundheitsökonom Jonas Schreyögg. "Um die Qualität der Gesundheitsversorgung zu untersuchen, ist dieser Datensatz so bisher nicht nutzbar", sagt er. Arztpraxen und Krankenhäuser können etwa nicht identifiziert werden. Das müsse die künftige Bundesregierung ändern, fordert er.

Zudem stehen Krankenkassen und Ärzte seit längerem in der Kritik, die Abrechnungsdaten der Patienten zu manipulieren. Ihnen geht es dabei um Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds, die sie nur dann bekommen, wenn sie Menschen mit gewissen schweren Krankheiten versichern.

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesversicherungsamts hat jüngst "Belege für manipulative Aktivitäten" gefunden. Aus einer "depressiven Verstimmung" wird in der Kassenabrechnung etwa schnell eine "Depression". Jochen Dreß vom Dimdi-Institut sagt: "Man müsste deutlich mehr Geld in die Qualitätskontrolle der Daten stecken." Bei der Interpretation der Forschungsergebnisse sei auch deshalb "eine gewisse Zurückhaltung angeraten", sagt er.

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