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Umstrittene Wirkung von Stents
Aus Puls vom 20.11.2017.
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Jeder fünfte Stent überflüssig?

Stents gelten als Wunderwaffe der Herz-Medizin und werden entsprechend oft eingesetzt. Eine neue Studie sagt nun, dass sie zu oft verwendet werden: Bei stabiler Angina pectoris etwa würde ein Stent kaum mehr Vorteile als Medikamente bringen.

Stents sind kleine netzartige Röhrchen aus Metall. Mit einem Katheter werden sie in verengte Arterien des Herzens eingesetzt und lassen das Blut wieder frei zirkulieren. Gerade bei Herzinfarkten wirken Stents Wunder und haben unzählige Menschenleben gerettet. Weit über 27’000 der Netzröhrchen wurden 2016 in der Schweiz eingesetzt.

Die Orbita-Studie aus England zeigt nun auf, dass Medikamente oft gleich gut wirken wie Stents. Gerade wenn kein Herzinfarkt vorliegt und die Patienten wegen Druck oder Stechen in der Brust behandelt werden, kann ein Stent laut der Studie die Beschwerden der Betroffenen nicht besser lindern als Medikamente – und auch deren Leistungsfähigkeit ist nicht grösser.

Medikamente müssen die Patienten auch einnehmen, wenn sie einen Stent haben.
Autor: Thomas Rosemann Professor für Hausarztmedizin, USZ

Die gut 200 Teilnehmer der englischen Orbita-Studie wurden alle einer Katheter-Untersuchung unterzogen. Der einen Gruppe wurde dabei ein Stent eingepflanzt, der anderen nicht. Die Teilnehmer selber wussten nicht, zu welcher Gruppe sie gehörten. Deshalb sei die Studie vorbildlich und müsse ein Warnschuss für alle Kardiologen sein, sagt Thomas Rosemann, Professor für Hausarztmedizin an der Universität Zürich. «Die Studie zeigt, dass viele Patienten mit stabiler Angina pectoris mit medikamentöser Behandlung besser wegkommen – denn Medikamente müssen sie auch einnehmen, wenn sie einen Stent haben.» Untersucht wurden Personen, bei denen nur ein Herzkranzgefäss von einer Durchblutungsstörung betroffen ist.

Zweifel an der Wirkung

Laut der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie werden etwa 40 Prozent aller Stents nach akuten Herzinfarkten eingesetzt. Etwa 20 Prozent werden bei Personen angewendet, wie sie in der Studie untersucht wurden. Demnach könnte laut der Studie jeder fünfte Stent nicht das Mittel der Wahl sein. Genau 40 Jahre nach dem ersten Ballon-Katheter-Eingriff am Herzen durch Andreas Grüntzig am Unispital Zürich sieht sich die Stent-Technologie einmal mehr scharfer Kritik ausgesetzt.

Stents als lukrative Einnahmequelle

Denn Stents zu setzen ist finanziell interessant: Für eine Herzkatheter-Untersuchung erhalten Spitäler eine Fallpauschale von zirka 4500 Franken. Setzen die Herz-Spezialisten dabei einen Stent, erhöht sich die Pauschale auf etwa 9000 Franken. Darin enthalten sind sämtliche Materialkosten: Jeder einzelne Stent kostet je nach Modell 1000 bis 2000 Franken. Kritiker wie Thomas Rosemann sagen, Stents würden von Spitälern als Einnahmequelle missbraucht. Hier widersprechen die Kardiologen: Bereits heute werde jeder einzelne Stent erst nach guter Abklärung eingesetzt. Gerade bei Patienten mit stabiler Angina pectoris würden schon heute erst andere Therapie-Ansätze ausprobiert, bevor ein Stent erwägt werde.

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