Berlin. Privatversicherte, Selbstzahler und Bedürftige zahlten nicht ­– Klinik konnte die Außenstände nicht eintreiben

Das Universitätsklinikum Charité hat erhebliche Probleme, Geld von Privatpatienten, ausländischen Patienten und anderen Selbstzahlern einzutreiben. In den vergangenen Jahren sind der Charité viele Millionen Euro für geleistete Behandlungen entgangen. Ein Faktor dabei war, dass sie internationalen Patienten keine ordentlichen Rechnungen gestellt hatte und es versäumte, sie zu mahnen.

Allein im laufenden Jahr musste die Charité 3,3 Millionen Forderungen gegen ausländische Selbstzahler abschreiben. Auch im Jahr davor hatten die Klinik-Manager Millionensummen aus der Bilanz herausgebucht.

Der Uni-Klinik tut jede verlorene Million weh. Die Charité müht sich seit Jahren erfolgreich, rote Zahlen zu vermeiden. In diesem Jahr drohe jedoch ein bilanzieller Verlust, warnte Charité-Chef Karl Max Einhäupl im Sommer in einer vertraulichen Sitzung des Beteiligungsausschusses im Abgeordnetenhaus.

In dieser nicht öffentlichen Runde bezifferte der oberste Controller der Charité, Robert Jacob, die direkten Forderungen gegenüber Patienten mit 60 bis 70 Millionen Euro, wobei es keineswegs nur um reiche Selbstzahler geht, sondern auch um Flüchtlinge und Mittellose. „Die sind auch nicht immer einfach einzubringen. Das sind die problematischen“, so der Controller. Oft handele es sich aber auch um unversicherte Aus- oder Inländer, die in der Notaufnahme behandelt würden. Dann sei es relativ schwierig, das Geld bezahlt zu bekommen.

Die meisten aus Russland, Saudi-Arabien, Libyne und Australien

Bis vor Kurzem tat sich die Charité aber auch sehr schwer, von wohlhabenden ausländischen Privatpatienten die Kosten für Operationen und Behandlungen einzutreiben. In den letzten fünf Jahren mussten sieben Prozent der Forderungen ganz oder teilweise abgeschrieben werden, wie die Charité auf eine parlamentarische Anfrage der FDP einräumte. Nach Nationalitäten stammen die meisten säumigen Zahler aus Russland, Saudi-Arabien, Libyen und Australien.

2015 attestierte der Landesrechnungshof dem Bereich International Health Care derartige Mängel, dass die Charité-Spitze eingreifen und personelle Konsequenzen ziehen musste. Die Tochter-Firma Charité Healthcare Services (CHS) stellte drei Vollzeitkräfte ein, um Forderungen nachzugehen: „Es gelingt nun zeitnah und fristgerecht, Abrechnungen zu erstellen und konsequent zu mahnen“, heißt es im CHS-Geschäftsbericht von 2016.

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) sagte, dem Charité-Aufsichtsrat sei wichtig, dass die Charité ihren Forderungsbestand weiter reduziert. „Dazu haben wir einen aktuellen Bericht angefordert, der in Kürze vorliegen soll“, so der Politiker, der für den Aufsichtsratsvorsitzenden und Regierenden Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) agiert. Inzwischen liege die Charité bei der Verlustquote für Forderungsausfälle bei ausländischen Patienten bereits deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt. Der Vorstand arbeite intensiv an der weiteren Optimierung der Abrechnungsprozesse, so Krach. Ein Charité-Sprecher sagte, wo es um Kostenübernahmen durch Botschaften gehe, habe die Klinik ihre Praxis umgestellt und akzeptiere nur noch Vorkasse.

10.128 ausländische Selbstzahler von 2010 bis 2016

Insgesamt hat sich das Geschäft mit reichen Arabern oder Russen aber nicht so entwickelt wie erwartet. Vor einigen Jahren galten Medizintouristen als lukrative Einnahmequelle.

2010 bis 2016 versorgte die Charité nach Angaben eines Sprechers 10.128 ausländische Selbstzahler stationär. Das Klinikum setzte in diesem Zeitraum 130 Millionen Euro mit den betuchten Gästen um. Es hätten wohl mehr sein können. Aber der Aufsichtsrat hatte nach Informationen aus dem Gremium wegen der vielen offenen Rechnungen darauf gedrängt, erst diese Probleme zu beheben, ehe weiter reiche Privatpatienten aus dem Ausland akquiriert werden sollten.

Charité-Vorstandschef Einhäupl führt die Schwierigkeiten im Werben um reiche Selbstzahler auch auf den schlechten Zustand vieler Gebäude zurück. Ausländische Patienten kämen auf Charité-Stationen und „drehen auf dem Fuß um und gehen wieder weg“, sagte Einhäupl im Ausschuss. Menschen aus Russland oder den Golfstaaten, die das Geld hätten, sich in Deutschland behandeln zu lassen, seien „andere Standards gewöhnt“.