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Josef-Hospital Delmenhorst Ein Krankenhaus und viele Fragen

In der Ratssitzung am Dienstag (17 Uhr, Markthalle) wird es nur um die Frage gehen, ob die Stadt ihr Krankenhaus in einem nie dagewesenen Kraftakt rettet. Doch es geht um mehr als nur ein Hospital.
26.11.2017, 19:50 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Ein Krankenhaus und viele Fragen
Von Andreas D. Becker

Delmenhorst. 20 Millionen Euro werden bis 2020 noch ins Krankenhaus fließen müssen, damit das Haus überlebt und neu aufgestellt werden kann. Das sagen, wie bereits berichtet, die Sanierer, die am 1. Dezember das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnen. Das werden sie auf alle Fälle machen, egal ob die Stadt dann noch als Besitzer mit im Boot sitzt oder aussteigt. Am Dienstag muss sich die Ratspolitik positionieren, ob die Stadt das Krankenhaus komplett übernehmen soll. Beginn der wegweisenden Sondersitzung ist um 17 Uhr in der Markthalle.

In der Debatte wird es neben der Aufarbeitung der Managementfehler sicherlich auch um einige andere wichtige Fragen gehen. Zumal bei der Sitzung des Verwaltungsausschusses am vergangenen Donnerstag neben der Standardbesetzung mit 14 Beigeordneten und Grandmandatsträgern nach Informationen des DELMENHORSTER KURIER nur eine Handvoll Ratsleute die Chance zur Information mit den an der Sanierung federführend beteiligten Rechtsanwälten um Sachwalter Rainer Eckert und Berater Mark Boddenberg nutzten. Der Verwaltungsausschuss steht grundsätzlich allen Ratsmitgliedern als Zuhörer offen. Wenn sich die Politiker dafür aussprechen, dass das Haus komplett rekommunalisiert wird, wird der Einfluss des Rates über Aufsichtsrat und Gesellschaftversammlung vorerst bei null sein, Herr des Verfahrens ist dann ausschließlich der noch zu berufene Insolvenzverwalter. Eine Übersicht über wichtige Punkte, die eine Rolle spielen bei der nun anstehenden Entscheidung.

Der Förderbescheid

70 Millionen Euro erhält Delmenhorst von Land und Bund zum Bau des neuen Krankenhauses in der Innenstadt. Das Geld sei auch nicht durch die kommende Insolvenz gefährdet, sagte Oberbürgermeister Axel Jahnz am Freitag. Entsprechende Gespräche in Hannover wurden geführt, das Sozialministerium steht weiter dazu, den radikalen Umbau des Delmenhorster Krankenhauses zu begleiten. Der Förderbescheid ist übrigens der höchste, den die Stadt je bekommen hat. Jahnz: „Dafür hat man gefälligst zu kämpfen.“

In dem Zusammenhang betonte Jahnz erneut, dass der Bescheid einen Neubau am Standort Mitte vorsieht. „Das ist nicht zu diskutieren.“ Der alte Standort Wildeshauser Straße wird wohl absehbar Geschichte sein, auch wenn politisch immer wieder die Standortdebatte aufploppt. Teil des Antrags für die 70 Millionen Euro war auch das medizinische Konzept des neuen Krankenhauses. Auch an dem ist nicht mehr zu rütteln, wenn die Förderung nicht in Gefahr geraten soll. Aufgrund der aktuell eingetretenen Neuausrichtung des Hauses wird sich laut Jahnz beim Neubau eine Verzögerung ergeben. Er rechnet derzeit damit, dass sich alles um ein halbes Jahr nach hinten schiebt. Die Planungsarbeiten liefen im Hintergrund voll weiter.

Die Stiftung St. Josef

90 Prozent des Krankenhauses gehören der katholischen Stiftung, zudem sind die Grundstücke in der Innenstadt sämtlich in kirchlicher Hand. „Die Gespräche laufen intensiv“, sagte Jahnz. Verhandlungsführer sind derzeit die juristischen Berater. „Seit zehn Tagen sind wir auf einem hervorragenden Weg, es gibt bereits einen Letter of Intend“, erklärte Boddenberg. Die katholische Kirche sei ausgesprochen konstruktiv und verfolge auch das Ziel, dass das Krankenhaus in Delmenhorst gut fortgeführt wird.

Die Mitarbeiter

Derzeit arbeiten die beiden Belegschaften des ehemaligen Stifts und des ehemaligen Klinikums zwar in einem Haus, aber aufgeteilt in zwei Gesellschaften, einmal bezahlt nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) und nach dem Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Deutschen Caritasverbandes, also nach kirchlichem Recht, dem sogenannten dritten Weg. Der wird nun verlassen, alle Arbeitnehmer werden im nächsten Jahr in den öffentlichen Dienst überführt. „Diese Gruppen, die zusammengehören, werden nun endlich zusammengeführt“, erklärte Boddenberg. Durch den Rückzug der Kirche aus dem Krankenhaus lässt sich der Wechsel eh nicht verhindern, er hat aber auch arbeitsorganisatorisch für die neue Krankenhausleitung Vorteile. Einbußen haben die ehemals kirchlichen Mitarbeiter nicht zu befürchten, sagte Boddenberg. Das ist auch eindeutig so in Paragraf 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Derzeit wird mit der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (KZVK) über die Altersvorsorge der Stift-Beschäftigten geredet, von dort scheint dem Übergang nichts im Wege zu stehen. Allerdings werden im Rahmen der Sanierung 112 Vollzeitstellen gestrichen.

Das Vertrauen

Ein Hauptpunkt, warum das Krankenhaus 2017 in die bis dato existenzbedrohendste Krise für eine Delmenhorster Klinik rutschte, ist das schwindende Vertrauen der Bevölkerung. Da ist zum einen die Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels Högel, die dem Haus seit Jahren zu schaffen macht. Aber auch das sehr schnelle Zusammenführen des katholischen St.-Josef-Stifts und des städtischen Klinikums zum Josef Hospital Delmenhorst sowie die vorübergehende Zusammenlegung beider Häuser am Standort Wildeshauser Straße hat laut Experten-Analyse dafür gesorgt, dass die Menschen lieber andere Kliniken aufsuchen. Die Identifikation der Delmenhorster mit ihren Krankenhäusern ist zurückgegangen, nur 55 Prozent der Patienten in der Stadt, die ins Krankenhaus gehen müssen, tun dies in Delmenhorst. Normal wäre ein Wert von rund 80 Prozent. Zu guter Letzt überweisen viele Delmenhorster Ärzte ihre Patienten eher nach Bremen und Oldenburg als ins Josef-Hospital.

„Das Sanierungskonzept ist an der Stelle sehr realistisch“, sagte Boddenberg. Eingepreist wurde seitens der Fachleute, dass es rund drei bis vier Jahre dauern wird, dieses Vertrauen wieder herzustellen. Entsprechend wurde eingepreist, was es kostet, wenn in dieser Zeit weniger Patienten aufgenommen und behandelt werden. Das auch dadurch bedingte Minus ist in den 20 Millionen Euro, die die Stadt bezahlen muss, bereits enthalten.

Die 20 Millionen Euro

Das Geld hat die Stadt natürlich nicht einfach auf der hohen Kante liegen. Die Finanzierung wird größtenteils über neue Kredite laufen müssen. „Dafür reicht es nicht aus, dass wir das Krankenhaus haben wollen, auch die Stadt bekommt das Geld nur, wenn die Fortführungsprognose vorliegt“, erklärte Jahnz. Allein im kommenden Jahr wird die Stadt 13,8 Millionen Euro in das Krankenhaus geben müssen. Zum Vergleich: Die Summe aller Investitionen soll im kommenden Jahr laut Haushaltsentwurf 15,3 Millionen Euro betragen. Da natürlich nicht alle anderen Aufgaben ruhen sollen und können, muss sich die Stadt erheblich neu verschulden.

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