Ansbach:Teuer bezahlt

Ansbach: Umstritten: Klinikvorstand Helmut Nawratil.

Umstritten: Klinikvorstand Helmut Nawratil.

(Foto: Bezirkstag)

Bezirkskliniken müssen ehemaligen Mitarbeiter abfinden

Von Uwe Ritzer, Ansbach

Formal ist es ein gerichtlicher Vergleich, einer allerdings, der die Bezirkskliniken Mittelfranken eine sechsstellige Summe kostet. Und der zugleich Helmut Nawratil blamiert, den umstrittenen Chef des Klinikunternehmens, in dem der Bezirk Mittelfranken seine psychiatrischen Krankenhäuser und Therapieeinrichtungen gebündelt hat. Die Bezirkskliniken müssen ihren ehemaligen Bereichsleiter für das Bauwesen großzügig abfinden, der interne Missstände moniert hatte und kurz darauf gefeuert wurde. Und das mit einer bizarren, juristisch unhaltbaren Begründung: Der Mitarbeiter habe Geheimnisverrat begangen, weil er Bezirkstagspräsident Richard Bartsch über die Missstände informiert hatte.

Nun ist Bartsch (CSU) aber kein Außenstehender, sondern Vorstand des Verwaltungsrates, des obersten Organs der Bezirkskliniken also. Jenes Aufsichtsgremiums, das Vorstand Nawratil kontrollieren soll. Von Geheimnisverrat an einen externen Dritten, wie Nawratil ihn witterte, kann also nicht die Rede sein.

Überhaupt liefert der vor dem Arbeitsgericht verhandelte Fall einmal mehr tiefe Einblicke in das bizarre Innenleben der Bezirkskliniken. Seit Monaten steht deren Chef Nawratil unter Druck, nachdem allerhand Kuriositäten etwa um seinen Campingbus-Dienstwagen, aber auch handfeste Vorwürfe gegen ihn laut geworden waren. Es geht um selbstherrlichen Führungsstil oder fragwürdiges Geschäftsgebaren etwa bei Auftragsvergaben. Gegenüber dem Verwaltungsrat als oberstem Kontrollorgan soll Nawratil auch nicht immer die volle Wahrheit gesagt haben, jedenfalls werfen ihm das Kritiker etwa der Bezirkstagsgrünen vor. Deren Bezirksrat Daniel Arnold attestiert Nawratil "brachiale Methoden" im Umgang mit dem Aufsichtsgremium.

Der Arbeitsgerichtsprozess um den ehemaligen Baubereichsleiter würde in gut geführten Unternehmen mutmaßlich zum Anlass genommen, das Handeln des Chefs kritisch zu hinterfragen. Stefan B. war eigens von einem namhaften Industriekonzern abgeworben worden, um den Baubereich der Bezirkskliniken neu zu organisieren und zu führen. Am 1. September 2016 trat er seinen Dienst in Ansbach an. Was er vorfand, entsetzte ihn, wie einem Dossier zu entnehmen ist, das er Ende Januar 2017 an Nawratil schrieb.

Er attestierte den Bezirkskliniken haarsträubende Planungsfehler und Versäumnisse, unrealistische Kosten- und Zeitplanungen, sowie Auftragsvergaben ohne die notwendigen Ausschreibungen bei nahezu allen großen Bauvorhaben.

Nawratil, so trugen B. und sein Anwalt Robert Hartmann dem Gericht vor, legte daraufhin ein Psychopapier vor, in dem er beschrieb, wie er Stefan B. sieht und wie er ihn haben will. Unter anderem hieß es, B. sei ein Jammerer, der "Löser statt Problemsucher" werden müsse. B. sollte das per Unterschrift anerkennen, weigerte sich aber und wurde kurz darauf fristlos gekündigt. Angeblich wegen des zwischenzeitlichen Geheimnisverrats an Bezirkstagschef Bartsch.

Die Bezirkskliniken kommt all dies nun teuer zu stehen. Sie müssen Stefan B. sein komplettes Gehalt bis Jahresende nachzahlen, dazu eine Abfindung. Alles in allem ein sechsstelliger Betrag. Ein tadelloses Zeugnis muss der Familienvater obendrein bekommen. Eine Sprecherin der Bezirkskliniken wollte den Vergleich auf Anfrage nicht kommentieren.

Die von B. in seinem Dossier beschriebenen Mängel scheinen bis heute nicht beseitigt zu sein. Große Baumaßnahmen, etwa in Fürth und Erlangen, kommen nicht voran. "Ein einziges Fiasko", sagt ein Insider. Kaum ein Projekt bewege sich im realistischen Zeit- und Kostenplan, organisatorisch herrsche in der Abteilung teilweise Chaos. Mitarbeiter sehen Nawratil in der Verantwortung, nicht aber der Verwaltungsrat; Bezirkstagspräsident Bartsch, CSU und SPD stehen treu zum umstrittenen Klinikchef.

Statt die Vorgänge schnell und glaubwürdig aufzuarbeiten soll eine Sonderprüfung zeitlich so gestreckt werden, dass sie den Bezirkstagswahlkampf nicht womöglich mit unerwünschten, weil wenig schmeichelhaften Ergebnissen für die beiden großen Parteien stört. Ansonsten geht alles weiter wie bisher; vom 1. Januar an wird Nawratil sogar knapp die Hälfte mehr Gehalt beziehen.

Mitunter treiben die Verhältnisse bei den Bezirkskliniken auch kuriose Blüten. So saß beim Prozess um Stefan B.s Entlassung der Personalchef der Klinikfirma im Gerichtssaal, um deren Interessen zu vertreten. Dabei hat der Mann seinerseits schon gekündigt. Wie viele andere Führungskräfte vor ihm.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: