1. Wetterauer Zeitung
  2. Wetterau
  3. Bad Nauheim

Gesundheitszentrum: Bad Nauheim vor dem Ausstieg

KommentareDrucken

Will die Stadt Bad Nauheim Gesellschafter des Gesundheitszentrums Wetterau bleiben, muss sie etliche Milionen Euro aufbringen. Bürgermeister Klaus Kreß möchte dieses Risiko nicht tragen.

Akutkliniken haben stets mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das gilt auch für Häuser des Gesundheitszentrums Wetterau. Die beteiligten Kommunen müssen viel Geld in die Hand nehmen und werden mit Finanzierungswegen konfrontiert, die ehrenamtliche Politiker kaum noch durchschauen. Die Stadt Bad Nauheim wird wohl eine überraschende Konsequenz aus diesen Problemen ziehen.

Schweren Herzens hatten die Bad Nauheimer Politiker 2005 die alleinige Verantwortung für das Hochwaldkrankenhaus abgegeben, das im Klinikverbund der Gesundheitszentrums Wetterau (GZW) gGmbH aufging. Weil die städtische Klinik im Vergleich zum Bürgerhospital Friedberg und Kreiskrankenhaus Schotten-Gedern wirtschaftlich gut dastand, entfielen auf die Kurstadt 50 Prozent der Gesellschaftsanteile. Von Beginn an gab es unter den Stadtverordneten kritische Stimmen: Sie sahen zwar die Notwendigkeit zur Bildung größerer Einheiten, um das Überleben der Klinik zu sichern, andererseits bestand die Furcht, Defizite der anderen Häuser mittragen zu müssen.

Debatte erhält neuen Auftrieb

Diese Debatte hat jetzt neuen Auftrieb erhalten. Auslöser war ein unerwarteter Vorstoß von Landrat Joachim Arnold (Vorsitzender GZW-Gesellschafterversammlung) zur Erhöhung des Stammkapitals der gGmbH um 15 Millionen Euro bis 2022. Hintergrund: Ein bis zu 11 Millionen Euro schwerer Kassenkredit für das GZW muss getilgt werden, in den Jahren 2015 und 2016 ist in den Kliniken zudem ein Millionendefizit entstanden, weiterhin muss ein etwa 30-prozentiger Anteil am 60-Millionen-Euro-Investitionsvolumen für den geplanten Anbau am Hochwaldkrankenhaus finanziert werden.

Angesichts solcher Summen steht Bad Nauheim am Scheideweg – mitzahlen oder aussteigen? Bürgermeister Klaus Kreß hat sich entschieden: »Ich habe vorgeschlagen, dem Kreis unsere 50 Prozent am GZW zu verkaufen. Aus den Gremien habe ich keinen Widerspruch gehört.« Wirtschaftsprüfer sollen die städtischen Anteile bewerten.

Stadt müsste 20 Millionen Euro aufbringen

Bleibe die Stadt Gesellschafter, müsse sie in naher Zukunft um die 20 Millionen Euro fürs GZW aufbringen. Weitere finanzielle Risiken seien absehbar. »Angesichts unserer Pläne für Therme und Sprudelhof ist das nicht zu schultern«, sagt der Rathauschef. Der Betrieb von Kliniken sei ohnehin nicht Aufgabe einer Stadt dieser Größenordnung. Landrat Arnold sieht den Kreis gut aufgestellt, um die alleinige Regie im GZW zu übernehmen: »Durch den in den letzten Jahren erfolgreich eingeschlagenen Konsolidierungskurs sind wir dazu in der Lage.«  

+++ Lesen Sue auch: Hochwaldkrankenhaus: Stadt und Kreis uneinig +++

Kreß weiß um die Verbundenheit der Bad Nauheimer mit »ihrer« Klinik. Die Standortsicherung genieße oberste Priorität. Dafür stehe die Vergrößerung des Hochwaldkrankenhauses. Laut Kreß wird das Klinikgebäude mit dem Facharztzentrum durch einen Anbau verbunden, die Bettenzahl fast verdoppelt. In Friedberg bleiben wohl nur Geriatrie und Ambulanz bestehen.

Selbst Politiker fühlen sich schlecht informiert

Empört, überrascht, ratlos – so fallen Reaktionen von Stadtverordneten auf die neue Entwicklung aus. Selbst Politiker, die früher dem GZW-Aufsichtsrat angehörten oder dort aktuell einen Sitz haben, fühlen sich schlecht informiert, wussten offenbar bis vor kurzem nichts von dem Kassenkredit. Rufe nach Aufklärung werden laut, etwa von Peter Heidt (FDP) und Bernd Witzel (UWG), die einen Akteneinsichtsausschuss oder eine unabhängige Prüfung fordern.

GZW-Geschäftsführer Dr. Dirk M. Fellermann zum Thema Kassenkredit: 8 Millionen Euro seien für den Bau des Bad Nauheimer Facharzt- und Servicezentrums (Gesamtkosten: 16 Millionen) verwendet worden, zudem habe das GZW mit diesen Geldern 2 Millionen Euro für den Kauf der Diabetesklinik aufgebracht. Unerwartet kam für viele Stadtverordnete auch die Nachricht vom Defizit des GZW in 2015/16, das Kreß auf 9 Millionen Euro beziffert. Das einst grundsolide Hochwaldkrankenhaus habe ebenfalls rote Zahlen geschrieben.

Witzel vermutet eine Verschleierung der in den letzten Jahren entstandenen Schieflage des GZW. »Mit dieser Mauschelei sollte die Stadt nichts mehr zu tun haben«, plädiert er ebenfalls für einen Ausstieg Bad Nauheims. Armin Häuser, bis vor kurzem als Bad Nauheimer Bürgermeister auch GZW-Aufsichtsratsvorsitzender, weißt den Vertuschungsvorwurf zurück. Für die Probleme macht er den Konkurrenzdruck durch verbesserte Gesundheitsangebote in den Kreisen Hochtaunus und Lahn-Dill sowie den Tod des früheren GZW-Geschäftsführers Wolfgang Potinius verantwortlich. »Ein absoluter Insider fehlte uns von einem Tag auf den anderen.«

Auch interessant

Kommentare