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Professor Dr. med. Axel Ekkernkamp ist Aufsichtsratsvorsitzender der SRH Holding und Ärztlicher Direktor des BG-Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin (ukb).

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POSITION: Vernetzte Kliniken braucht das Land!

Es fehlt eine politische Gesamtstrategie für die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Ein Kommentar.

Rund 600 der etwa 2000 Kliniken in Deutschland befinden sich im ländlichen Raum. Sie werden entweder schließen, sich weiterentwickeln oder mit anderen Akteuren kooperieren müssen. In vielen ländlichen Regionen existieren Versorgungsstrukturen, die den heutigen und insbesondere zukünftigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden: finanziell prekäre Krankenhäuser, zu kleine Einheiten und kaum Spezialisierung bei zunehmendem Fachkräftemangel. Die Folge ist ein Verlust an Attraktivität des ländlichen Raums gerade bei jungen Menschen und Fachkräften, die urbane Lebensräume bevorzugen.

Den Krankenhäusern geht es wie dem deutschen Mittelstand. Obwohl die kleinen und mittleren Betriebe für fast 60 Prozent der Arbeits- und mehr als 80 Prozent der Ausbildungsplätze verantwortlich sind, stehen nicht sie, sondern die großen börsennotierten Konzerne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter findet Gesundheit lokal und regional statt. Betroffen vom Wandel sind vor allem Krankenhäuser und Ärzte auf dem Land jenseits der großen Städte und Ballungsgebiete. Nur zwölf Prozent des ärztlichen Nachwuchses kann sich vorstellen, in einer Landgemeinde oder einer Kleinstadt mit bis zu 20 000 Einwohnern zu arbeiten.

Gesundheitspolitik ist immer auch Strukturpolitik

Die steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und die abnehmende Zahl der Beitragszahler setzen das deutsche Gesundheitswesen in den nächsten Jahren unter Finanzierungsdruck. Der demografische Wandel gefährdet die Tragfähigkeit vieler Kliniken insbesondere im ländlichen Raum. Welchen Beitrag können Kliniken im ländlichen Raum zur Sicherung der Gesundheitsversorgung leisten? Und auf welche regionalen und politischen Rahmenbedingungen kommt es an?

Gesundheitspolitik im ländlichen Raum ist immer auch Strukturpolitik. Das Krankenhaus ist oft größter Arbeitgeber und größter Wirtschaftsfaktor. Die kleineren Häuser unter 200 Betten sind in vielen Regionen überrepräsentiert. Krankenhäuser in ländlichen Regionen haben eine erhebliche Bedeutung für die lokale Wertschöpfung und weitere Regionalentwicklung. Die fachärztliche und psychotherapeutische Versorgungsdichte ist auf dem Land geringer als in der Stadt.

Politische Gesamtstrategie für den ländlichen Raum fehlt

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in einem Sondergutachten vor drei Jahren auf die Herausforderung einer längerfristigen bedarfsgerechten Versorgung hingewiesen und empfiehlt ein umfassendes Modell für eine regional vernetzte Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Kernelement und Basis für die Versorgung ist ein lokales beziehungsweise regionales Gesundheitszentrum für Primär- und Langzeitversorgung. In diesem Gesundheitszentrum arbeitet ein multiprofessionelles Team aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen zusammen, dem Hausärzte, Therapeuten und Angehörige von Pflegeberufen und Sozialarbeit angehören. Angeschlossen und von dort aus organisiert werden können weitere regionale professionelle und ehrenamtliche Angebote in den Bereichen Gesundheit (Gesundheitsnetze z.B. für Demenzerkrankungen, Diabetes, Palliativmedizin), Prävention und Gesundheitsförderung, Wohnen im Alter, häusliche Versorgung älterer Menschen sowie Mobilitätsangebote (Bürgerbusse, Sammeltaxis, mobile Gesundheitsdienste).

Regionale Gesundheitszentren sind in Deutschland noch die Ausnahme. Damit Versorgungsstrukturen regional funktionieren, müssen ambulante, stationäre und poststationäre Leistungserbringer zusammenarbeiten und Reha-Einrichtungen und Apotheken eingebunden werden.

Eine politische Gesamtstrategie für die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum steht bislang aus. Sie müsste verbunden werden mit weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Ohne eine soziale Infrastruktur mit Kitas und Grundschulen wird sich keine junge Arztfamilie für ein Leben auf dem Land entscheiden. Regionale Gesundheitsversorgung muss mit innovativen Mobilitätskonzepten, regionaler Wirtschaftsförderung und dem sozialen Engagement der Bürgerinnen und Bürger verknüpft werden.

Lokale und regionale Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung sind eine zukunftsfähige Antwort auf die beschriebenen Veränderungen und Herausforderungen. Das Krankenhaus der Zukunft ist mittelständisch und steht für regionale Wertschöpfung, sichere und gut bezahlte Arbeit und ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen ist der Faktor Kommunikation. Es gilt, die Ängste der Bürgerinnen und Bürger wie die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Veränderungen ernst zu nehmen und sie aktiv einzubinden. Die Klinik der Zukunft versteht sich als Partner der Region vor Ort und der Menschen, die dort leben und arbeiten. Es geht um mehr Nähe, bessere Qualität und mehr Beteiligung.

Professor Dr. med. Axel Ekkernkamp ist Aufsichtsratsvorsitzender der SRH Holding und Ärztlicher Direktor des BG-Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin (ukb).

Axel Ekkernkamp

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