Ingolstadt
"Eine menschliche Tragödie"

Aufsichtsrat des Klinikums trifft sich nach Bekanntwerden des Todes Fastenmeiers Brief an den OB

29.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:01 Uhr

Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Betroffenheit herrscht nach der Selbsttötung des früheren Geschäftsführers des Klinikums, Heribert Fastenmeier, auch innerhalb des Aufsichtsrats. Noch am Tag, als die Nachricht bekannt wurde, traf sich das Gremium zu einer Sondersitzung - um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Wie berichtet, hat sich Heribert Fastenmeier, der knapp 35 Jahre am Ingolstädter Klinikum beschäftigt war, davon 14 Jahre als Geschäftsführer, am Mittwochnachmittag in der Justizvollzugsanstalt in Gablingen bei Augsburg das Leben genommen. Er saß dort seit 22. April wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft, nachdem die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eröffnet hatte. Der anfangs genannte Grund der Verdunkelungsgefahr wird laut Staatsanwaltschaft schon länger nicht mehr verfolgt.

Die Nachricht vom Tod Fastenmeiers schockte nicht nur die Angestellten des Schwerpunktkrankenhauses, sondern auch die Vertreter der Aufsichtsgremien. Oberbürgermeister Christian Lösel, der Aufsichtsratsvorsitzende der Klinikum GmbH, hatte seinen Weihnachtsurlaub abgebrochen und umgehend den Aufsichtsrat zusammengerufen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Das Gremium einigte sich darauf, einen Nachruf zu gestalten und der Familie Fastenmeiers ein Kondolenzschreiben zukommen zu lassen, verlautete aus den Reihen des Aufsichtsgremiums. OB Lösel selbst äußerte sich zum Inhalt der Sitzung und auch zum Tod Fastenmeiers nicht. "Ich darf nichts sagen", sagte er am Freitag. "Ich bin nicht durch das Gremium berechtigt."

Der Aufsichtsrat hatte sich am Donnerstag über ein offizielles Statement abgestimmt. Es umfasst zwei Sätze: "Die Nachricht vom Tod Heribert Fastenmeiers in der Untersuchungshaft hat Klinikum, Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Verbandsversammlung zutiefst erschüttert. Das Mitgefühl und die Anteilnahme gelten der Familie und den Angehörigen."

"Der Suizid ist sehr tragisch", sagt ein Mitglied des Aufsichtsgremiums. Jeder sei betroffen, zumal Fastenmeier, wenngleich er seine Lage im Grunde selbst verschuldet habe, ja kein Kapitalverbrechen begangen habe. Es sei "eine menschliche Tragödie". Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft kommt aber auch bei manchen Aufsichtsräten auf. Läge der Schaden, den der Ex-Geschäftsführer verursacht haben soll, nicht bei einer, sondern bei 100 Millionen Euro, "dann hätte er wahrscheinlich keinen Tag gesessen", meint einer. Fastenmeier sei mit der über ein halbes Jahr andauernden U-Haft in einem Maße zur Rechenschaft gezogen worden, wie es Menschen, die Macht und Einfluss haben, nicht passiere. "Da stimmt doch unser Rechtssystem nicht."

Wenn er etwas getan habe, das nicht rechtens ist, dann müsse er dafür geradestehen, findet ein anderer. Aber man dürfe "nicht alles schlecht machen, was der Mann in fast 40 Jahren geleistet hat". Fastenmeier habe fürs Klinikum so viele Stunden gearbeitet, sei immer erreichbar gewesen, egal um welche Uhrzeit, da müsse man sich schon fragen, ob er wirklich für jeden Vortrag hätte Urlaub nehmen müssen. Wie berichtet, beziehen sich 88 der 99 Fälle von Untreue, die Fastenmeier vorgeworfen werden, laut seinem Anwalt Andre Szesny auf von dem Klinikmanager gehaltene Vorträge.

Fastenmeiers früherer Arbeitgeber, die Klinikum GmbH, sichert sich bis zu 600 000 Euro für mögliche Schadensersatzansprüche. Deshalb wurden alle Konten Fastenmeiers gesperrt. Laut Anwalt Szesny sind von der Sperrung auch Konten betroffen, die nicht Fastenmeier gehören, sondern von der Kontensperrung nicht erfassten Familienmitgliedern.

Es sei die Verpflichtung des Aufsichtsrats, den wirtschaftlichen Schaden gering zu halten, sagt ein Mitglied. An der genannten Höhe hegen jedoch manche Zweifel. Da nennen die Anwälte des Klinikums eine Summe und die werde als glaubhaft angenommen. "Es heißt, ihr müsst zustimmen, sonst entsteht ein Schaden." Die Rede sei dann auch von persönlicher Haftung. Die Ratschläge der Anwälte sieht mittlerweile mancher in dem Gremium kritisch.

Die sogenannte Arrestierung seines Vermögens, von der Fastenmeier vier Tage vor Heiligabend erfahren hatte, hat ihn dazu veranlasst, einen Brief an den Aufsichtsratsvorsitzenden, OB Christian Lösel, zu schreiben. Er schickte ihn nicht auf direktem Weg, sondern an die Redaktion des DONAUKURIER, wo das am 20./21. Dezember von dem Ex-Klinik-Chef handschriftlich verfasste Schreiben am Freitag einging. Über eine Redakteurin wurde der Brief am Freitagmittag persönlich an Lösel übergeben. Zur Übergabe hatte der OB nicht nur seinen Pressesprecher, sondern auch Stadtdirektor Hans Meier mitgebracht. In dem Schreiben reagiert der Ex-Geschäftsführer auf die Sperrung seiner Konten. Es ist das vermutlich letzte Schreiben vor seinem Freitod.