L 6 KR 193/10

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 38 KR 1958/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 193/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. November 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin eine neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls durchgeführt hat.

Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus und verfügt über eine sog. stroke unit, also eine besondere Station zur Behandlung von Schlaganfallpatienten. Diese Station wurde 2007 durch den Facharzt für Neurologie Dr. H. geleitet. Im Juni 2007 wurden die 24-Stunden Anwesenheitsdienste durch Fachärzte für Anästhesiologie bzw. durch Assistenzärzte in der Ausbildung zum Facharzt für Anästhesiologie gewährleistet.

Eine Versicherte der Beklagten, P. M. (nachfolgend: Versicherte), wurde vom 18. Juni 2007 bis 22. Juni 2007 auf der stroke unit stationär behandelt. Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten eine Fallpauschale nach DRG (diagnosis related group) B70C (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung, mehr als ein Belegungstag) ab. Diese beglich zunächst die Forderung der Klägerin, veranlasste jedoch eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Thüringen (MDK). Er kam in einer Stellungnahme vom 4. September 2007 zu dem Ergebnis, dass die Fallpauschale B70E (Apoplexie ohne neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung, mehr als ein Belegungstag oder Delirium mit äußert schweren CC) zutreffend sei. Eine neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls habe nicht vorgelegen, da keine 24-stündige Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie gewährleistet war. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin durch Schreiben vom 10. September 2007 mit, dass sie sich den aus den unterschiedlichen Fallpauschalen ergebenden Differenzbetrag von 1.374,01 EUR "gutgeschrieben" habe.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht bei Prof. Dr. G. ein Sachverständigengutachten eingeholt. Er vertrat in seinem Gutachten vom 24. Juli 2009 die Auffassung, dass für die 24-stündige ärztliche Anwesenheit ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt ausreichend sei; nicht erforderlich sei ein Facharzt für Neurologie. Die sonstigen Voraussetzungen für eine neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls seien erfüllt, insbesondere bestehe ein unmittelbarer Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen. Die letztgenannten Maßnahmen würden durch die Zusammenarbeit mit dem H.-Klinikum E. ermöglicht. Die Fahrtzeit betrage zwar normal 34 bis 36 Minuten und damit mehr als die erforderliche halbstündige Transportentfernung. Bei einem Notfalltransport unter Sondersignalen (Blaulicht und Martinshorn) sei die H.-Klinik E. aber in weniger als 30 Minuten zu erreichen, alternativ könne auf einen Hubschrauber zurückgegriffen werden.

Mit Urteil vom 23. November 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung des Differenzbetrages von 1.374,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. September 2007 verurteilt. Es habe eine neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls vorgelegen. Eine 24-stündige Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie sei nicht erforderlich, die Wahrnehmung durch Fachärzte für Anästhesiologie bzw. durch Assistenzärzte in der Ausbildung zum Facharzt für Anästhesiologie sei ausreichend. Ein unmittelbarer Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sei gewährleistet, da das H.-Klinikum E. durch Hubschrauber oder durch Nottransport im Krankenwagen in unter 30 Minuten erreicht werden könne.

Im Berufungsverfahren macht die Beklagte geltend, dass für die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls die 24-stündige Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie oder eines Assistenzarztes in der Ausbildung zum Facharzt für Neurologie erforderlich sei. Dies habe bei der Behandlung der Versicherten nicht vorgelegen. Hinsichtlich des unmittelbaren Zugangs zu neurochirurgischen Notfalleingriffen in halbstündiger Transportentfernung könne nicht auf einen Hubschraubereinsatz abgestellt werden, da dieser aufgrund von Sicht- und Wetterverhältnissen nicht jederzeit durchgeführt werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht liegen die Voraussetzungen einer neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls und damit auch der Fallpauschale B70C vor. Hinsichtlich des unmittelbaren Zugangs sei nach Angaben auf der Homepage des DIMDI (http://www.dimdi.de/static/de/klassi/faq/ops/kapitel 8/faq 8033.htm 319159480.htm) das Strukturmerkmal dann erfüllt, wenn die halbstündige Transportentfernung unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (z.B. Hubschrauber) grundsätzlich erfüllbar ist. Nach Auskunft der DRF-Luftrettung S. könne mit dem Hubschrauber eine Transportzeit von 10 Minuten und nach Auskunft der RTW-Leitstelle des Kreises G. mit dem Rettungswagen unter Sondersignalen eine Transportzeit von 28 Minuten bis zum H.-Klinikum E. erreicht werden. Die Klägerin hat weiter ein Gutachten des Dr. D. vom 17. Oktober 2012 aus einem anderen Verfahren vor dem Sozialgericht Gotha (S 38 KR 8667/11) vorgelegt, worin dieser die Auffassung vertritt, dass ein Rettungswagen mit Sondersignalen die Strecke zwischen den Kliniken G. und E. immer deutlich unter 30 Minuten zurücklegen wird.

Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 4. Juni 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 137 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die zulässige Berufung ist begründet. Zwar ist der Klägerin aus insoweit unstreitigen weiteren Behandlungsfällen ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte entstanden. Er ist aber in der hier maßgeblichen Höhe von 1.374,01 EUR durch Aufrechnung erloschen.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)). Diese Vorschrift findet im Verhältnis Krankenhausträger und Krankenkasse eine entsprechende Anwendung (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 15/11 R, nach juris Rn. 11). Durch das Schreiben vom 10. September 2007 und die darin enthaltene Mitteilung, dass sie sich den streitigen Betrag "gutgeschrieben" habe, hat die Beklagte die Aufrechnung erklärt. Sie konnte auch mit einer Gegenforderung aus öffentlich-rechtlicher Erstattung gegen die Hauptforderung aufrechnen, denn ihr stand ein entsprechender Erstattungsanspruch zu. Die Klägerin hatte zu Unrecht für die Behandlung der Versicherten die Fallpauschale DRG B70C abgerechnet. Es ist lediglich die Fallpauschale DRG B70E und damit ein in Höhe des streitigen Betrages geringerer Vergütungsanspruch entstanden.

Die von der Klägerin für die Behandlung der Versicherten geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Im vorliegenden Fall ist die am 19. September 2006 getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2007 (Fallpauschalenvereinbarung 2007 - FPV 2007) einschlägig.

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 1 KR 14/12 R, nach juris Rn. 12 ff.). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2007, Bundesanzeiger Nr. 212 vom 11.November 2006, Seite 6920, in Kraft getreten am 1.1.2007 (OPS 2007)).

Die Abrechnung der DRG-Position B70C (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung, mehr als ein Belegungstag) scheidet aus; vielmehr greift für die Behandlung der Versicherten die Fallpauschale B70E (Apoplexie ohne neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung, mehr als ein Belegungstag oder Delirium mit äußert schweren CC) ein. Der wesentliche Unterschied zwischen den Fallpauschalen ist das Vorliegen einer neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls. Eine solche wurde hier nicht durchgeführt.

Nach Schlüsselnummer 8-981 des OPS 2007 erfordert die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls folgende Mindestmerkmale:

• Behandlung auf einer spezialisierten Einheit durch ein multidisziplinäres, auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiertes Team unter fachlicher Behandlungsleitung durch einen Facharzt für Neurologie mit: 24-stündiger ärztlicher Anwesenheit (Von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit (Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein.) gefordert, bei der sich der jeweilige Arzt auf der Spezialeinheit für Schlaganfallpatienten ausschließlich um diese Patienten kümmert und keine zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen hat. Er kann sich in dieser Zeit nur von der Spezialstation entfernen, um Schlaganfallpatienten zum Beispiel zu untersuchen, zu übernehmen und zu versorgen. Während der 12-stündigen ärztlichen Anwesenheit in der Nacht sowie während der 24-stündigen ärztlichen Anwesenheit an Wochenenden und an Feiertagen ist es zulässig, dass der Arzt der Spezialstation noch weitere neurologische Patienten versorgt, sofern sich diese in räumlicher Nähe befinden, so dass er jederzeit für die Schlaganfallpatienten der Spezialeinheit zur Verfügung steht)

• 24-Stunden-Monitoring von mindestens 6 der folgenden Parameter: Blutdruck, Herzfrequenz, EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale

• 6-stündlicher (außer nachts) Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes zur Früherkennung von Schlaganfallprogression, -rezidiv und anderen Komplikationen

• Durchführung einer Computertomographie oder Kernspintomographie des Kopfes, bei Lyseindikation innerhalb von 60 Minuten, ansonsten innerhalb von 6 Stunden nach der Aufnahme

• Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie

• ätiologischer Diagnostik und Differentialdiagnostik des Schlaganfalls (z.B. transösophageale Echokardiographie, Hämostaseologie, Angiitisdiagnostik, EEG und andere Verfahren) im eigenen Klinikum

• 24-Stunden-Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie

• kontinuierlicher Möglichkeit zur Fibrinolysetherapie des Schlaganfalls

• unmittelbarem Beginn von Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie mit mindestens einer Behandlungseinheit pro Tag pro genanntem Bereich bei Vorliegen eines entsprechenden Defizits

• unmittelbarem Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen (jeweils eigene Abteilung im Hause oder Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung unabhängig vom Transportmittel)

Die Anwendung der FPV und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 1 KR 14/12 R, nach juris Rn. 14). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 15/11 R, nach juris Rn. 17). Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Dies gilt auch bei der Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Juli 2012 - B 1 KR 65/11 B, nach juris Rn. 12 ff.). Da das DRG-basierte Vergütungssystem als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 2010 - B 3 KR 4/10 R, nach juris Rn. 18).

Unter Beachtung dieser Auslegungsgrundsätze sind die Voraussetzungen der Schlüsselnummer 8-981 der OPS 2007 nicht erfüllt. Der Senat neigt zwar der Rechtsansicht der Klägerin zu, dass die geforderten 24-stündige ärztliche Anwesenheit eines Facharztes bzw. eines Assistenzarztes in der Ausbildung zum Facharzt nicht zwingend durch einen Facharzt für Neurologie bzw. einen entsprechenden Assistenzarzt gewährleistet sein muss, da der Wortlaut eine solche Einschränkung erst in der OPS 2012 aufweist. Er kann dies aber im Ergebnis offen lassen, denn es fehlt am unmittelbaren Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen. Sie werden im Krankenhaus der Klägerin nicht durchgeführt. Zwar werden sie im H.-Klinikum E. angeboten, es befindet sich aber nicht in höchstens halbstündiger Transportentfernung unabhängig vom Transportmittel.

Unter Beachtung der gebotenen Wortlautauslegung ist von einer höchstens halbstündigen, also maximal 30 Minuten betragenden Transportzeit auszugehen. Entgegen der auf der Homepage des DIMDI vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, ob die Zeit unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels grundsätzlich erfüllbar ist. Der klare Wortlaut verlangt, dass die Zeit unabhängig vom Transportmittel erreichbar sein muss, sie muss also nicht nur mit dem relativ schnellen Rettungshubschrauber, sondern auch mit dem langsameren Krankenwagen eingehalten werden können. Letzteres ist hier nicht der Fall. Die gängigen Routenplaner weisen eine Fahrtzeit von 34 Minuten (www.falk.de), 37 Minuten (www.viamichelin.de) oder sogar 40 Minuten (maps.adac.de) aus. Der Sachverständige Prof. Dr. G. geht ebenso wie Dr. D. von einer Fahrtzeit von über 30 Minuten aus. Auch die Klägerin behauptet im Ergebnis nicht, dass bei einem normalen Transport (kein Notfalltransport) die geforderte Zeit eingehalten wird.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Sachverständigen Prof. Dr. G. und Dr. D. ist es für die Erfüllung der Schlüsselnummer 8-981 der OPS 2007 nicht von Bedeutung, dass die Transportentfernung unter Verwendung von Sondersignalen in 30 Minuten zurückzulegen ist. Bereits der Wortlaut spricht dagegen, da die Möglichkeit der Verwendung von Sondersignalen nicht erwähnt wird. Auch die nach der Rechtsprechung des BSG unterstützend heranzuziehenden systematischen Erwägungen sprechen dafür, dass die Transportentfernung ohne Sondersignale in einer halben Stunde zurückgelegt werden muss. Es ist nicht nur der unmittelbare Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen zu gewährleisten, bei denen wohl regelmäßig ein Nottransport erforderlich ist, sondern auch zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen. Diese erfordern schon nach dem Wortlaut keinen Notfall und müssen auch dann in höchstens halbstündiger Transportentfernung ausgeführt werden können, wenn höchste Eile nicht geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden und die Voraussetzungen des § 38 der Straßenverkehrsordnung (StVO) für die Verwendung von Sondersignalen nicht vorliegen. Dies kann durch die Klägerin nicht gewährleistet werden.

Die übrigen Voraussetzungen der Aufrechnung sind erfüllt. Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch erfüllten die Voraussetzungen der Gegenseitigkeit und der Gleichartigkeit. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Beklagten war auch fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved