L 5 KR 95/16

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 3 KR 2/15
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 95/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Neurologische Komplexbehandlung des Schlaganfalls

Die Voraussetzungen des OPS 8-981 sind nicht erfüllt, wenn interventionell-neuroradiologische Behandlungen nicht in der eigenen Klinik erfolgen können und die Transportentfernung zu einem Kooperationspartner nicht gewöhnlich innerhalb einer halben Stunde zurückgelegt werden kann. Dies ist auch der Fall, wenn als Transportmittel in Betracht kommende Rettungstransporthubschrauber regelmäßig nachts nicht fliegen.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22.3.2016 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist ein Anspruch auf Vergütung von Krankenhausleistungen in Höhe von 3.033,19 EUR nebst Zinsen.
Die Klägerin ist die Trägerin der G -Klinik M , in deren Station für Schlaganfallpatienten die bei der Beklagten versicherte A v vom 22.7.2014 bis zum 12.8.2014 stationär behandelt wurde. Die Beklagte stellte der Klägerin ausgehend von dem OPS 8-981 (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) unter dem 10.12.2014 7.171,17 EUR in Rechnung. In einer Grundsatzstellungnahme vom April 2014 über die Strukturprüfung in der Klinik zum OPS 8-981 hatte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zuvor ua festgehalten: Das Krankenhaus der Klägerin habe den unmittelbaren Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen im eigenen Haus verneint und angegeben, dass diese bei seinem Kooperationspartner in I erfolgen könnten; der Transport sei unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels innerhalb einer halben Stunde möglich; als Transportmittel komme zB der Rettungswagen in Betracht. Auch zu gefäßchirurgische Behandlungsmöglichkeiten bestünden im eigenen Haus nicht; Kooperationspartner sei auch hier die Klinik in I. Interventionell-neuroradiologische Behandlungsmaßnahmen könnten ebenfalls im eigenen Haus nicht durchgeführt werden, aber in der U M und im G K , die innerhalb einer halben Stunde mit dem Hubschrauber erreichbar seien. Die Entfernung zwischen M und I betrage laut Google Maps 41,7 km, die erforderliche Zeit mit dem PKW betrage ca 43 Minuten. Die Beklagte vergütete wegen der stationären Behandlung der Versicherten lediglich einen Teilbetrag von 4.137,98 EUR, da sie im Hinblick auf das Grundsatzgutachten die Auffassung vertrat, der OPS 8-981 habe nicht kodiert werden dürfen.
Am 2.1.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, laut Luftlinienberechner betrage die Luftlinienentfernung zwischen M und I - 23,65 km und die Luftlinienentfernung zwischen M und K 73,03 km. Das Krankenhaus in I sei innerhalb einer halben Stunde mit dem Krankenwagen zu erreichen, die U M und das G ¬ klinikum K mit einem Hubschrauber. Unschädlich sei, dass nachts kein Hubschraubertransport stattfinde. Denn nach dem OPS 8-981 genüge es, dass ein Transport innerhalb von 30 Minuten "grundsätzlich" gewährleistet sei. Die Klägerin hat das Protokoll eines Rettungswageneinsatzes von der Klinik M nach I vorgelegt, worin der Zeitpunkt der Abfahrt mit 10.34 Uhr und der Zeitpunkt der Übergabe des betreffenden Patienten mit 11.02 Uhr notiert ist.
Die Beklagte hat eingewandt, um 41,7 km in einer halben Stunde zurückzulegen, sei eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 83,4 km/h notwendig. Es sei nicht sicher, ob ein Rettungswagen mit Blaulicht dies zu jeder Zeit gewährleisten könne. Die Einhaltung einer halbstündigen Transportentfernung müsse im Übrigen zu jedem Kooperationspartner gewährleistet sein. Hinsichtlich der U M und des G klinikums K sei dies nicht der Fall, da Hub-schrauber nachts nicht flögen.
Durch Urteil vom 22.3.2016 hat das Sozialgericht (SG) Koblenz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen weiteren Vergütungsanspruch unter Berücksichtigung des OPS 8-981. Zur Abrechnung dieses Kodes sei ua erforderlich, dass ein unmittelbarer Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen bestehe. Dies erfordere nach dem OPS 8-981, dass der Transport grundsätzlich innerhalb einer halben Stunde möglich sei. Dies komme von der Klinik der Klägerin zur U M oder zum G klinikum K nur unter Einsatz eines Hubschraubers in Betracht. In Rheinland-Pfalz flögen Rettungshubschrauber aber nur vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Dies sei zur Erfüllung der Voraussetzungen des OPS 8-891 nicht ausreichend. Die Transportmöglichkeit müsse rund um die Uhr gewährleistet sein. Unbeachtlich seien nur Ausnahmefälle, bei denen zB wegen schlechter Witterungsbedingungen der Einsatz eines Hubschraubers nicht möglich sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 22.4.2016 eingelegte Berufung der Klägerin, die vorträgt: Das Wort "grundsätzlich" im OPS 8-981 bedeute so viel wie "eigentlich", "im Grunde", "im Prinzip", "mit dem Vorbehalt bestimmter Aus-nahmen". Deshalb reiche es aus, dass der Transport von der Klinik der Klägerin nach M oder K mit dem Rettungshubschrauber tagsüber innerhalb einer halben Stunde möglich sei. Mit dem letzten Satz des Kodes "wenn ein Patient transportiert wurde und die halbe Stunde nicht eingehalten werden konnte", werde ein Einzelfallbezug hergestellt. Der Kode 8-981 könne deshalb nur dann nicht abgerechnet werden, wenn im Einzelfall der Transport innerhalb einer halben Stunde nicht gelungen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 22.3.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.033,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs 2 SGG).
Die Voraussetzungen des OPS 8-981 sind nicht erfüllt. Dafür ist ua ein "unmittelbarer Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen" erforderlich. Dies ist im OPS 8-981 wie folgt näher spezifiziert: "Es gibt jeweils eine eigene Abteilung im Hause oder einen Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung (Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende). Das Strukturmerkmal ist erfüllt, wenn die halbstündige Transportentfernung unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (zB Hubschrauber) grundsätzlich erfüllbar ist. Wenn der Transport eines Patienten erforderlich ist und das Zeitlimit nur mit dem schnellstmöglichen Transportmittel eingehalten werden kann, muss dieses auch tatsächlich verwendet werden. Wenn ein Patient transportiert wurde und die halbe Stunde nicht eingehalten werden konnte, darf der Kode nicht angegeben werden."
Vorliegend kann, wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten ist, die Strecke zwischen M und M oder K mit dem Rettungswagen nicht innerhalb einer halben Stunde zurückgelegt werden. Innerhalb einer halben Stunde ist zwar ein Transport mit dem Rettungshubschrauber möglich. Da Rettungshubschrauber jedoch zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang nicht fliegen, ist die Zurücklegung der Strecke innerhalb einer halben Stunde nicht im Sinne des OPS 8-981 "grundsätzlich" gewährleistet. Wie die Beklagte zu Recht angeführt hat, wäre es ansonsten in Winterzeiten unschädlich, dass zeitweise mehr als 12 Stunden täglich ein Transport innerhalb von 30 Minuten nicht möglich ist. Dies überschreitet die Grenzen der im vorliegenden Zusammenhang maßgebenden rein wortlautbezogenen Auslegung des OPS (vgl Bundessozialgericht BSG – 18.9.2008 – B 3 KR 15/07 R Rn 18). Mit der Einschränkung "grundsätzlich" kann daher nur gemeint sein, dass eine ausnahmsweise fehlende Transportmöglichkeit zB wegen schlechter Witterungsverhältnisse oder Defekts des Hubschraubers unschädlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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