S 38 KR 216/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
38
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 38 KR 216/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 4.298,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent seit dem 8. Februar 2011 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Die zur damaligen Zeit bei der Beklagten krankenversicherte S. - geboren am xxxxx 1953 - wurde in der Zeit vom 3. Mai 2010 bis zum 11. Juni 2010 im Krankenhaus der Klägerin teilstationär behandelt. Die Versicherte wog bei Aufnahme in die Klinik 124 kg und litt an Adipositas 3. Grades, Diabetes mellitus Typ 2, arterieller Hypertonie mit hypertensiver Herzkrankheit sowie einem Zustand nach TEP-Implantation im linken Knie. Darüber hinaus bestand der Verdacht auf ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom.

Die Klägerin stellte der Beklagten im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt für die Behandlung eine Betrag in Höhe von 4.298,85 Euro in Rechnung. Die Beklagte glich die Rechnungen zunächst vollständig aus. Im Anschluss konsultierte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK). Dr. K. vom MDK kam in seinem Gutachten vom 31. Januar 2011 zu dem Ergebnis, dass die stationäre Behandlung der Versicherten nicht erforderlich gewesen sei.

Am 8. Februar 2011 nahm die Beklagte eine Aufrechnung in Höhe eines Betrages von 4.298,85 Euro mit anderen unstreitigen Krankenhausrechnungen vor.

Nach einem Widerspruch der Klägerin vom 6. Juni 2011 gegen das Gutachten des MDK holte die Beklagte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten von Dr. K. vom 28. November 2011 ein. Dieser blieb bei seiner Einschätzung.

Die Klägerin hat am 18. Februar 2013 Klage erhoben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 4.298,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent seit dem 8. Februar 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. S1 vom 10. Dezember 2013 sowie einer ergänzenden Stellungnahmen vom 27. Mai 2015. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 30 bis 54 und Bl. 73 bis 77 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat ein Sozialmedizinische Gutachten von Dr. S2 vom MDK vom 20. November 2014 (Bl. 64 bis 68 der Gerichtsakte) beim Gericht eingereicht.

Außer der Gerichtsakte haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte der Klägerin vorgelegen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18.09.2008, B 3 KR 15/07 R, juris Rn. 10) ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung einer Vergütung in Höhe von 4.298,85 Euro nebst Zinsen.

Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen für andere Versicherte erlosch nicht dadurch, dass die Beklagte mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten S. aufrechnete. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der Beklagten ein Anspruch auf die dafür abgerechnete Vergütung zustand; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit. Der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlungen erlosch nicht dadurch, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten S. analog § 387 BGB die Aufrechnung erklärte, da dieser öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nicht bestand. Denn die Klägerin hatte einen Vergütungsanspruch für die Behandlung der Versicherten S. in Höhe der gezahlten 4.298,85 Euro.

Rechtsgrundlage des streitigen Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2010.

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht nach § 39 Abs. 1 SGB V - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird, sie erforderlich und wirtschaftlich ist und das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2015, B 1 KR 20/15 R).

Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (vgl. BSG, a.a.O.). Ob einem Versicherten stationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl. BSG, a.a.O.). Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Versicherten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung (vgl. BSG, a.a.O.). Voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Sinne des § 39 Abs. 1 SGB V besteht nur, wenn ein Versicherter aus allein medizinischen Gründen auf die besonderen Mittel eines Krankenhauses angewiesen ist (vgl. BSG, a.a.O.).

Vorliegend bestand in der Zeit vom 3. Mai 2010 bis zum 11. Juni 2010 eine teilstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit der Versicherten. Dies folgt aus den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. S1, denen die Kammer folgt. Dr. S1 hat in ihrem Gutachten dargelegt, dass bei der Versicherten zum Zeitpunkt der Aufnahme zusätzlich mindestens eine Dysthymia, wenn nicht eine rezidivierende depressive Erkrankung leicht bis mittelgradig ausgeprägt und der Verdacht auf eine ängstlich vermeidende, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung bestanden. In diesem Zusammenhang geht die Sachverständige auch darauf ein, dass hinsichtlich dieser Diagnosen der adäquate psychopathologische Befund, die adäquate psychosomatische Diagnostik und die psychopharmakologische Einstellung der Versicherten durch die Klägerin fehlen. Unter Berücksichtigung des Arztbriefes der Klägerin vom 14. Januar 2010, in dem die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradig gestellt wird und der Unterdokumentation (wie der Verlaufsdokumentation Bl. 42 der Patientenakte und dem Berichtsblatt Bl. 43 der Patientenakte) lässt sich jedoch das Vorliegen der entsprechenden Krankheitsbilder ableiten. Ebenso entspricht die durchgeführte Behandlung zu großen Teilen der üblichen Behandlung einer derartigen Diagnosekonstellation inclusive des Schweregrades und der Vorerfahrung. Aus der Patientenakte geht hervor, dass die Versicherte mit einem intensiven Betreuungskonzept, mit hochfrequenten Einzel- und Gruppentherapieprogramm, Feldenkrais Therapie, ärztlichen Kontrollen, ärztlichen und oberärztlichen Visiten, diversen konsiliarischen Untersuchungen, Gastroskopie, Echographie, Langzeitblutdruckmessung, chirurgische Konsile, Labor, EKG, Schlaflabor Screening durch die Klägerin behandelt wurde. Dr. S1 erläutert darüber hinaus nachvollziehbar, dass bei den Diagnosen eine Krankenhausbehandlung indiziert ist, da mit unvorhergesehenen Krisen und Instabilitäten zu rechnen ist. Zwar lässt sich eine isolierte rezidivierende depressive Störung bzw. eine isolierte Dysthymie im ambulanten Rahmen psychotherapeutisch behandeln, als komorbide Störung stellt die depressive Erkrankung jedoch, insbesondere bezüglich der Compliance, ein hohes Risiko dar sowohl für die regelmäßige Teilnahme als auch interaktionelle Schwierigkeiten. Aufgrund des komplexen komorbiden internistischen und psychosomatischen Krankheitsbildes war eine ambulante Behandlung der Versicherten nicht ausreichend. Denn aufgrund der Depression, aufgrund der fraglichen Persönlichkeitsstörung, aufgrund der psychischen Faktoren und der Verhaltensfaktoren bei Adipositas war mit krisenhaften Zuspitzungen zu rechnen, es musste täglich strukturiert werden und eine immerwährende Ansprechbarkeit von Ärzten und Therapeuten war von Nöten.

Der Zinsanspruch beruht auf § 14 des nach § 112 SGB V geschlossenen Landesvertrages.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
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