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Beim Sterben quält das fehlende Geld

Der Mensch ist gefragt. In der letzten Lebensphase ist viel Zuwendung und Intervention bei Akutkrisen nötig.

Der 56-jährige Mann wurde zur Einstellung des Blutzuckers ins Spital gerufen. Dort stellte man fest, dass er Krebs im fortgeschrittenen Stadium hat. Im Laufe der folgenden Konsultationen sagte die Ärztin, dass die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Krankheit klein sind, und sie sprach den alleinstehenden Mann vorsichtig an, wo er sterben möchte.

«Im Spital», sagte dieser. Dorthin könne man nicht zum Sterben, entgegnete die Ärztin, es sei denn bei einer akuten Krise. Der Basler starb drei Monate später im Auto seines Bruders, doch seine letzte Zeit quälte ihn, weil er nicht wusste, wo und wie er sterben würde. Das war vor zehn Jahren.

Auch heute noch ist die Situation schwierig für unheilbar kranke Menschen. «Wir haben Patienten in Notfall-Situationen», sagt Jan Gärtner, ärztlicher Leiter im Palliativzentrum Hildegard in Basel. Doch wenn die akute, medizinische Krise vorbei sei, werde der Aufenthalt für die Patienten im Hildegard nicht mehr finanziert. «So ist es möglich, dass wir Menschen, die nur noch wenige Wochen zu leben haben, nach 14 Tagen nach Hause oder in ein Alterspflegeheim verlegen müssen, weil es ihnen durch unsere Behandlung wieder besser geht.»

Etwa vier von 23 Patienten, die aus dem Hildegard austreten, müssten bleiben dürfen bis zuletzt, sagt Gärtner. «Sie hätten einen sicheren Hafen nötig, weil sie zu krank sind, um nach Hause zu gehen.» Doch aus Sicht der Krankenkassen müssen diese Patienten die Palliativstation verlassen und für eine kurze Zeit in eine Pflegeeinrichtung wechseln.

Sterben ist individuell

Gemäss dem Tarifsystem SwissDRG wird die Vergütung der stationären Spitalleistungen nach Fallpauschalen schweizweit einheitlich regelt. Doch sterbende Menschen können schwerlich nach Fall abgerechnet werden, da Sterben individuell und von unterschiedlicher Dauer ist. «Hier haben wir eine Versorgungslücke», sagt Gärtner. «Unser Ziel wäre, vier Betten einrichten zu können, wo die Patienten bis zum Lebensende bleiben können.» Sehr oft drücke man beide Augen zu und behalte sie, auch wenn man dadurch tiefrote Zahlen schreibe. Doch auf Dauer würde das Budget dies nicht erlauben.

Tatsächlich bocken die Krankenkassen bei Palliative Care, wie Fernsehen SRF kürzlich berichtete. Regelmässig zweifeln sie die Spitalbedürftigkeit der Patienten an und bezahlen nur den Tarif für Langzeitpflege. Die Zusatzkosten für die aufwendige Palliativpflege müssen Spitäler und Patienten tragen. Oder eben, die Todkranken müssen noch einmal in Einrichtungen für Langzeitpflege verlegt werden.

Wie Christophe Kaempf von Santésuisse sagt, reichen die heutigen Tarifstrukturen, um Palliative Care abzudecken. Aktuell gebe es keine Belege, dass es in der Kostenübernahme der Krankenversicherer Lücken gibt. Ansonsten könnten die Leistungserbringer Anträge stellen. Stefan Felder, Gesundheitsprofessor an der Uni Basel, versteht die Zurückhaltung der Krankenkassen: Man könne jedenfalls nicht erwarten, dass bei einer Ausweitung der palliativen Versorgung die bereits sehr hohen Kosten der medizinischen Versorgung am Lebensende reduziert würden.

Es geht tatsächlich um viel Geld. Während ein Tag in einem Pflegeheim je nach Pflegebedürftigkeit rund 400 Franken kostet, sind es im Hospiz etwa 1100 Franken und im Spital eher noch mehr. Die Differenz der mehreren Hundert Franken jedoch zahlt niemand.

Dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist das Problem bewusst. Man sei mit den Akteuren auf der Suche nach Lösungen, sagt Salome von Greyerz, Leiterin Abteilung Gesundheits-Strategien beim BAG. In der Schweiz habe ein Hospiz entweder Spital- oder Pflegeheimstatus. Im Hospiz mit Spitalstatus werden Patienten mit komplexen und instabilen Symptomen behandelt. Flachen diese ab, könnte die Behandlung auch im Pflegeheim erfolgen. «Da in diesen meist hochbetagte Personen behandelt werden, braucht es neue Modelle, die auch für eine 40-Jährige mit terminalem Brustkrebs stimmen», sagt von Greyerz.

Suche nach Lösungen

«Wir führen Gespräche mit dem Kanton», sagt Jan Gärtner. Er ist zuversichtlich, dass sich etwas bewegen wird. «Wir müssen nur tun dürfen, was die Basler Bürger von uns erwarten.» Nämlich: «Den Schmerz lindern, damit sie in Würde sterben dürfen.» Die Begehren stossen bei Thomas von Allmen, Leiter Abteilung Spitalversorgung Basel-Stadt, auf offene Ohren. «Wir treffen Abklärungen», sagt er. Dass ein Patient nach zwei Wochen Aufenthalt im Hospiz in ein Pflegeheim verlegt werden muss, sei unbefriedigend. «Eine Regelung muss für die Patienten vernünftig sein. Da sind wir auf der Suche nach einer Lösung.»

Momentan kann kein «Hospiz» seine Ausgaben decken. Die Palliativ-Abteilung im Claraspital mit acht Betten ist gemäss Spitaldirektor Peter Eichenberger «hochgradig defizitär». Man könne sie jedoch durch den anderweitigen Spitalbetrieb querfinanzieren.

Das Hospiz im Park in Arlesheim bekommt genügend Spenden, damit die Patienten bei stabilerem Gesundheitszustand als Pflegepatient im Haus behalten werden können. «Auch in der Sterbephase gibt es längere Zeiten, in denen sich die Menschen erholen, und Zeiten, in denen es ihnen viel schlechter geht», sagt die ärztliche Leiterin Heike Gudat. «Doch wir verlegen niemanden aus finanziellen Gründen.» Unter dem Strich steht jedoch jedes Jahr ein ungedeckter Betrag von 500 000 bis 800 000 Franken in den Büchern, der mit Stiftungskapital und Spenden gedeckt wird. «Ohne Spenden geht es wirklich nicht, das stimmt», sagt Gudat. In der Politik werde das Thema Palliative Care zu wenig prioritär behandelt.