DE | EN | ES
 
 

Mandanteninformationen   

April 2018 Mandanteninformation als PDF downloaden

Keine Rückforderung von Aufwandspauschalen in „Altfällen“ – SG Gotha vom 25. Januar 2018, Az. S 9 KR 2163/16

1. Hintergrund

Mit Ende des Jahres 2015 begannen die Krankenkassen, Aufwandspauschalen zurückzufordern, die vor dem 1. Juli 2014 abgerechnet und bezahlt wurden.

Auch für diese „Altfälle" behaupteten die Krankenkassen eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung und beriefen sich hierzu auf die Entscheidung des BSG vom 1. Juli 2014, Az. B 1 KR 2/13 R und die seitdem ständige Rechtsprechung des BSG.

Seitens der Sozialgerichte wurde zuletzt in mehreren Verfahren den Klagen der Krankenhäuser gegen diese Rückforderungen stattgegeben (z. B. SG Kassel vom 4. Mai 2016, Az. S 12 KR 72/16; SG Aachen vom 18. Juli 2017, Az. S 13 KR 159/17, SG Osnabrück vom 4. September 2017, Az.: S 34 KR 720/16).

In einem von unserer Kanzlei geführten Klageverfahren hat nunmehr auch das SG Gotha der Klage des Krankenhauses stattgegeben, nachdem die Krankenkasse mit zurückgeforderten Aufwandspauschalen aus den Jahren 2011 und 2012 die Aufrechnung erklärt hatte.

2. Inhalt der Entscheidung

Das SG Gotha hielt die von der Krankenkasse erklärte Aufrechnung für unwirksam.

Zur Begründung führte das SG Gotha zum einen aus, dass die Rechtsprechung des BSG zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung in Widerspruch zur Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V stehe. Dies sei auch in der nachfolgenden Ergänzung des § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V zum 1. Januar 2016 zum Ausdruck gekommen.

Außerdem würde der Rückforderungsanspruch der Krankenkasse dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen. Die Aufwandspauschale sei nämlich noch vor der ersten Entscheidung des BSG zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung vom 1. Juli 2014 gezahlt worden. Zum Zeitpunkt der Zahlung – und damit zum Zeitpunkt des vorherigen MDK-Prüfverfahrens – wäre aber auch die Krankenkasse noch von der Durchführung einer Auffälligkeitsprüfung ausgegangen. Die Rechtsfigur der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung war zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht bekannt. Es wäre daher widersprüchlich, wenn die Krankenkasse sich im Nachhinein darauf berufen würde, doch keine Auffälligkeitsprüfung durchgeführt zu haben. Außerdem habe das BSG mit seiner Rechtsprechungsänderung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung verletzt und verstoße damit gegen den Grundsatz der Bindung an Recht und Gesetz. Das SG Gotha verwies insoweit auf eine Entscheidung des BVerwG vom 15. Januar 2009, Az. 2 BvR 2044/07.

Zuletzt war das SG Gotha auch der Auffassung, dass die Rechtsprechungsänderung des BSG keine Rückwirkung entfaltet.

3. Ausblick

Die jüngsten Entscheidungen der Sozialgerichte zur Rückforderung von Aufwandspauschalen in „Altfällen" stärken die Position der Krankenhäuser. Am 14. März 2018 haben wir vor dem SG Nordhausen, Az. S 5 KR 2358/16, eine weitere Entscheidung zu Gunsten der Krankenhäuser erwirkt.

Sofern mit den Krankenkassen über einen Vergleich sowohl für Altfälle als auch Neufälle (nach dem 1. Juli 2014 abgerechnete und gezahlte Aufwandspauschalen) verhandelt wird, kann jedenfalls für die Altfälle eine höhere Vergleichsquote angesetzt werden.