S 9 KR 736/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 736/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte und Widerklägerin wird verurteilt, an die Klägerin und Widerbeklagte einen Betrag von 300,00 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.07.2015 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagte und Widerklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 600,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das klagende Krankenhaus gegenüber der beklagten Krankenkasse Anspruch auf Rückzahlung einer verrechneten Vergütungsforderung hat. Auf die Beteiligten findet der zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und unter anderem der Beklagten geschlossene sog. Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch –SGB V- vom 06.12.1996, gültig ab dem 01.01.1997, Anwendung. Dieser Vertrag wurde im April 2004 gekündigt; seit dem 13.04.2005 wird er aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen mit den Verbänden der Krankenkassen wieder angewandt.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Frau I. M. (im Folgenden: Versicherte) befand sich in der Zeit vom 07.08.2004 bis zum 22.08.2004 in vollstationärer Behandlung auf der Abteilung für Geriatrie in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus. Für den stationären Aufenthalt erteilte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG E42 Z eine Schlussrechnung. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung –MDK- im Rahmen eines Prüfauftrages die von der Klägerin vorgenommene Kodierung in der gutachterlichen Stellungnahme vom 16.12.2014 in vollem Umfang bestätigt hatte, glich die Beklagte den Rechnungsbetrag voll aus. Daraufhin stellte die Klägerin der Beklagten mit Rechnung vom 23.12.2004 eine Aufwandspauschale bei erfolgloser MDK-Prüfung (§275 Abs 1c SGB V) in Höhe von 300,00 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte die Pauschale am 20.01.2015 und verrechnete diese schließlich über ein Zahlungsavis am 13.07.2015 gegen eine nicht näher benannte unstreitige Forderung der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall.

Die Klägerin hat am 15.10.2015 durch ihre Prozessbevollmächtigten Klage auf Rückzahlung des verrechneten Betrages erhoben. Hierzu trägt sie vor:

Die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung sei unzulässig; die Beklagte habe gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin nicht mit ihrer Forderung aufrechnen dürfen. Der Klägerin stehe daher ein Anspruch auf die verrechneten Behandlungskosten nach § 109 Abs 4 S 3 iVm § 39 Abs 1 S 2 SGB V zu. Das Aufrechnungsverbot ergebe sich aus § 15 Abs 4 S 2 des nordrhein-westfälischen Sicherstellungsvertrages. Danach sei eine Aufrechnung nur zulässig bei Beanstandungen rechnerischer Art. Ein solcher Fall liege hier nicht vor, zumal die Beklagte keinen Rechenfehler geltend mache. Im Übrigen habe sie den Rückforderungsanspruch im Hinblick auf die zunächst gezahlte Aufwandspauschale nicht begründet. Bei sachlichen Beanstandungen sei eine Verrechnung nach § 15 Abs 4 S 2 Sicherstellungsvertrag indessen nicht möglich. Eine Verrechnung überzahlter Beträge komme nur dann in Betracht, wenn das Krankenhaus schuldhaft unzutreffende Angaben gemacht und die Krankenkasse deshalb gezahlt habe (so: Landessozialgericht –LSG- NRW, Urteil vom 03.06.2003, L 5 KR 2005/02 sowie Urteil vom 27.03.2003, L 5 KR 141/01). Soweit nach Bezahlung der Rechnung über die Aufwandspauschale lediglich deren sachliche Berechtigung im Streit stehe, sei die Beklagte nicht befugt, mit einem vermeintlichen Rückforderungsanspruch gegen Zahlungsansprüche des Krankenhauses aufzurechnen. Diese im Vergleich zu anderen Bundesländern in NRW geltende differenzierende Regelung könne somit nur als (stillschweigende) Einschränkung der Aufrechnung bei nachträglichen Beanstandungen sachlicher Art verstanden werden. Hierfür gebe es auch sachliche Gründe: Wenn eine Krankenkasse nachträglich die Berechtigung einer schon erfüllten Forderung in Frage stelle, solle sie sich nicht durch die Aufrechnung gegen unzweifelhaft bestehende Forderungen des Krankenhauses quasi einen "Vollstreckungstitel" verschaffen und dadurch die Liquidität des Krankenhauses gefährden können. Vielmehr sei sie gehalten, ihren vermeintlichen Anspruch klageweise geltend zu machen. Ob der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits vorbehaltlos gezahlten Aufwandspauschale im vorliegenden Behandlungsfall zustehe, sei für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant. Es sei der Beklagten unbenommen, ein Anerkenntnis abzugeben und Widerklage zu erheben.

Im Übrigen habe das LSG NRW im Urteil vom 06.12.2016, L 1 KR 358/15, ausdrücklich am landesvertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbot festgehalten und ausgeführt, dass die Rechtsprechung des BSG in seinen Urteilen vom 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R und B 1 KR 9/16 R, keinen Anlass gebe, hiervon abzuweichen. Schließlich liege der Überprüfung durch den MDK keine reine Kodierprüfung, sondern im Hinblick auf die Mindestverweildauer im Rahmen der Prüfung des OPS-Code 8-550.1 (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) auch eine Auffälligkeitsprüfung zugrunde. Des Weiteren verstoße die Rückforderung gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (so: Sozialgericht –SG- Aachen, Urteil vom 13.09.2016, S 13 KR 410/15). Würde die Rechtsprechung des BSG, wonach bei Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausrechnung keine Aufwandspauschale anfallen, wenn die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führe, auch auf in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Abrechnungsfälle angewandt, um daraus einen Erstattungsfall zu begründen, liege darin ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Insoweit habe die Beklagte nach § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB- in Kenntnis ihrer Nichtschuld geleistet, indem sie in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 01.07.2014, B 1 KR 29/13 R, vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R und vom 23.06.2015, B 1 KR 13/14 R sowie B 1 KR 24/14 R) zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung eine Prüfung auf der Grundlage des § 275 Abs 1c SGB V in Auftrag gegeben und die Aufwandspauschale gezahlt habe. Auch aus diesem Grund sei eine Rückforderung ausgeschlossen. Die Klägerin hat zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf den Beschluss des LSG NRW vom 30.10.2017, L 16 KR 780/16 NZB, verwiesen.

Die Klägerin und Widerbeklagte beantragt,

an die Klägerin und Widerbeklagte einen Betrag in Höhe von 300,00 EUR nebst 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.07.2015 zu zahlen.

Die Beklagte und Widerklägerin beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise widerklagend, die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 300,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin und Widerbeklagte beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf den Behalt der zu Unrecht gezahlten Aufwandspauschale, da die Beklagte im vorliegenden Fall keine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs 1c S 1 SGB V durchgeführt habe. Vielmehr habe hier eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit vorgelegen, da der Prüfauftrag an den MDK sich auf die korrekte Kodierung der Hauptdiagnose und der Prozeduren (OPS-Code 8-550.1) bezogen habe. Dieses Prüfrecht unterliege einem eigenen Prüfregime. Soweit eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung nicht zu einer Rechnungsminderung führe, werde keine Aufwandspauschale ausgelöst, da es sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung handele (so: BSG, Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 29/13 R sowie vom 23.06.2015, B 1 KR 13/14 R). Das von der Klägerin angeführte Aufrechnungsverbot im Landesvertrag sei unwirksam (so: Urteil des BSG vom 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R). Aus dem Urteil des LSG NRW vom 06.12.2016, a.a.O., ergebe sich ebenfalls nicht, dass im Falle der Verrechnung einer Aufwandspauschale ein Aufrechnungsverbot bestehe. Die Regelungen des Landesvertrages fänden nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 08.11.2013, B 3 KR 4/13 R) keine Anwendung auf Aufwandspauschalen, da es sich bei einer Aufwandspauschale nicht um einen Vergütungsanspruch handele, während die landesvertraglichen Regelungen jedoch ausschließlich für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser Gültigkeit beanspruchten. Das BSG habe im Übrigen auch die Zinsregelungen für unanwendbar erklärt, da auch sie nur auf Vergütungsansprüche Anwendung fänden. Bei dem geltend gemachten Rückzahlungsanspruch handele es sich um einen Erstattungsanspruch einer zu Unrecht gezahlten Aufwandspauschale, die keinen Vergütungsanspruch darstelle. Die Widerklage sei unmittelbar zulässig (so: LSG NRW, Urteil vom 06.12.2016, a.a.O.) und begründet. Die Beklagte verweist zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf ein Urteil des SG Koblenz vom 19.04.2016, S 12 KR 696/15.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die sämtlich vorgelegen haben und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG- unmittelbar zulässig, denn es geht auch bei einer auf Rückzahlung von verrechneten Behandlungskosten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch einen Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist ist nicht geboten (vgl. hierzu: ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R m.w.N.).

Die Klage ist dem Grunde und der Höhe nach begründet. Der Klägerin steht ein Vergütungsanspruch nach § 109 Abs 4 S 3 i.V.m. § 39 Abs 1 S 2 SGB V in Höhe der geltend gemachten Klageforderung gegenüber der Beklagten zu, denn die Beklagte hat zu Unrecht einen vermeintlichen Erstattungsanspruch in gleicher Höhe für sich in Anspruch genommen, mit dem sie die Aufrechnung gegen eine unstreitige Vergütungsforderung der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall erklärt hat. Gegenstand der Klage ist allein der Vergütungsanspruch der Klägerin wegen Krankenhausbehandlungskosten in einem anderen Behandlungsfall. Dies hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen hinreichend deutlich gemacht. Insbesondere hat sie zwischen dieser Vergütungsforderung und dem von der Beklagten aufrechnungsweise entgegen gehaltenen Erstattungsanspruch wegen einer zu Unrecht geleisteten Aufwandspauschale unterschieden. Soweit die Beklagte wegen einer zu Unrecht gezahlten Aufwandspauschale eine Verrechnung der ursprünglich vollständig beglichenen Vergütungsforderung der Klägerin mit einem Erstattungsanspruch in Höhe der Aufwandspauschale vorgenommen hat, erweist sich diese aus Sicht des Gerichts unter Berücksichtigung der Regelungen des Landesvertrages als unzulässig. Die Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch ist unwirksam, denn sie verstößt gegen das in § 15 Abs 4 S 2 des nordrhein-Westfälischen Sicherstellungsvertrages geregelte Aufrechnungsverbot. In § 15 Abs 4 S 2 des Sicherstellungsvertrages ist die Verrechnung nur bei Beanstandungen rechnerischer Art, nach Rücknahme der Kostenzusage und, falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, zulässig. In dieser Regelung ist ein konkludentes vertragliches Aufrechnungsverbot für Rückforderungen wegen sachlicher Beanstandungen zu sehen. Insoweit können Krankenkassen Rückzahlungsansprüche nur klageweise geltend machen (vgl. hierzu: Urteile des LSG NRW vom 03.06.2003, L 5 KR 205/02, vom 06.05.2004, L 5 KR 197/03 und zuletzt vom 06.12.2016, L 1 KR 358/15). Nach ständiger Rechtsprechung der mit dem Krankenversicherungsrecht betrauten Senate des LSG NRW enthält die in § 15 Abs 4 S 2 des Sicherstellungsvertrages vereinbarte Regelung ein Aufrechnungsverbot für die nicht ausdrücklich erwähnten Fälle, d. h. für Erstattungsansprüche bei Beanstandungen sachlicher Art, insbesondere bei Verstößen gegen das in § 12 SGB V geregelte Wirtschaftlichkeitsgebot. Demgegenüber geben die von der Beklagten angeführten Urteile des BSG vom 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R und B 1 KR 9/16 R, keinen Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Soweit das BSG entschieden hat, aus Regelungen der auf § 18 Abs 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz –KHG- beruhenden Pflegesatzvereinbarung könnten keine Aufrechnungsverbote abgeleitet werden, weil es hierfür an einer Ermächtigungsgrundlage fehle, lässt sich dies nicht auf das aus § 15 Abs 4 S 2 des Sicherstellungsvertrages folgende Aufrechnungsverbot übertragen. § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 b) SGB V ermächtigt ausdrücklich zur Vereinbarung von Regelungen auch über die Abrechnung von Entgelten. Dies schließt die Möglichkeit von Vereinbarungen über die Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen mit ein (vgl. hierzu: LSG NRW, Urteil vom 06.12.2016, a.a.O.). Vorliegend geht es nicht um eine Verrechnung aufgrund eines bloßen Rechenfehlers, sondern um die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs wegen einer Überzahlung aus einem anderen Rechtsgrund als der Abrechnung von Krankenhausbehandlungskosten. Diese Sachverhaltskonstellation ist von der in § 15 Abs 4 S 2 des Sicherstellungsvertrages eröffneten Aufrechnungsmöglichkeit nicht erfasst. Nach Auffassung des Gerichts fällt die Aufrechnung mit einer Aufwandspauschale gegen einen Vergütungsanspruch eines Krankenhauses unter das Aufrechnungsverbot des Sicherstellungsvertrages (vgl. hierzu: Beschluss des LKSG NRW vom 30.10.2017, L 16 KR 78/16 NZB). Demzufolge kommt es unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Aufrechnungsverbotes nicht auf die Rechtsnatur der Gegenforderung der Krankenkasse (hier: Erstattungsanspruch hinsichtlich Aufwandspauschale) an. Da es bei der Rückforderung der Aufwandspauschale nicht um eine Beanstandung rein rechnerischer Art geht, sondern um deren rechtliche Berechtigung, ist die in § 15 Abs 4 S 2 des Sicherstellungsvertrages getroffenen Regelung für die Beurteilung einschlägig. Der Anwendungsbereich dieser Regelung geht nach Auffassung des Gerichts über die bloßen Vergütungsansprüche im engeren Sinne hinaus und umfasst alle im Rahmen der Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Krankenhaus und Krankenkasse anfallenden Forderungen, die unmittelbar oder mittelbar auf einer Krankenhausbehandlung beruhen. Mithin ist die von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsforderung nicht durch Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen, denn die Voraussetzungen für eine vertragskonforme Verrechnung nach § 15 Abs 4 S 2 des Sicherstellungsvertrages liegen hier nicht vor.

Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 15 Abs 1 S 4 des Sicherstellungsvertrages i.V.m. § 1 Diskontsatzüberleistungsgesetz. Danach kann das Krankenhaus bei Überschreitung des Zahlungsziels (15 Tage nach Eingang der Rechnung § 15 Abs 1 S 1 des Sicherstellungsvertrages) nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen.

Die hilfsweise erhobene Widerklage der Beklagten ist nach § 100 SGG zulässig und als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG statthaft, denn die zulässige innerprozessuale Bedingung, nämlich die Feststellung der Unwirksamkeit der Aufrechnung und die dadurch bedingte Stattgabe der Klage, ist nach den vorstehenden Ausführungen eingetreten.

Die Widerklage ist indessen nicht begründet. Insoweit kann dahinstehen, ob der in § 100 SGG geforderte Zusammenhang des mit der Widerklage erhobenen Erstattungsanspruchs mit dem mit der Klage verfolgten Vergütungsanspruch gegeben ist. Rechtsgrundlage für den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch auf die überzahlte Aufwandspauschale ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der in § 15 Abs 4 S 1 des Sicherstellungsvertrages vorausgesetzt ist. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt unter anderem voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Dabei gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung des BGB (vgl. hierzu: Urteil des BSG vom 21.04.2015, B 1 KR 7/15 R m.w.N.). Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und dem im Rahmen eines Versorgungsvertrages nach § 108 SGB V tätigen Leistungserbringer sind öffentlich-rechtlicher Natur, § 69 Abs 1 SGB V. Die Beklagte hat die ihr in Rechnung gestellte Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V jedoch ohne Rechtsgrund an die Klägerin geleistet, denn eine solche fällt nur im Rahmen einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs 1 i.V.m. Abs 1c SGB V an, wenn die Prüfung zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages führt und keine sonstigen Besonderheiten zu beachten sind. Vorliegend geht es indessen um die Frage der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, wie aus dem Prüfauftrag an den MDK zu entnehmen ist. Demzufolge war die korrekte Kodierung der Hauptdiagnose und der Prozeduren Gegenstand des eingeleiteten Prüfverfahrens. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu zuletzt: Urteil vom 28.03.2017, B 1 KR 23/16 R, m.w.N.) erstrecken sich die Regelungen des § 275 SGB V nicht auf das Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeitskontrolle. Das Überprüfungsrecht der Krankenkassen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Rechnungslegung besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 SGB V. Faktische Überschneidungen zwischen beiden Prüfregimen können sich daraus ergeben, dass sachlich-rechnerische Unrichtigkeit Auffälligkeiten im Rechtssinne bewirken kann. Sie führen jedoch nicht dazu, den Rechtsbereich des Prüfregimes der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu beschränken. Die Zahlung einer Aufwandspauschale ist im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung nicht vorgesehen. Gleichwohl hat die Beklagte die ihr nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V unter dem 23.12.2014 in Rechnung gestellte Aufwandspauschale an die Beklagte gezahlt, wozu sie nach Maßgabe der Rechtsprechung des BSG (so: Urteile vom 01.07.2014, B 1 KR 29/13 R, vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R sowie vom 23.06.2015, B 1 KR 13/14 R und B 1 KR 24/14 R) rechtlich nicht verpflichtet war. Wenn die Beklagte eine sachlich-rechnerische Prüfung in Auftrag gibt und in Kenntnis der Vornahme einer solchen Prüfung, die nicht den Regelungen des § 275 SGB V unterfällt, sondern nach der zitierten Rechtsprechung einem eigenen Prüfregime folgt, dennoch die auf der Grundlage von § 275 Abs 1c S 3 SGB V geforderte Aufwandspauschale vorbehaltlos begleicht, steht einer späteren Rückforderung der Grundsatz von Treu und Glauben, wie er in § 814 BGB zum Ausdruck kommt, entgegen. Demzufolge kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Wenngleich der Rechtsgedanke des § 814 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch keine direkte Anwendung findet, so ist dieser jedoch aus dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben begrenzt. Angesichts der aus dem Jahre 2014 datierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung war der Beklagten bekannt, dass in Fällen wie dem vorliegenden keine Leistungsverpflichtung besteht. Zahlt eine Krankenkasse vorbehaltlos auf eine entsprechende Rechnung des Krankenhauses nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V ist sie mit dem späteren Bestreiten ihrer Zahlungspflicht und der mit der Rückforderung des Geleisteten immer dann ausgeschlossen, wenn sie positiv gewusst hat, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war. Kenntnis der Nichtschuld bedeutet positives Wissen um die Rechtslage zur Zeit der Leistung. Vorliegend hat die Beklagte die Aufwandspauschale in Kenntnis der Nichtschuld gezahlt, zumal die eine Aufwandspauschale ausschließende, aus dem Jahre 2014 datierende Rechtsprechung des BSG bekannt war.

Von daher fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung der Erstattungsforderung wegen Widerspruchs zum eigenen früheren Verhalten. § 814 BGB bildet insoweit eine Ausübungsschranke gemäß § 242 BGB für den Bereicherungsgläubiger.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann die Widerklage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 3. Teilsatz SGG i.V.m. § 154 Abs 1 der Verwaltungsgerichtsordnung –VwGO- und berücksichtigt, dass die Beklagte und Widerklägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 1. Teilsatz SGG i.V.m. §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1 und 3, 47 Abs 1 sowie 45 Abs 1 S 1 und 2 Gerichtskostengesetz –GKG-. Die Werte von Klage und Widerklage sind gemäß § 45 Abs 1 S 1 GKG zusammenzurechnen, denn Klage und Widerklage betreffen nicht denselben Gegenstand im Sinne von § 45 Abs 1 S 3 GKG. Der Streitwert ist demzufolge auf insgesamt 600,00 EUR festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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