L 11 KR 865/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4200/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 865/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Prinzip der monokausalen Kodierung wird nicht verletzt, wenn das Krankenhaus die Prozeduren 5-794.kh und 5-785.3h OPS 2011 nebeneinander abrechnet. Insoweit handelt es sich um eine Kodierung mehrerer selbständiger Prozeduren. Die Implantation von alloplastischem Knochenersatz (5-785) ist kein üblicher und vorhersehbarer Teil einer offenen Reposition einer Mehrfragmentur (5-794), sondern eine darüber hinausgehende, nicht vorhersehbare Maßnahme (sog. Atypik).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.01.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.135,36 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung und insbesondere, ob 2011 die OPS-Prozedur 5-785.3h neben der OPS-Prozedur 5-794.kh kodiert werden durfte.

Die Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V. Dort wurde im Zeitraum vom 27.11.2011 bis 15.12.2011 der bei der Klägerin versicherte M. P., geb. 1939, (im Folgenden: Versicherter) wegen einer neben einer Kniegelenksendoprothese gelegenen Trümmerfraktur des körperfernen rechten Oberschenkels stationär behandelt. Bei der durchgeführten Operation (Osteosynthese) wurde die Defektzone des Knochens mit einem keramischen Knochenersatz (BoneSave) aufgefüllt.

Die Beklagte stellte der Klägerin unter dem 20.12.2011 einen Endbetrag iHv 11.539,40 EUR in Rechnung und berücksichtigte dabei DRG I08C (andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, kompl. Proz. od. Diagnose, äußerst schw. CC od. bei Zerebralparese oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität od. Wirbelsäule, Alter ) 15 Jahre od. bei Para-/Tetraplegie). Die Klägerin beglich die Rechnung zunächst.

Am 12.01.2012 leitete sie eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD-BEV) ein. Sie bat um Prüfung, ob die Kodierung von Diagnose und Therapie (OPS) plausibel ist. Die Hauptdiagnose und die zunächst streitigen Nebendiagnosen sind zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig. Dipl.-Med. H. vom MD-BEV führte in seinen gutachterlichen Stellungnahmen vom 21.06.2012 und 18.10.2012 ua aus, dass der Kode 5-785.3h (Implantation von alloplastischem Knochenersatz: Keramischer Knochenersatz, resorbierbar: Femur distal) mangels entsprechender Hinweise im OPS nicht zum Kode 5-794.kh (offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens mit Osteosynthese: Durch winkelstabile Platte: Femur distal) angegeben werden könne. Darauf gestützt forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 09.01.2013 zur Rechnungskorrektur auf. Ein Neu-Grouping der Behandlungsdaten führe zu einem Rechnungsergebnis von 6.606,91 EUR. Es sei die DRG I08E abzurechnen. Die Rechnung sei um 4.932,49 EUR zu berichtigen.

Die Beklagte korrigierte die Rechnung nicht. Daraufhin hat die Klägerin am 18.12.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Auf Nachfrage hat sie mitgeteilt, dass sich die Klageforderung auf 5.135,36 EUR belaufe. Die Neuberechnung der abzurechnenden DRG I08E ergebe einen Betrag von 6.404,04 EUR.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage bei dem Chirurgen und Sozialmediziner Dr. S ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 19.08.2016 ausgeführt, dass die Prozeduren 5.794kh:R und 5-785.3h:R nebeneinander kodierbar seien. Dies lasse sich auch den FAQs des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Herausgeber des OPS, entnehmen. Danach komme es darauf an, dass die Implantation von keramischen Knochenersatz keine Teilprozedur darstelle, die normalerweise zu einer Osteosynthese dazu gehöre bzw regelhaft Bestandteil des kodierten Eingriffes sei. Die Implantation von Knochenersatzmaterial werde nur selten - zB beim Vorhandensein einer ausgedehnten Trümmerzone - zusätzlich durchgeführt und sei deshalb auch zusätzlich zu kodieren.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26.01.2017 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.135,36 EUR zuzüglich Zinsen iHv fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2015 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Prozedur 5-785.3 nicht kodiert habe werden dürfen. Die Mehrfachkodierung sei nur unter engen Voraussetzungen möglich. Dies ergebe sich aus der Regelung P001f der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), wonach normalerweise eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten in einem Kode abgebildet sei. Abweichungen davon seien in den Hinweisen beschrieben. Bestätigung finde diese Regelung in der DKR P003, wonach Grundprinzip des OPS die Abbildung eines durchgeführten Eingriffes möglichst mit einem Kode (monokausale Kodierung) sei. Davon gebe es jedoch Ausnahmen. Unter der Überschrift "Mehrfachkodierung" heiße es in der DKR P003a dazu, dass in einigen Bereichen eine Kodierung von Operationen mit mehreren Kodes vorgesehen sei. Dies sei insbesondere für die Abbildung komplexer Eingriffe erforderlich. In diesen Fällen würden im OPS Hinweise formuliert, die auf eine gesonderte Kodierung der einzelnen durchgeführten Eingriffe verweise. Demgemäß seien Ausnahmen von Grundprinzip der monokausalen Kodierung also nur dort zuzulassen, wo eine zusätzliche Verschlüsselung durch den OPS vorgesehen sei. Eine solche zusätzliche Verschlüsselung sei für die streitgegenständliche Implantation von keramischem Knochenersatz bei der Prozedur 5-794.kh nicht vorgesehen. Die FAQs des DIMDI seien nicht verbindlich.

Gegen das der Beklagten am 07.02.2017 zugestellte Urteil hat diese am 06.03.2017 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Sie ist der Auffassung, dass der alloplastische Knochenersatz verwendet worden sei und deshalb auch kodiert werden müsse. In FAQ Nr. 0011 des DIMDI werde ausgeführt, dass im OPS nicht alle Kombinationsmöglichkeiten von Operationen/Prozeduren mit dem Hinweis gekennzeichnet seien, dass eine zusätzliche Kodierung erforderlich und möglich sei. Grundsätzlich sei alles, was regelhaft Bestandteil des kodierten Eingriffes sei, im Kode abgebildet. Darüberhinausgehende Maßnahmen seien zusätzlich zu kodieren, auch wenn es keine entsprechenden Hinweise im OPS gebe. So liege der Fall hier. Es handle sich bei der Implantation von alloplastischem Knochenersatz nicht um einen selbstständigen Teil in dem Sinn, dass dieser völlig unabhängig von jeglicher anderen Prozedur erbracht werden könnte. Allerdings sei die Implantation von alloplastischem Knochenersatz auch kein üblicher Bestandteil einer offenen Reposition einer Mehrfragment-Fraktur. Der Anfall beider Prozeduren sei hier eher zufällig, weil bei der individuellen medizinischen Problematik in diesem Einzelfall beide Maßnahmen in einer Operation notwendig geworden seien. Lege man die Maßstäbe des SG zu Grunde, müsse man sich die Frage stellen, wozu die Prozedur "Implantation von alloplastischem Knochenersatz" in die OPS-Klassifikation aufgenommen worden sei, wenn sie ja nie zur Anwendung gelangen könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.01.2017 aufzuheben und Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die FAQ nicht verbindlich seien, sondern im Zweifel ausschließlich die DKR anzuwenden sei. Danach dürfe allerdings eine Mehrfachkodierung nur vorgenommen werden, wenn diese in den Hinweisen im OPS zugelassen sei. Dies sei hier nicht der Fall.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf einen Änderungsvorschlag des MDK Baden-Württemberg für den OPS 2011 hingewiesen, wonach zB bei einer Osteosynthese bei einer Tibiakopfimpressionsfraktur und Auffüllung der Defektzone mit keramischem Knochenersatz 785.2k neben 5-794.3k korrekt kodiert werden könne.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senat zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von 5.135,36 EUR verurteilt. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte betreffend die Behandlung des Versicherten, da ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl eingehend BSG 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, SozR 4-5562 § 11 Nr 2; 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2) nicht besteht. Die Zahlung der Vergütung iHv 11.539,40 EUR erfolgte nicht ohne Rechtsgrund. Denn die Beklagte hat zu Recht bezüglich der Behandlung des Versicherten die DRG I08C abgerechnet. Sie war dabei berechtigt, sowohl die OPS-Prozedur 5-794.kh als auch die OPS-Prozedur 5-785.3h der Abrechnung zu Grunde zu legen.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Die Beklagte erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie den Versicherten vom 27.11. bis 15.12.2011 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.

Die Klägerin durfte dabei auch die DRG I08C ("andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, kompl. Proz. od. Diagnose, äußerst schw. CC od. bei Zerebralparese oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität od. Wirbelsäule, Alter ) 15 Jahre od. bei Para-/Tetraplegie") in Rechnung stellen.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I S 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (jeweils idF des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes v 17.03.2009, BGBl I S 534) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17.03.2009, BGBl I S 534) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2011 v 23.09.2010 (Fallpauschalenvereinbarung 2011 - FPV-2011) einschließlich der Anlagen 1 bis 6. In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Pro-gramm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene - zertifiziert worden sind.

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS - hier in der Version 2011). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).

Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), vorliegend Stand 2011, und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, aaO; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R, juris).

Zwar sind Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, der OPS-Kodes und der Kodierrichtlinien in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Jedoch kann eine erforderliche systematische Interpretation der Vorschriften lediglich iS einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; stRspr). Diese Auslegungs- und Anwendungsprinzipien für die vereinbarten Vergütungsregelungen gelten in vergleichbarer Weise auch für die vom DIMDI erteilten "Hinweise" zur Auslegung und Anwendung einzelner OPS-Kodes. Denn das DIMDI hat nach § 301 Abs 2 SGB V die Pflicht, für eine sachgerechte Handhabung der Verschlüsselungshinweise zu sorgen. Dazu muss es die tägliche Praxis beobachten und durch regelmäßige Anpassung seiner Hinweise zu den diversen OPS-Kodes beobachtete Lücken und Unklarheiten beseitigen (BSG 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R, juris).

In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. Die DKR (hier anwendbar in der Version 2011) regeln Kodieranweisungen.

DKR P001f enthält allgemeine Kodierrichtlinien für Prozeduren. Die Regelung lautet auszugsweise wie folgt: "Normalerweise ist eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten, wie z.B. Vorbereitung, Lagerung, Anästhesie, Zugang, Naht, usw., in einem Kode abgebildet (siehe Beispiel 1 und 2). Abweichungen davon sind in den Hinweisen beschrieben."

DKR P003 enthält darüber hinaus folgende Regelung zur Mehrfachkodierung: "In einigen Bereichen ist eine Kodierung von Operationen mit mehreren Kodes vorgesehen. Dies ist insbesondere für die Abbildung komplexer Eingriffe erforderlich. In diesen Fällen wurden im OPS Hinweise formuliert, die auf eine gesonderte Kodierung der einzeln durchgeführten Eingriffe verweisen."

In den FAQ des DIMDI ist unter Nr 0011 auf deren Internetseite folgender Hinweis veröffentlicht: "Ist für die Kodierung einer Prozedur mit zwei oder mehr OPS-Kodes zwingend ein entsprechender Hinweis im OPS erforderlich? (FAQ Nr. 0011) seit OPS-301 Version 1.0 Im OPS sind nicht alle Kombinationsmöglichkeiten von Operationen/Prozeduren mit dem Hinweis gekennzeichnet, dass eine zusätzliche Kodierung erforderlich und möglich ist. Grundsätzlich ist alles, was regelhaft Bestandteil des kodierten Eingriffes ist, im Kode abgebildet. Darüber hinausgehende Maßnahmen sind zusätzlich zu kodieren, auch wenn es keinen entsprechenden Hinweis im OPS gibt."

Die Diagnosen (Haupt- und Nebendiagnosen) sind zwischen den Beteiligten nicht streitig und werden vom Senat, wie sie sich aus der Rechnung ergeben, der Entscheidung zugrunde gelegt.

Unter Berücksichtigung dieser Regelungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte zu Recht sowohl die OPS-Prozedur 5-794.kh als auch die OPS-Prozedur 5-785.3h der Abrechnung zu Grunde legen durfte.

Die OPS-Prozedur 5-794 ist im OPS 2011 wie folgt beschrieben: "5-794 Offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens mit Osteosynthese Inkl.: Versorgung kindlicher Frakturen Exkl.: Patellektomie (5-804.6) Hinw.: Die arthroskopisch assistierte Versorgung einer Fraktur ist gesondert zu kodieren (5-810.6) Die Lokalisation ist in der 6. Stelle nach folgender Liste zu kodieren: [ ] h&8596;Femur distal [.] 5-794.k** Durch winkelstabile Platte"

Die OPS-Prozedur 5-785 ist im OPS 2011 wie folgt beschrieben: "5-785 Implantation von alloplastischem Knochenersatz Inkl.: Planung und Zurichtung Exkl.: Implantation von endoprothetischem Gelenk- und Knochenersatz (5-82 ff.) Implantation eines nichtalloplastischen Knochen(teil-)ersatzes (5-828) Hinw.: Die Lokalisation ist in der 6. Stelle nach der Liste vor Kode 5-780 zu kodieren [ ] 5-785.3** Keramischer Knochenersatz, resorbierbar"

Die tatbestandlichen Voraussetzungen beider OPS-Prozeduren sind erfüllt. Aus dem Operationsbericht geht eine Osteosynthese mit einer winkelstabilen 12-Loch-Platte am körperfernen Oberschenkel hervor. Auch wurde zweifelsohne ein alloplastischer (keramischer) Knochenersatz implantiert.

Auch wenn die Klägerin zutreffend darauf hinweist, dass die Prozeduren keine expliziten Hinweise darauf enthalten, dass sie nebeneinander zu berücksichtigen sind, ergibt sich dies im hier zu entscheidenden Einzelfall aus einer Atypik. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist eine Atypik dann gegeben, wenn der aufgetretene Fall im Rahmen der durchgeführten Prozedur kaum vorhersehbar war. Bei vorhersehbaren Fällen liegt es indes nahe, die zusätzliche Verschlüsselbarkeit über entsprechende Hinweise aufgrund von Abweichungen vom Normalfall im OPS-301 vorzusehen. Ließe man eine zusätzliche Verschlüsselung auch bei vorhersehbaren Teilprozeduren zu, wäre das Grundprinzip der monokausalen Kodierung weitgehend ausgehöhlt (BSG 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 11). Bei der Implantation von keramischem Knochenersatz handelt es sich zumindest in der hier gegebenen Konstellation bei Osteosynthese am körperfernen Oberschenkel um eine nicht regelmäßig vorkommende und üblicherweise nicht vorhersehbare Prozedur, die dann einer separaten Kodierung zugänglich ist.

Der Senat sieht sich diesbezüglich auch durch die unverbindlichen Ausführungen des DIMDI im FAQ Nr 0011 bestätigt. Danach ist grundsätzlich alles, was regelhaft Bestandteil des kodierten Eingriffes ist, im Kode abgebildet. Darüber hinausgehende Maßnahmen sind zusätzlich zu kodieren, auch wenn es keinen entsprechenden Hinweis im OPS gibt. So liegt der Fall hier. Bei der Implantation von alloplastischem Knochenersatz handelt es sich nicht um einen selbstständigen Teil in dem Sinn, dass dieser völlig unabhängig von jeglicher anderen Prozedur erbracht werden könnte. Allerdings ist die Implantation von alloplastischem Knochenersatz (5-785) auch kein üblicher Bestandteil einer offenen Reposition einer Mehrfragmentfraktur (5-794), sondern eine darüber hinausgehende Maßnahme. Darauf hat auch der Gutachter Dr. S. gegenüber dem SG hingewiesen. Hiernach handelt es sich bei der Implantation von Knochenersatzmaterial gerade nicht um eine verfahrenstypische Teilkomponente eine Osteosynthese, sondern um etwas, was selten - zB beim Vorhandensein einer ausgedehnten Trümmerzone - zusätzlich durchgeführt wird. Dies war beim Versicherten der Fall.

Der Senat sieht sich bei seiner Auslegung zusätzlich auch durch den vom MDK Baden-Württemberg eingebrachten Änderungsvorschlag für den OPS 2011 bestätigt. Der MDK war der Auffassung, dass der Hinweis unter 5-785, dass dieser Kode als Zusatzkode zu 5-828 verwendet werden könne, den Zusatzkode 5-785 einschränke und dahingehend interpretiert werde, dass er nur bei 5-828 angegeben werden könne. Werde zB eine Osteosynthese bei einer Tibiakopfimpressionsfraktur durchgeführt (Winkelplatte, Kodierung mit 5-794.3k) und die Defektzone mit keramischem Knochenersatz (Endobone®) aufgefüllt, bestünden Zweifel, dass 5-785.2k neben 5-794.3k kodiert werden könne, was aber korrekt sei. Der vom MDK beschriebene Abrechnungsfall ist mit dem hier streitgegenständlichen vergleichbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Hs 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved