L 5 KR 174/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 1238/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 174/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.01.2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.741,73 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Vergütung einer Krankenhausbehandlung i.H.v. 6.741,73 EUR.

Die Beklagte ist ein für die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes (§ 108 SGB V) Krankenhaus.

Der bei der Klägerin Versicherte I L wurde in der Zeit vom 17.11. bis 06.12.2007 auf der Intensivstation der Beklagten wegen einer Pneumonie behandelt. Die noch im Jahr 2007 von der Beklagten gestellte Rechnung basierte u.a. auf der Codierung der Prozedur OPS-Kode 8-980 (intensivmedizinische Komplexbehandlung). Ohne Berücksichtigung des OPS-Kode 8-980 hätte sich ein um 6.741,73 EUR geringerer Rechnungsbetrag ergeben.

Unter dem 11.12.2009 erstellte der von der Beklagten hinzugezogene Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach einer Begehung der Räumlichkeiten der Beklagten eine Stellungnahme. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass die strukturellen Merkmale des OPS-Kode 8-980 formal nicht erfüllt seien. Nicht in allen Fällen sei eine kontinuierliche ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation gewährleistet. Die Intensivstation sei bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes bzw. bis zur Rückkehr des auf der Intensivstation diensttuenden Anästhesisten, der seine Patienten kenne, dann nicht ärztlich besetzt, wenn der diensthabende Anästhesist z.B. eine Reanimation auf einer anderen Station durchführen müsse, wenn eine Notfalloperation erfolge oder wenn ein Notfallpatient in der Notaufnahme dringend versorgt werden müsse.

In einem Schreiben vom 14.01.2010 trug die Beklagte ihre schon anlässlich der Begehung gegenüber den Ärztinnen des MDK vorgetragenen Einwände nochmals vor:

- Reanimationen auf einer anderen Station würden außerhalb der Kernarbeitszeiten (Nacht- und Wochenenddienst) durch die chirurgischen und internistischen diensthabenden Kollegen durchgeführt. Im Falle einer notwendigen Reanimation, die mit Hilfe eines Anästhesisten auf einer anderen Station außerhalb der Intensivstation durchgeführt werden müsse, werde der diensttuenden Anästhesist durch den internistischen Kollegen, der intensivmedizinisch erfahren sei und die aktuellen Krankheitsbilder der Patienten auf der Intensivstation kennte, auf der Intensivstation abgelöst. Aus diesem Grund würden auch täglich gemeinsame interdisziplinäre Intensivvisiten sowie gemeinsame Übergabevisiten durchgeführt. Die diensttuenden Bereitschaftsdienste außerhalb der Kernarbeitszeit seien vollumfänglich über die aktuellen Krankheitsbilder der intensivpflichtigen Patienten informiert.

- Im Fall einer Notfalloperation werde der fachärztlich besetzte Hintergrunddienst, welcher innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zeitvorgabe, das Krankenhaus erreiche, informiert. Der diensttuende internistische Bereitschaftsdienst löse den Anästhesisten im Überbrückungszeitraum bis zum Eintreffen des fachärztlich besetzten Rufdienstes auf der Intensivstation ab. Erst nach Eintreffen des internistischen Bereitschaftsdienstes verlasse der anästhesiologische Kollege die Intensivstation.

- Notfallpatienten in der Ambulanz, die dringend einer anästhesiologischen Behandlung bedürften, würden auf der Intensivstation weiterversorgt. Ein entsprechender Schockraum stehe zur Verfügung.

Hierauf erstellte der MDK unter dem 13.04.2010 eine weitere Stellungnahme, in der er die Auffassung vertrat, laut Stellungnahme des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) könne es "nicht ein Diensthabender des Hauses sein", der die Ablösung auf der Intensivstation gewährleiste. Ferner reiche es nicht aus, wenn ein Diensthabender des Hauses am Abend im Rahmen einer Visite auf der Intensivstation kurz über die anstehenden Probleme informiert werde und sich dann wieder dem Nachtdienst im Hause widme. Der den diensthabenden Anästhesisten der Intensivstation bei einem Notfalleinsatz außerhalb der Intensivstation ablösende Internist könne die akuten Probleme der Patienten auf der Intensivstation nur kennen, wenn er unmittelbar vorher mit der Versorgung der Patienten auf der Intensivstation beschäftigt gewesen sei. Davon sei hier aber nicht auszugehen, da die Patientenversorgung im Dienst dem Anästhesisten obliege und der Internist andere Bereiche zu versorgen habe. Auch interdisziplinäre Visiten und Übergabevisiten seien nicht geeignet, eine kontinuierliche Patientenversorgung durch einen über die aktuellen Probleme seiner Patienten informierten Arzt sicherzustellen. Mit Blick auf die denkbaren Ablösungsgründe (z.B. Reanimation oder Notfallversorgung) sei ein hinreichender Informationsaustausch zwischen den Ärzten auch anlässlich der jeweiligen Übergaben nicht möglich.

In einem Schreiben vom 18.01.2010 informierte die Klägerin die Beklagten (nochmals) über den Inhalt der (ersten) Stellungnahme des MDK und bat um Rechnungskorrektur, was die Beklagte (für diesen und alle vergleichbaren Behandlungsfälle aus den Jahren 2007 bis 2009) ablehnte (Schreiben vom 08.06.2010).

Die Klägerin hat am 27.12.2011 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Aufgrund der Beurteilung des MDK sei es im Hinblick auf die strukturellen Voraussetzungen nicht möglich, der Beklagten eine Vergütung unter Berücksichtigung des OPS-Kode 8-980 zu gewähren. Die ständige Anwesenheit eines Arztes, die der Kode voraussetze, sei nicht mehr gewährleistet, wenn der auf der Intensivstation tätige Anästhesist neben dem Dienst auf der Intensivstation planmäßig auf anderen Stationen des Krankenhauses weitere Aufgaben erfüllen müsse (Bezugnahme auf LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2012 - L 5 KR 97/11 und SG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2014 - S 9 KR 1240/11). Da die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung als solche nicht streitig sei, werde nur der von der Beklagten zu Unrecht in Rechnung gestellte Teilbetrag zurückgefordert.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 6.741,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin könne aus einem vermeintlichen Fehlen der Voraussetzungen zur Abrechnung der intensivmedizinischen Komplexbehandlung im Jahr 2009 nicht auf die Umstände im Jahr 2007 schließen. Im Übrigen trage sie insoweit die materielle Beweislast (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R Rn. 35). Zudem verstoße die Klägerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, insbesondere das Beschleunigungsgebot (Bezugnahme auf BSG, Urteile vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R sowie vom 28.11.2013 - B 3 KR 24/12 R Rn. 33, 46-50 und - B 3 KR 27/12 R Rn. 34, 47-51). Der Rückforderungsanspruch sei verwirkt, weil der abgerechnete Fall aus dem Jahr 2007 datiere, eine Erstattung von der Klägerin jedoch erst im Jahr 2010 geltend gemacht worden sei. Zwischen 2007 und 2009 habe es weder Gespräche über den Behandlungsfall zwischen den Beteiligten gegeben, noch sei ein Ermittlungsverfahren bekannt gewesen. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Möglichkeit zur nachträglichen Korrektur von Krankenhausabrechnungen wegen des Grundsatzes der Waffengleichheit bis zum Ende des Kalenderjahres, das auf das Abrechnungsjahr folge, begrenzt. Zudem sei die Klägerin mit ihren Einwendungen bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie die Frist zur medizinischen Überprüfung von Krankenhausrechnungen nicht eingehalten habe (§ 275 Abs. 1c SGB V).

Die Klägerin verschweige, dass es sich bei der gutachterlichen Stellungnahme des MDK eigentlich um eine Einzelfallprüfung nach § 275 SGB V im Hinblick auf eine Behandlung des Patienten Köpke und nicht um eine Strukturprüfung gehandelt habe. Das Vorliegen der Voraussetzungen des OPS-Kodes 8-890 lasse sich jedoch stets nur im Einzelfall feststellen. So ließen sich etwa die Aufwandspunkte der SAPS II, spezielle intensiv medizinische Prozeduren und das Alter denknotwendig nur auf den einzelnen Patienten bezogen ermitteln. Gleiches müsse auch für die Mindestmerkmale kontinuierliche 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten u.s.w. gelten. Im Gegensatz zu anderen OPS-Kodes oder Qualitätssicherungsmaßnahmen des GBA enthalte der OPS-Kode 8-980 keinen Hinweis darauf, dass bestimmte Mindestmerkmale als allgemein gültige Strukturvoraussetzung angesehen würden sowie generell und unabhängig vom jeweiligen einzelnen Behandlungsfall vorliegen müssten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das DIMDI als maßgebliche Fachinstitution in dem OPS-Kode deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, wenn es in Abweichung zu diesen anderen Mindestmerkmalen einzelne Mindestmerkmale als allgemeine Strukturvoraussetzung angelegt hätte. Die Klägerin lege nun einen anonymisierten, für den internen MDK-Gebrauch gedachten Anhang zu der gutachterlichen Stellungnahme vor. Sie wolle damit den Eindruck erwecken, die Prüfung des MDK habe nicht einem konkreten Fall gegolten.

Im Übrigen seien die Voraussetzungen für eine intensivmedizinische Komplexbehandlung (insbesondere die ständige Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation) selbstverständlich erfüllt gewesen. Dies ergebe sich bereits aus den Auslegungsgrundsätzen des DIMDI zu dem streitigen OPS-Kode. Im Übrigen habe das DIMDI im Februar 2011 zur Abrechnung des OPS-Kode 8-980 ergänzt, dass es unschädlich sei, wenn der Arzt der Intensivstation kurzfristig zu einem Notfalleinsatz innerhalb des Krankenhauses (z.B. Reanimation) hinzugezogen werde.

Schließlich hat die Beklagte Bezug genommen auf die Berufungsbegründung in dem (inzwischen in der Berufungsinstanz anhängig gewordenen) Parallelverfahren SG Düsseldorf S 9 KR 1240/11 (nachfolgend LSG NRW - L 5 KR 11/15 R).

Mit Urteil vom 27.01.2015 - der Beklagten zugestellt am 04.03.2015 - hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der Anspruch auf Rückzahlung von 6.741,73 EUR ergebe sich aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil die Beklagte die Behandlung des Versicherten I L nicht unter Berücksichtigung des OPS-Kode 8-980 hätte abrechnen dürfen.

Der Vergütungsanspruch für eine Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entstehe - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolge und - wie hier - im Sinne von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich sei. Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2007 bemesse sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Beklagten nach § 109 Abs 4 S 3 SGB V i.V.m. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG, der Anlage 1 Teil a) KFPV 2007 und § 17b KFG.

Vorliegend hätte die Beklagte nicht den OPS-Kode 8-980 abrechnen dürfen. Hierunter falle die Intensivüberwachung ohne akute Behandlung lebenswichtiger Organsysteme oder kurzfristige (( 24 Stunden) Intensivbehandlung sowie die kurzfristige (( 24 Stunden) Stabilisierung von Patienten nach operativen Eingriffen. Unter den "Hinweisen" des DIMDI fänden sich die Mindestmerkmale zur Kodierung dieser Prozedur. Danach müssten u.a. folgende Mindestmerkmale kumulativ vorliegen:

1. Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen.

2. Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein.

Das Merkmal "ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein" sei zur Überzeugung der Kammer nicht erfüllt. Dies ergebe sich bereits aus den von der Beklagten vorgelegten Auslegungsgrundsätzen des DIMDI zu dem streitigen OPS-Kode. Hiernach bedeute ständige Anwesenheit eines Arztes, dass der Arzt ständig auf der Intensivstation anwesend sein müsse, d.h. er müsse innerhalb kürzester Zeit (etwa 5 Minuten) direkt handlungsfähig am Patienten sein. So sei es zwar durchaus denkbar, dass er sich während des Dienstes auf der Station in einem Nebenraum kurz ausruhe, genauso, wie er in einem anderen Bereich der Intensivstation beschäftigt sein könne. Damit gemeint sei allerdings nicht, dass er neben dem Dienst auf der Intensivstation gleichzeitig an anderer Stelle des Krankenhauses weitere Aufgaben erfüllen müsse. Dies sei aber hier gerade der Fall. Denn der Arzt auf der Intensivstation sei, wenn eine Reanimation auf einer anderen Station durchgeführt werden müsse, wenn ein dringendes Prämedikationsgespräch im Kreißsaal oder in der Ambulanz erforderlich sei, wenn eine Notsektio anstehe oder wenn ein Notfallpatient im Schockraum dringend versorgt werden müsse, nicht mehr auf der Intensivstation anwesend. Die Kammer verkenne dabei nicht, dass - anders als im vom Bundessozialgericht am 08.07.2013 - B 3 KR 25/12 R, entschiedenen Fall, bei dem der auf der Intensivstation anwesende Arzt gleichzeitig auch noch eine andere Station zu betreuen hatte - der bei der Beklagten tätige diensthabende Arzt neben seiner eigentlichen Aufgabe auf der Intensivstation ausschließlich zu notfallartigen Behandlungen im Krankenhaus beigezogen werde. Es sei jedoch nicht gewährleistet, dass - bei Eintreten eines solchen Notfalls - innerhalb der vom DIMDI vorgegebenen fünf Minuten eine ärztliche Überwachung der auf der Intensivstation befindlichen Patienten stattfinde. Die Beklagte führe insoweit selbst aus, dass der Hintergrunddienst 15-20 Minuten benötige, um den von dem auf der Intensivstation diensthabenden Anästhesisten übernommenen Notfall zu übernehmen. Diese Zeitspanne halte das Gericht nicht mehr für ausreichend, um das Merkmal "ständige Anwesenheit eines Arztes" zu gewährleisten. Dabei könne es auch nicht entscheidend sein, dass die von dem Anästhesisten notfallmäßig wahrzunehmenden Aufgaben in anderen Bereichen des Krankenhauses eher selten vorkämen. Vielmehr setze die Beklagte den auf der Intensivstation tätigen Anästhesisten planmäßig in einem anderen Bereich - hier Notfallbereich - ein.

Auch aus der Ergänzung, die das DIMDI im Februar 2011 zur Klarstellung dieses Codes vorgenommen habe, ergebe sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten kein anderes Ergebnis. Denn eine Ergänzung, die im Februar 2011 vorgenommen worden sei, könne nicht rückwirkend für Behandlungsfälle gelten, die im Jahr 2007 stattgefunden hätten. Insoweit hätten auch die von der Beklagten vorgelegten Zeugenaussagen in der Berufungsschrift zum Urteil der 9. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles, wenn dort von den Zeugen ausgeführt werde, dass aus heutiger Sicht (2011) ein Wandel bei der Auslegung des OPS-8-980 festzustellen sei.

Soweit die Beklagte ausführe, dass die Klägerin aus den Verhältnissen bei der Begehung im Jahre 2010 nicht auf die Verhältnisse im Jahr 2007 schließen könne, trage diese Begründung nicht. Zum einen habe die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst keine anderen Umstände vorgetragen, die andere Verhältnisse im Jahr 2007 rechtfertigen würden. Zum anderen wäre insoweit die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sich die Verhältnisse im Jahr 2007 zu denen im Jahr 2010 verändert hätten. Das Gericht gehe insoweit von einer Beweislastumkehr aus, da die Klägerin aufgrund der Begehung im Jahr 2010 substantiierte Tatsachen vorgetragen habe, die nicht durch einfaches Bestreiten seitens der Beklagten widerlegt werden könnten. Allein die Beklagte sei in der Lage, die Verhältnisse in ihrem Krankenhaus im Jahr 2007 darzustellen.

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin eine Einzelfallprüfung der Abrechnung durch den MDK innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V hätte einleiten müssen. Die Klägerin sei deshalb mit ihren Einwendungen nicht ausgeschlossen. Denn wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18.07.2013 - B 3 KR 25/12 R (Rn. 21) festgestellt habe, sei die Frage, ob in einem Krankenhaus die ständige ärztliche Anwesenheit im oben dargestellten Sinne gewährleistet sei, als strukturelle Abrechnungsvoraussetzung des Kodes 8-980 unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhaues zu beurteilen. Es gehe also nicht um eine medizinische Sachfrage des konkreten Einzelfalls, zu deren Klärung der MDK einzuschalten sei.

Der Anspruch der Klägerin sei schließlich nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passe als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es finde nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 56/12 R Rn. 15), etwa wenn eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse erfolgt. Ein solcher Fall liege hier indes nicht vor.

Die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sei auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Sie setze als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen habe und weitere besondere Umstände hinzuträten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen ließen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" lägen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

An solchen, die Verwirkung auslösenden Umständen, fehle es vorliegend. Es habe keine Vereinbarung zwischen den Beteiligten gegeben, die die Geltendmachung des Erstattungsanspruches ausschließe. Aus dem Umstand, dass die Klägerin die Rechnung ohne Erklärung eines Vorbehaltes gezahlt habe, ergebe sich nichts anderes. § 15 Abs. 1 S. 1 des Sicherstellungsvertrages schreibe ein Begleichen der Rechnung innerhalb von 15 Kalendertagen vor. Nach § 15 Abs. 4 des Sicherstellungsvertrages könnten Beanstandungen auch noch nach der Bezahlung geltend gemacht werden. Die Regelung fordere keine vorausgegangene Beanstandung oder die Erklärung eines Vorbehalts bei der Zahlung.

Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 01.07.2014 - B 1 KR 2/13 R entschieden, dass allein der Zeitablauf kein die Verwirkung begründendes Verhalten darstelle. Der Umstand, dass die Klägerin bis kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit der Geltendmachung ihrer Forderung gewartet habe, genügt deshalb nicht. Hierdurch unterscheide sich die Verwirkung von der Verjährung. Nichtstun, also bloßes Unterlassen, könne ein schutzwürdiges Vertrauen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten dürfe. Dafür biete der vorliegende Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte.

Am 27.03.2015 hat die Beklagte gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf Berufung eingelegt.

Da die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung nahezu wortgleich mit dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.11.2014 - S 9 KR 1240/11 seien, bestünden schon erhebliche Zweifel, ob sie überhaupt die Gründe wiedergäben, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen seien (§ 128 Abs. 1 S. 2 SGG). Insbesondere habe sich das Sozialgericht mit dem weiteren Vorbringen in dem vorliegenden Verfahren (Schriftsatz vom 13.01.2015) nur sehr unzureichend auseinandergesetzt.

Im Übrigen wiederholt sie umfänglich ihre Ausführungen in der Berufungsschrift vom 08.01.2015 in dem Parallelverfahren LSG Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 11/15 R.

Ergänzend macht sie geltend, es stehe dem Krankenhausträger frei, wie er sich organisiere und sicherstelle, dass der Anästhesist nur in äußerst seltenen Notfällen die Intensivstation verlassen müsse. Dabei räumt sie ein, es sei nicht auszuschließen, dass der ablösende Internist den Anästhesisten auf dem Flur treffe, also nicht beide eine "Übergabe" auf der Intensivstation machen könnten.

Schließlich wendet die Beklagte (mit Schriftsatz vom 27.02.2018) ein, die Umstände des vorliegenden Falles seien wesentlich andere als die, die dem vom erkennenden Senat mit Urteil vom 08.12.2016 - L 5 KR 11/15 entschiedenen Fall zu Grunde gelegen hätten. Unter Berücksichtigung der konkreten Abläufe und der Stellungnahme des MDK vom 13.04.2010 gehe die Argumentation offensichtlich weg von der Schlussfolgerung, das Mindestmerkmal "eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein" sei nicht gegeben, hin zu der Auffassung, das Mindestmerkmal "kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen" sei nicht erfüllt. Es könne jedoch nicht davon die Rede sein, dass das Team der Intensivstation die aktuellen Probleme ihrer Patienten nicht kenne, nur weil sich der Anästhesist möglicherweise von der Intensivstation entferne, um kurzzeitig in ganz wenigen und außergewöhnlichen Notfällen Hilfe zu leisten. Dies gelte umso mehr, als es auf der Intensivstation einen Schockraum gebe, der mit Beatmungsgeräten, Defibrillator, Monitoring, EKG u.s.w. ausgestattet sei. Dorthin würden vital gefährdete Patienten sofort verbracht, sodass der Anästhesist die Intensivstation nicht verlassen müsse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.01.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

A) Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat dem als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaften Begehren der Klägerin auf Rückzahlung eines Betrages von 6.741,73 EUR zuzüglich 2% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (27.12.2011) zu Recht stattgegeben.

I. Rechtsgrundlage für die Hauptforderung ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.

Dieser Anspruch setzt voraus, dass der Berechtigte (hier die Klägerin) im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (st. Respr. vgl. z.B. BSG, Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R Rn. 9 m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 27.10.2016 - L 5 KR 132/16 m.w.N.).

Dies ist hier der Fall, weil die Beklagte die Behandlung des Versicherten I L in der Zeit vom 17.11. bis 06.12.2007 nicht unter Berücksichtigung des OPS-Kodes 8-980 abrechnen durfte. Der streitige Teilbetrag für die Behandlung des Versicherten stand ihr somit nicht zu.

Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt, und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Ausführungen in der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, eine abweichende Entscheidung zu begründen.

1. Soweit die Beklagte eine fallbezogene und damit ausreichende Begründung des angefochtenen Urteils bemängelt (§§ 128 Abs. 1 S. 2, 136 SGG), greift dies nicht durch. Denn das Gericht ist nur gehalten, das wesentliche Vorbringen der Beteiligten zu nennen und in den Entscheidungsgründen zu würdigen.

Da der vorliegende Fall sowohl vom Sachverhalt als auch vom Vorbringen der (faktisch identischen) Beteiligten erhebliche Parallelen mit dem von der 9. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf am 10.11.2014 - S 9 KR 1240/11 entschiedenen Fall aufweist, ist es insoweit nicht zu beanstanden, wenn die im vorliegenden Fall erkennende Kammer Passagen aus dem Urteil in dem Parallelverfahren (der 9. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf) übernimmt, soweit es die Einschätzung bzw. Argumentation teilt.

Das im vorliegenden Fall von der Beklagten zusätzlich vorgetragene Argument, die Änderung der Hinweise des DIMDI habe nachträglich eine Klarstellung gebracht, hat das Sozialgericht sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen gewürdigt.

2. Soweit die Beklagte - wie schon in dem beim erkennenden Senat anhängig gewesenen Verfahren mit dem Aktenzeichen L 5 KR 11/15 - auch im vorliegenden Berufungsverfahren einwendet, es liege ein Fall des § 275 Abs. 1c SGB V vor, es sei (jedenfalls nach Klarstellung der Auslegungsgrundsätze durch das DIMDI im Februar 2011) unschädlich, wenn der auf der Intensivstation tätige Anästhesist in der Nach und am Wochenende notfallmäßig auch in anderen Abteilungen des Krankenhauses tätig werden müsse, und der Erstattungsanspruch der Klägerin sei verwirkt, verweist der Senat auf seine Ausführungen in den Entscheidungsgründen seines rechtskräftigen Urteils vom 08.12.2016 - L 5 KR 11/15, die den Beteiligten bekannt sind und hier in gleicher Weise gelten.

3. Schließlich sind auch die Ausführungen der Beklagten in dem Schriftsatz vom 27.02.2018 nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung des Falles zu gelangen.

a) Dass die hier zu Grunde liegenden (organisatorischen) Umstände wesentlich andere wären, als in dem bereits rechtskräftig entschiedenen Parallelverfahren, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwischen den Beteiligten war und ist unstreitig, dass der auf der Intensivstation eingesetzte Anästhesist in Notfällen "planmäßig" die Intensivstation verlassen muss, wo er von einem internistischen Kollegen kurzfristig abgelöst wird. Noch nach den Angaben der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.03.2018 war dabei nicht auszuschließen, "dass der ablösende Internist den Anästhesisten auf dem Flur" traf und somit eine gewisse zeitliche Vakanz auf der Intensivstation vorlag.

b) Selbst wenn sich, dem Vortrag der Beklagten folgend, die Argumentation des MDK in der Stellungnahme vom 13.04.2010 dahin gehend geändert hätte, dass das Mindestmerkmal "kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen" nicht erfüllt war, würde sich die Beurteilung nicht ändern. Denn diese Einschätzung ist richtig, wenn man davon ausgeht, dass der auf der Intensivstation tätige Anästhesist nahtlos durch einen internistischen Kollegen ersetzt wurde.

Die Argumentation der Beklagten, es könne nicht davon die Rede sein, dass das Team der Intensivstation die aktuellen Probleme ihrer Patienten nicht kennte, nur weil sich der Anästhesist möglicherweise von der Intensivstation entferne, um kurzzeitig in ganz wenigen und außergewöhnlichen Fällen Hilfe zu leisten, ist schon nach dem Wortlaut des OPS-Kode 8-980 unzutreffend, weil dieser nicht auf die Kenntnis des "Teams" (als Ganzes), sondern auf die einzelnen Personen abstellt (" kennen."). Die Kenntnis vom aktuellen Gesundheitszustand aller Patienten der Intensivstation muss also bei allen Mitgliedern des Teams einzeln und gleichzeitig vorliegen.

Hinzu kommt, dass nach den (vom MDK zitierten) Auslegungshinweisen des DIMDI ein anderer Diensthabender des Hauses die aktuellen Probleme der Patienten nicht kennen kann. Es reicht danach auch nicht aus, dass ein Diensthabender - wie hier durch Übergabevisiten und/oder tägliche interdisziplinäre Intensivvisiten - über "die anstehenden Probleme" informiert wird und sich dann wieder dem Nachtdienst (in einer anderen Abteilung des Hauses) widmet. Der Arzt muss (nach den DIMDI-Hinweisen) wirklich in das Team der Intensivstation eingebunden sein, was hier auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht der Fall war. Die Forderung nach einer ständigen Eingebundenheit eines Arztes auf der Intensivstation ist auch nachvollziehbar. Denn es liegt auf der Hand, dass sich gerade auf einer Intensivstation die Situation bzw. die Krankheitsbilder der Patienten auch kurzfristig stark ändern können, sodass eine (Übergabe-)Visite, die ggf. einige Stunden vor der Übernahme der Verantwortung erfolgt, nicht ausreicht, um mit den aktuellen Problemen aller Patienten auf der Intensivstation vertraut zu sein.

II. Die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Prozesszinsen - 2% über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) - der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. dem Sicherstellungsvertrag nach § 112 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2009 - B 1 KR 8/09 R).

B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

C) Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.

D) Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 1. HS SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 47 Abs.1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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