An dem erst kürzlich vorgestellten Geriatrie-Konzept von Bremens Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) gibt es von verschiedenen Stellen nun erhebliche Kritik. Der Bremer Hausärzteverband hat der Behörde einen offenen Brief geschrieben und sieht die Interessen der Hausärzte in der neuen Strategie für die Altersmedizin nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei sollen die Hausarztpraxen künftig eine zentrale Rolle einnehmen. Wie berichtet, sieht der neue Plan vor, die Position der Allgemeinmediziner zu stärken.
Sie sollen unter anderem in den Stadtteilen eine Lotsenfunktion übernehmen und Informationen zu wohnortnahen Gesundheitsangeboten vermitteln können. Zusätzlich sollen sogenannte Schwerpunktpraxen entstehen, die die Lücke zwischen Hausärzten und den Krankenhäusern schließen – offenbar jedoch zum Unmut der Hausärzte. "Die Vorschläge konterkarieren die Rolle der Hausärzte eher, statt sie im Sinne der Patientinnen und Patienten zu stärken", sagt Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes.
Mühlenfeld kritisiert vor allem, dass kein Vertreter der Hausärzte in dem Gremium gesessen hat, dass das neue Konzept in den vergangenen Monaten ausgearbeitet hat. Es soll langfristig die medizinische Versorgung älterer Menschen im Bundesland verbessern und deren Lebensqualität so lange wie möglich erhalten. An der Strategie waren neben der Gesundheitssenatorin verschiedene Experten beteiligt, wie Funktionsträger der Krankenkasse, Kliniken und auch der Ärztekammer. Laut Mühlenfeld stimmen aber nicht alle Ärzte mit dem Standpunkt der Kammer überein: "Die Ärztekammer Bremen spricht nicht in allen Fragen für die gesamte Ärzteschaft, und insbesondere nicht für die Hausärzte. Dies gilt in besonderer Weise für Themen aus dem Bereich der geriatrischen Versorgung", sagt er.
In dem Brief zählt der Verband mehrere Punkte auf, die er für nicht sinnvoll hält. Unter anderem monieren die Hausärzte die Einrichtung möglicher Schwerpunktpraxen. Diese Maßnahme würde die Versorgungsverantwortlichkeiten weiter zerstückeln und einer koordinierten Versorgung aus einer Hand erschweren. Laut dem Hausärzteverband hat die Gesundheitsbehörde bisher nicht auf das Schreiben geantwortet, das dort vor einigen Tagen eingegangen ist. Auf Nachfrage des WESER-KURIER verkündet die Sprecherin der Behörde, Christina Selzer, dass das Gremium noch ausführlich auf die Kritik eingehen werde.
"Es geht in dem Konzept um eine Stärkung der Hausärzte. Das Papier betont die hausarztzentrierte ärztliche Versorgung geriatrischer Patienten. Die Hausärztinnen und Hausärzte bleiben auch weiterhin erste Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten und entscheiden auf Basis ihrer Bewertung, ob eine Behandlung durch einen geriatrischen Spezialisten erforderlich ist'", sagt Eva Quante-Brandt zu den Vorwürfen. Die Schwerpunktpraxen sollen der Entlastung der Hausärzte dienen und den Patienten einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden verschaffen.
Mit ihrer Kritik an dem Konzept stehen die Hausärzte jedoch nicht alleine da. Auch die Reha-Klinik am Sendesaal fühlt sich nicht ausreichend in dem Plan der Gesundheitssenatorin gewürdigt. "De facto existieren wir darin nicht, obwohl wir die einzige Reha-Klinik in ganz Bremen sind und Geriatrie bei uns eine wichtige Rolle spielt", sagt der Geschäftsführer der Klinik, Christian Wolckenhaar. In Niedersachsen sehe die Situation ganz anders aus. Dort sei es selbstverständlich, dass in derartigen Konzepten auch die Versorgung in den Reha-Kliniken mitgedacht werde.
Der gesamte Mensch
Wolckenhaar sieht die Einrichtung seit der Errichtung der Reha-Klinik vor sieben Jahren eher stiefmütterlich behandelt. Die Krankenhäuser seien damals nicht begeistert von der Eröffnung gewesen, da viele der älteren Patienten sich anstatt im Krankenhaus nun auch in der Reha behandeln lassen können. Dass man die Geschäftsleitung für den neuen Geriatrie-Plan nicht befragt habe, sieht er auch in der besonderen Konstellation zwischen der Stadt und dem Klinikverbund der Gesundheit Nord: "Dadurch, dass die Bremer Gesundheitsbehörde selbst Träger großer Akut-Einrichtungen ist, ist der primäre Fokus für die Rehabilitation verständlicherweise sicher nicht so ausgeprägt", sagt Wolckenhaar.
"Wir würden uns daher für die Zukunft eine stärkere Wahrnehmung und einen Einbezug unserer geriatrischen Rehabilitation innerhalb altersmedizinischer Versorgungskonzepte wünschen, insbesondere, da die Zusammenarbeit der Reha-Klinik am Sendesaal mit den Bremer Akut-Geriatrien mittlerweile als sehr gut zu bezeichnen ist.“ Die Reha-Klinik am Sendesaal verfügt über 174 Betten im stationären Bereich. Zusätzlich stehen 100 Plätze für die ambulante Rehabilitation und Nachversorgung zur Verfügung.
60 Plätze gibt es aktuell in der Geriatrie. Dort kümmern sich die Ärzte nicht nur um einzelne alterstypische Krankheiten und deren Heilung, sondern um den gesamten Menschen. Dafür werden medizinische Fachrichtungen zusammengefasst. Ziel der Altersmedizin sei, die Selbstständigkeit der Menschen zu erhalten, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden sowie die Prävention alterstypischer Erkrankungen. Laut dem Geschäftsführer ist die Geriatrie dauerhaft ausgebucht, weshalb die Reha-Klinik plant, die Kapazitäten in diesem Bereich noch einmal zu erhöhen.