L 5 KR 155/18 NZB

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 3 KR 172/17
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 155/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rechnungskorrektur durch einen Krankenhausträger

Verlangt ein Krankenhausträger nach einer Prüfung durch den MDK auf dieser Grundlage eine höhere Vergütung von der Krankenkasse, steht diesem Begehren § 7 Abs. 5 PrüfvV in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung (aF) nicht entgegen.
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.04.2018 - S 3 KR 172/17 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde.
3. Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 681,09 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Umstritten ist ein Anspruch auf weitere Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 681,09 EUR.
Die bei der Beklagten versicherte F M wurde in der Zeit vom 01.09.2016 bis zum 20.09.2016 in dem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu-gelassenen Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Mit Schreiben vom 28.09.2016 stellte die Klägerin der Beklagten ausgehend von der DRG X01B (Rekonstruktive Operation bei Verletzungen ohne komplizierende Konstellation, ohne Eingriff an mehreren Lokalisationen, ohne freie Lappenplastik mit mikrovask. Anastomosierung, mit komplexer Diagnose oder Prozedur oder äußerst schw. CC, mehr als 1 BT) Behandlungskosten in Höhe von 6.410,37 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Überprüfung. In seinem Gutachten von Januar 2017 gelangte der MDK zu dem Ergebnis, dass nicht von der DRG X01B, sondern von der DRG J02C (Hauttransplantation oder Lappenplastik an der unteren Extremität bei Ulkus oder Infektion/Entzündung oder ausgedehnte Lymphadenektomie, ohne äußerst schwere CC, ohne komplexen Eingriff) auszugehen sei. Daraufhin stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung dieser DRG mit Schreiben vom 31.01.2017 Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 7.091,46 EUR in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung des Differenzbetrages von 681,09 EUR (7.091,46 EUR - 6.410,37 EUR).
Am 05.04.2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin sei mit ihrer Nachforderung gemäß § 7 Abs 5 der auf Grundlage von § 17c Abs 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) geschlossenen Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V, in Kraft getreten am 01.09.2014 (PrüfvV alte Fassung – aF –), ausgeschlossen. Die in dieser Vorschrift geregelte Fünfmonatsfrist gelte nur, wenn der MDK die Begutachtung vor Ablauf der Frist abgeschlossen habe; Neukodierungen nach Abschluss der MDK-Begutachtung ermögliche die PrüfvV nicht (Hinweis auf Sozialgericht – SG – Reutlingen 11.01.2017 – S 1 KR 3109/15).
Durch Urteil vom 17.04.2018 hat das SG Mainz die Beklagte zur Zahlung einer weiteren Vergütung von 681,09 EUR nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Klägerin nicht an einer Korrektur der Rechnung vom 28.09.2016 gehindert gewesen. Ein Verbot der nachträglichen Rechnungskorrektur lasse sich § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV aF nicht entnehmen. Die abschließende Rechnung als solche stelle bei verständiger Auslegung der Vorschrift keinen Datensatz im Sinne des (iSd) § 7 Abs 5 Satz 1 PrüfvV aF dar. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, die Möglichkeiten einer Ergänzung oder Korrektur von Datensätzen zu beschränken, um zeitliche Verzögerungen der Abrechnungsprüfung zu verhindern. Datensätze iS dieser Vorschrift könnten bei teleologischer Auslegung dieser Norm nur solche (Behandlungs)unterlagen sein, die der MDK für eine eigenständige Groupierung des Behandlungsfalls benötige. Passe das Krankenhaus seine Endabrechnung der Auffassung des MDK an, resultierten hieraus keine Verzögerungen der Abrechnungsprüfung. Die Möglichkeit einer der Beurteilung des MDK entsprechenden Rechnungskorrektur werde auch durch eine systematische Auslegung der PrüfvV belegt, da § 5 Abs 5 PrüfvV aF ausdrücklich bestimme, dass eine (nachträgliche) Rechnungskorrektur möglich sei, wenn im Rahmen der Abrechnungsprüfung Einvernehmen über die medizinisch-rechtliche Beurteilung des Behandlungsfalls erzielt werde. Entgegen der Auffassung der Beklagten hätten die Vertragsparteien mit der Einfügung von § 7 Abs 5 Satz 3 PrüfvV neue Fassung (nF) – gültig ab dem 01.01.2017 – nicht klar-gestellt, dass eine nachträgliche Rechnungskorrektur nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens ausgeschlossen sei. Die Neuregelung ändere nichts an der Tatsache, dass es sich bei der Endabrechnung des Krankenhauses nicht um Datensätze iSd § 7 Abs 5 Satz 1 PrüfvV nF handele. Die Vertragsbeteiligten hätten mit der Schaffung der PrüfvV ein Verfahren schaffen wollen, das eine einvernehmliche Einigung der Beteiligten ermöglichen und drohende gerichtliche Verfahren verhindern solle. Ein Einvernehmen könnte zwischen den Beteiligten nie hergestellt werden, wenn es dem Krankenhaus verwehrt wäre, sich der Beurteilung des MDK anzuschließen.
Gegen dieses ihr am 15.05.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.06.2018 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, die vorträgt: Die vorliegend maßgebende Streitfrage trete in zahllosen Streitfällen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern auf. Dem Sinn und Zweck der PrüfvV entspreche es, die dort vereinbarten Fristen als Ausschlussfristen zu verstehen. Der Änderung der Prüfvereinbarung mit § 7 Abs 5 Satz 3 PrüfvV nF komme insoweit nur klarstellende Bedeutung zu. Wenn schon der MDK Änderungen nach fünf Monaten nicht mehr berücksichtigen müsse, obwohl eine Prüfung noch nicht abgeschlossen sei, müsse dies erst recht gelten, wenn die Prüfung bereits beendet sei. Entsprechend finde sich in den Hinweisen des GKV-Spitzenverbandes zur PrüfvV aF die Formulierung "während der MDK-Prüfung". Rechnungen seien als "Datensätze" zu verstehen; aus § 3 Abs 1 Datenübermittlungsvereinbarung iSd § 301 SGB V sei ersichtlich, dass der "Rechnungssatz" "Datensatz" sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Mainz vom 17.04.2018 – S 3 KR 172/17 – zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Zulassungsgründe iSd § 144 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht ersichtlich. Die Fälle, in denen der MDK zugunsten des Krankenhauses das Grouping-Ergebnis in ein solches ändere, dass dem Krankenhaus ein höheres Behandlungsentgelt zuweise, seien äußerst selten.
II.
Die nach § 145 SGG zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil keiner der in § 144 Abs 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt. Das Urteil des SG weicht nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 144 Abs 2 Nr 2 SGG). Auch hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel des SG geltend gemacht (§ 144 Abs 2 Nr 3 SGG).
Letztlich hat der Rechtsstreit auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs 2 Nr 1 SGG). Voraussetzung ist insoweit, dass die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 144 Rn 28). Dies gilt grundsätzlich für geltendes Recht (vgl Leitherer aaO, § 160 Rn 7). Ist eine Vorschrift außer Kraft getreten, gilt dies auch dann, wenn die Rechtsfrage noch für eine nicht unerhebliche Anzahl laufender Verfahren von Bedeutung ist (vgl Leitherer aaO, § 160 Rn 7b, 8d).
Maßgebend für den vorliegenden Rechtsstreit ist § 7 Abs 5 PrüfvV aF. Diese Fassung enthielt noch keine § 7 Abs 5 Satz 3 PrüfV nF ("Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich.") entsprechende Bestimmung. Dafür, dass noch eine nicht unerhebliche Anzahl entsprechender laufender Verfahren, für die § 7 Abs 5 PrüfvV aF gilt, nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, zumal es – wie die Klägerin zu Recht vorträgt – selten vorkommt, dass der MDK eine DRG befürwortet, die zu einem höheren als dem vom Krankenhaus geforderten Behandlungsentgelt führt.
Die Rechtsfrage bedarf aber auch unabhängig davon keiner weitergehenden obergerichtlichen Klärung (zum Erfordernis der Klärungsbedürftigkeit vgl Leitherer aaO, § 160 Rn 8), weil sie im Ergebnis eindeutig in dem von dem SG entschiedenen Sinne zu beantworten ist. Vergütungsbestimmungen sind streng wortlautbezogen auszulegen (vgl BSG, Urteil vom 26.09.2017 – B 1 KR 9/17 R, juris Rn 14). § 7 Abs 5 PrüfvV aF enthält jedoch keinen Anhalt für einen Anspruchsausschluss bei der vorliegenden Fallkonstellation (ebenso SG Reutlingen 08.11.2017 – S 1 KR 364/17, juris Rn 45). § 7 Abs 5 Satz 2 – 5 PrüfvV aF beinhaltet lediglich Vorgaben für die Einbeziehung von Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen bei Prüfungen durch den MDK, nicht aber einen Anspruchsausschluss nach MDK-Prüfungen, in denen zugunsten des Krankenhauses von einer im Vergleich zu dessen Rechnung günstigeren DRG ausgegangen wurde. Aus dem Urteil des SG Reutlingen vom 11.01.2017 (S 1 KR 3109/15) ergibt sich nichts für eine andere Beurteilung der Rechtslage.
Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist bzw innerhalb des von der Rechtsprechung des BSG definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung (vgl BSG, Urteil vom 05.07.2016 – B 1 KR 40/15 R, juris) überhaupt von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs 2 Satz 1 KHG gedeckt wäre (vgl SG Dortmund, Urteil vom 05.05.2017 – S 49 KR 580/16, juris).
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit (iVm) § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde ist das Urteil des SG rechts-kräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG). Auch die Entscheidung über den Streitwert ist nicht mit der Beschwerde bei dem BSG anfechtbar (§ 68 Abs 1 Satz 5 iVm § 66 Abs 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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