L 1 KR 381/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 KR 662/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 381/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verbringt ein Krankenhaus einen Patienten zur Durchführung einer Hemikraniektomie in ein anderes Krankenhaus, so handelt es sich nicht um eine Verbringung, sondern vielmehr um eine Verlegung. Das verbringende Krankenhaus kann sich nicht darauf berufen, dass es sich bei dieser Operation um eine Leistung eines Dritten § 2 Abs. 2 Satz Nr. 2 KHEntgG handelt.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 11.107,22 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Behandlungskosten in einer stationären Behandlung des bei der Beklagten krankenversicherten E. in der Zeit vom 5. bis 29. Dezember 2009.

Der Versicherte E. wurde am 5. Dezember 2009 wegen eines Hirninfarkts in der Klinik der Klägerin eingeliefert und zunächst mittels Lyse behandelt. Aufgrund einer Verschlechterung seines Zustands und einer zerebralen Einblutung wurde er am 6. Dezember 2009 in das beigeladene Universitätsklinikum zur Durchführung einer dekompressiven Hemikraniektomie (einseitige Entfernung von Teilen des Schädelsdaches zur Druckreduktion) links überführt und anschließend wieder in die Klinik der Klägerin verbracht.

In dem an das beigeladene Universitätsklinikum gerichteten Arztbericht des Krankenhauses der Klägerin vom 6. Dezember 2009 führte der Facharzt für Neurologie F. aus: "Die stationäre Einweisung erfolgte wegen akut am Aufnahmetag um 18:00 Uhr aufgetretener Hemiplegie rechts und motorischer Aphasie. Bislang sei lediglich ein arterieller Hypertonus bekannt. Nach Ausschluss von Kontraindikation und gleichzeitigem Eintreffen in der Klinik wurde eine systemische Lyse mittels gewichtsadaptierter Gabe von rt-PA (90 mg) durchgeführt. Sonographisch war der Befund mit einem distalen ACM-Verschluss links vereinbar. Hierunter kam es allerdings nicht zu einem klinischen Benefit. Bildgebend demarkierte sich ein ACM-Infarkt. Im Verlauf der frühen Morgenstunden des 06.12.09 verschlechterte sich die Vigilanz. Hierbei zeigte sich im CCT ein Befundprogress mit hämorrhagischer Transformation und beginnenden malignem Mediainfarkt links. Deshalb erfolgte die frühe Intubation und Beatmung und Verlegung zur dekompressiven Hemikraniektomie. ( ) Der Patient kann im Anschluss von uns intensiv medizinisch weiter betreut werden." Im Arztbericht vom 28. Dezember 2009 führte der Facharzt F. ebenfalls aus, dass der Versicherte verlegt worden sei.

Nach dem Intensivtransportprotokoll wurde der Rettungswagen zum Transport des Patienten um 7:01 Uhr am 6. Dezember 2009 verständigt. Um 7:55 Uhr wurde er im beigeladenen Universitätsklinikum zur Operation angemeldet. Das Einschleusen geschah um 8:26 Uhr. Die Operation fand in der Zeit von 9:20 Uhr bis 10:23 Uhr statt, das Ausschleusen um 11:10 Uhr. Der Rücktransport begann um 11:21 Uhr und die Übergabe des Patienten in der Klinik der Klägerin geschah um 12:34 Uhr. Der Patient wurde dann in der Klinik der Klägerin bis zum 29. Dezember 2009 weiter behandelt.

Aus dem Operationsbericht des beigeladenen Universitätsklinikums vom 7. Dezember 2009 geht hervor: "Der Patient war am Vortag im A. AX-Stadt notfallmäßig aufgenommen worden. Festgestellt werden konnte ein linksseitiger Mediainfarkt. Nach durchgeführter iv-Lysetherapie kam es zu keiner klinischen Verbesserung des Patienten. In der anschließend durchgeführten Computertomographie des Schädels demarkierte sich eine Einblutung in den linksseitigen Mediainfarkt. Bei zunehmendem Raumforderungszeichen und Vorstellung der Patientenbilder bei uns stellten wir gemeinsam mit den Kollegen der Neurologie die Indikation zur dekompressiven Hemikraniektomie als lebensrettenden Eingriff. Der Eingriff erfolgte als Notfalleingriff in Geschäftsführung ohne Auftrag. Bei Ankunft in unserem Hause war der Patient analogsediert, intubiert, die Pupillen waren isokor eng mit kaum enthaltenden Reflexen ".

In dem an die Klinik der Klägerin gerichteten Behandlungsbericht des beigeladenen Universitätsklinikums vom 6. Dezember 2009 heißt es: "In der anschließend durchgeführten Verlaufs-CCT zeigte sich eine Blutung in dem zuvor bildmorphologisch und duplexsonographisch gesicherten linksseitigen Mediainfarkt. Bei zunehmendem Raumforderungszeichnen stellten wir gemeinsam mit Ihnen die Indikation zur dekompressiven Hemikraniektomie und übernahmen hierfür den Patienten. ( ) Wir danken für die Zuweisung und unkomplizierte Rückübernahme des Patienten ".

Am 22. Januar 2010 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung einen Betrag in Höhe von 33.122,48 EUR in Rechnung. Dabei rechnete sie die Behandlung als zusammenhängenden Aufenthalt ab.

Die Beklagte zahlte darauf am 12. September 2011 einen Betrag in Höhe von 22.015,26 EUR an die Klägerin. Sie begründete die Teilzahlung damit, dass sie dem beigeladenen Universitätsklinikum die für die Operation gestellte Rechnung bereits gezahlt und aus diesem Grunde die Rechnung der Klägerin entsprechend gekürzt habe.

Unter dem 20. April 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Beigeladene davon ausgehe, dass keine Verbringung vorliege. Da eine Verlegung mit Rückverlegung vorliege, könne der OPS 5-012.0 nicht doppelt abgerechnet werden.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2012 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des noch offenen Betrages in Höhe von 11.107,22 EUR auf.

Am 14. Oktober 2013 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass es sich bei der Maßnahme des beigeladenen Universitätsklinikums nicht um eine Verlegung, sondern um eine Verbringung gehandelt habe. Bei Verbringungsleistungen i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) handele es sich stets um Leistungen, die im Verhältnis zu der vom Krankenhaus zu erbringenden Behandlungsleistungen nur ergänzende oder unterstützende Funktion hätten. Eine Verlegung liege hingegen vor, wenn die Verantwortung für die gesamte Behandlung vollständig auf das aufnehmende Krankenhaus übergehe. In einem solchen Fall scheide der Patient aus dem stationären Behandlungsablauf und der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses aus und werde in die stationären Abläufe des aufnehmenden Krankenhauses integriert. Vorliegend sei die Gesamtverantwortung der Behandlung bei der Klägerin verblieben. Dem beigeladenen Universitätsklinikum sei lediglich ein Einzelauftrag zur operativen Versorgung erteilt worden. Dies ergebe sich auch aus dem Entlassungsbrief des beigeladenen Universitätsklinikums, in welchem angegeben worden sei, dass die Übernahme des Patienten nur zur dekompressiven Hemikraniektomie erfolge. Das beigeladene Universitätsklinikum habe nicht die Gesamtverantwortung übernommen. Andernfalls wäre nicht ersichtlich, warum der Patient unmittelbar nach dem Eingriff noch im intubierten Zustand in die Klinik der Klägerin zurückverbracht worden sei. Es fehle auch an einer Entscheidung eines Arztes des beigeladenen Universitätsklinikums, den Patienten für mindestens einen Tag und eine Nacht zu übernehmen. Es sei von vornherein abgesprochen gewesen, dass der Patient unmittelbar nach dem Eingriff zurück in das Krankenhaus der Klägerin verbracht werde.

Die Beklagte hat demgegenüber erklärt, es habe sich um eine Verlegung gehandelt. Der Patient sei in der Fachabteilung der Neurochirurgie stationär als Notfall wegen eines Hirninfarktes behandelt worden. Insoweit handele es sich um einen schwierigen und gefährlichen Eingriff. Die Klinik der Klägerin verfüge nicht über die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten. Daher sei der Patient verlegt worden. Für einen solchen Eingriff, der mit über 6.000 EUR vergütet werde, übernehme das durchführende Krankenhaus ohne jeden Zweifel für den Zeitraum der dortigen Behandlung die Gesamtverantwortung. Für den Fall, dass von einer Verbringung ausgegangen werde, bestehe ein Erstattungsanspruch gegenüber dem beigeladenen Universitätsklinikum in Höhe von 3.470,95 EUR. Im Übrigen werde im Arztbericht der Klägerin vom 28. Dezember 2009 eine "Verlegung zur dekompressiven Hemikraniektomie" aufgeführt Rede. Dies gelte ebenso für den Arztbericht vom 6. Dezember 2009. Auch im Pflegeverlauf sei unter dem 6. Dezember 2009 von einer Verlegung die Rede gewesen.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2015 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 11.107,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 33.122,48 EUR für den Zeitraum vom 22. Februar 2010 bis 12. September 2011 und aus 11.107,22 EUR seit dem 13. September 2011 zu zahlen. Der Vergütungsanspruch folge aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. dem Fallpauschalenkatalog für das Jahr 2010. Die Klägerin habe auf Grundlage von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 KHEntgG sowie § 17b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf weitere Vergütung der in ihrer Einrichtung erbrachten Behandlungsleistungen als Leistungen der voll stationären Krankenhausbehandlung, ohne dass ein Verlegungsabschlag zu berücksichtigen sei. Bei der in dem beigeladenen Universitätsklinikum durchgeführten Operation zur dekompressiven Hemikraniektomie mit sofortigem Rücktransport in die Klinik der Klägerin handele es sich um eine Verbringung. Das Sozialgericht hat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. September 2013, B 3 KR 34/12 R) zur Abgrenzung nichtoperativer vollstationärer von teilstationärer oder ambulanter Krankenhausbehandlung verwiesen. Maßgebliches Kriterium der "Aufnahme" in das Krankenhaus sei die "physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses". Dieses werde in Anspruch genommen, wenn sich die Behandlung zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecke. Demgegenüber erfordere der Aufnahmeakt selbst keine zeitliche Erstreckung über eine bestimmte Dauer. Voraussetzung hierfür sei lediglich die Entscheidung des Krankenhausarztes, dass eine Behandlung über mindestens einen Tag und eine Nacht erfolgen solle. Soweit in den Arztberichten von "Verlegung" die Rede sei, sei dies untechnisch zu verstehen. An die fehlerhafte Bezeichnung könnten normalerweise Rechtsfolgen nicht geknüpft werden.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. November 2015 zugestellte Urteil am 14. Dezember 2015 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt hat sie aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Leistungen eines Dritten im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 KHEntgG nur Leistungen sein könnten, die im Verhältnis zu der vom Krankenhaus zu erbringenden Hauptbehandlungsleistung lediglich ergänzende oder unterstützende Funktion hätten. Das Vorliegen einer voll stationären Krankenhausbehandlung schließe die Annahme aus, dass es sich um eine Leistung eines Dritten handeln könne. Ferner habe das BSG darauf abgestellt, dass ein eigenständiger Vergütungsanspruch entstehe, wenn eine Leistung außerhalb des Auftrages des Sendekrankenhauses erbracht werde. Vorliegend habe es sich um eine Hauptbehandlungsleistung gehandelt. Das beigeladene Universitätsklinikum habe eine dekompressiven Hemikraniektomie in seiner Fachabteilung für Neurochirurgie durchgeführt, für welche es einen Versorgungsauftrag besitze. Diese Leistung sei hochspezialisiert und können nur in einer Klinik mit entsprechendem Versorgungsauftrag, dem Know-how und den hierfür zwingend erforderlichen besonderen personellen und sächlichen Mitteln erbracht werden. Die Klägerin habe über diese Mittel nicht verfügt. Auch habe sie keinen entsprechenden Versorgungsauftrag im Fachbereich der Neurochirurgie gehabt. Der Patient sei offensichtlich nur deswegen am gleichen Tag in die Klinik der Klägerin zurückverlegt worden, um im beigeladenen Universitätsklinikum Bettenkapazitäten freizuhalten. Tatsächlich handele es sich aber um einen operativen Eingriff, welcher die besonderen Mittel eines Krankenhauses in erhöhtem Maße in Anspruch nehme. Es handele sich um einen komplexen Eingriff am Gehirn und somit eben nicht um eine untergeordnete Leistung eines Dritten wie beispielsweise ein CT, MRT oder eine Koronarangiographie. Ein Patient sei hiernach in besonderem Maße überwachungspflichtig und in der Regel sogar intensivpflichtig. Der Patient E. sei intensivpflichtig gewesen und nach Rückverlegung in der Klinik der Klägerin intensivmedizinisch betreut worden. Von einer untergeordneten Leistung könne bei der streitigen Operation keine Rede sein. Es handele sich vielmehr um die wesentliche therapeutische Intervention zur Behandlung des aufgetretenen Krankheitsbildes. Zum damaligen Zeitpunkt habe die Klinik der Klägerin nicht über einen entsprechenden Versorgungsauftrag im Fachbereich Neurochirurgie und erst recht nicht über eine entsprechende Fachabteilung Neurochirurgie mit den personellen und sächlichen Ausstattungen verfügt. Erst seit dem Jahre 2011 verfüge die Klinik der Klägerin über eine derartige Abteilung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die zeitliche Dauer des Aufenthalts in dem beigeladenen Universitätsklinikum vorliegend unerheblich. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Patient nicht in die Klinik der Klägerin hätte zurückverlegt werden dürfen, da diese nicht in der Lage gewesen sei, zeitnah auftretende postoperative Komplikationen neurochirurgisch zu behandeln. Vor diesem Hintergrund seien die Abgrenzungskriterien zwischen ambulanter und stationärer Behandlung gänzlich ungeeignet, eine Verbringung anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Es sei unerheblich, ob das beigeladene Universitätsklinikum eine Verlegung angenommen habe. Im Übrigen verweist sie auf den Arztbericht vom 6. Dezember 2009, nach welchem eine Rückführung des Patienten von Beginn an geplant gewesen sei. Dem beigeladenen Universitätsklinikum sei lediglich der Einzelauftrag zu operativen Versorgung erteilt worden. Bei der Verbringung verlasse der Patient das Krankenhaus für kurze Zeit zur Vornahme einer medizinisch gebotenen und im Krankenhaus nicht durchführbaren einzelnen Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahme. Er bleibe dabei Patient des entsendenden Krankenhauses. Demgegenüber scheide der Patient im Falle der Verlegung aus den stationären Behandlungsabläufen und der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses aus und werde in die stationären Abläufe des aufnehmenden Krankenhauses durch Behandlung, Unterbringung und Verpflegung integriert. Die Verantwortung für die Gesamtbehandlung gehe vollständig auf das übernehmende Krankenhaus über. Die Verlegung sei als Unterfall der Entlassung zu behandeln. Es komme nicht darauf an, ob es sich um eine untergeordnete Leistung gehandelt habe. Maßgeblich für die Unterscheidung zwischen einer Verbringung und einer Verlegung sei vielmehr, ob eine Aufnahmeentscheidung auf Basis eines entsprechenden Behandlungsplans und eines zeitlichen Moments vorgelegen habe. Auf die Bedeutung der Operation für den Patienten komme es hingegen nicht an. Eine Aufnahme im beigeladenen Klinikum sei zu keiner Zeit geplant gewesen.

Das beigeladene Universitätsklinikum hat keinen Antrag gestellt, sich in dem Verfahren nicht geäußert und ist auch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Patientenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Trotz Ausbleibens der Beigeladenen zum Termin der mündlichen Verhandlung konnte der Senat entscheiden (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Klägerin hat über den von der Beklagten bereits geleisteten Betrag in Höhe von 22.015,26 EUR keinen weiteren Vergütungsanspruch in Höhe von 11.107,22 EUR für die stationäre Behandlung des bei der Beklagten versicherten E. in der Zeit vom 5. bis. 29. Dezember 2009. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. Oktober 2015 ist aufzuheben.

Die Beklagte hat zu Recht aufgrund der stationären Behandlung des Versicherten E. einen Verlegungsabschlag in Abzug gebracht. Die Klägerin kann sich nicht auf § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG berufen.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG gehören zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes kann es sich jedoch bei Leistungen Dritter im Sinne dieser Vorschrift nur um solche Leistungen handeln, die im Verhältnis zu der Hauptbehandlungsleistung lediglich ergänzende oder unterstützende Funktion haben (BSG, Urteil vom 17. November 2015, B 1 KR 12/15 R, juris, Rn. 16; s.a. Vollmöller in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2014, § 8 KHEntgG; Rn. 23; Kutlu in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl., 2014, KHEntgG, § 2, Rn. 12; a.A. OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Juni 2013, 13 LC 174/10, juris, Rn. 30 ff.). Insoweit ist von einer "Verbringung" auszugehen. Hierzu zählen unter anderem diagnostische - z.B. Computertomographie - oder therapeutische Maßnahmen - z.B. Strahlentherapie - (Dietz/Bofinger, BPflV § 2, Anm. VI. 8.1) sowie Leistungen von Konsilarärzten (Kutlu in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl., 2014, KHEntgG, § 2, Rn. 12). Es können zudem auch Fälle erfasst werden, in denen der Patient stationär kurzzeitig in ein anderes Krankenhaus aufgenommen wird (Kutlu in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl., 2014, KHEntgG, § 2, Rn. 12). Bei der Verbringung verbleibt der Patient jedoch in der Behandlungsverantwortung des entsendenden Krankenhauses. Dieses bedient sich nur der Kapazität des anderen Krankenhauses. Bei dieser Drittleistung handelt es sich nur um konkrete einzelne Leistungen. Der Patient hält sich nur kurzfristig in dem anderen Krankenhaus auf. Von einer Verbringung ist daher auszugehen, wenn das abgebende Krankenhaus das Leistungsgeschehen selbst überwacht (Kutlu in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl., 2014, KHEntgG, § 2, Rn. 12) und in der Lage ist, zu jedem Zeitpunkt des Leistungsgeschehen in rechtlich relevanter Weise hierauf Einfluss nehmen zu können (Ricken, Ärztliche Drittleistungen im Rahmen der stationären Versorgung, NZS 2011, 881, 885). Das verbringende Krankenhaus vergütet dem anderen Krankenhaus dessen Leistungen nach privatrechtlicher Absprache. Diese Vergütung bestreitet es aus der Fallpauschale (Dietz/Bofinger, BPflV § 2, Anm. VII.).

Etwas anderes gilt jedoch im Falle der "Verlegung". Diese liegt vor, wenn die Verantwortung für die Gesamtbehandlung vollständig auf das aufnehmende Krankenhaus übergeht. In einem solchen Fall scheidet der Patient aus den stationären Behandlungsabläufen und der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses aus und wird in die stationären Abläufe des aufnehmenden Krankenhauses integriert (BSG, Urteil 28. Februar 2007, B 3 KR 17/06 R, juris, Rn. 22; Dietz/Bofinger, BPflV § 2, Anm. VII.). Eine vollständige Übernahme der Gesamtverantwortung setzt dabei nicht voraus, dass die Gesamtbehandlung bis zum Ende der stationären Behandlungsnotwendigkeit vollständig übernommen wird (vgl. Leber, Das Krankenhaus 2016, S. 600 f.). Ein Indiz für den Übergang der Gesamtverantwortung ist, dass beim eingeschalteten Krankenhaus ein eigenständiges Konzept für eine Behandlung entwickelt worden ist (OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Juni 2013, 13 LC 174/10, juris, Rn. 32). Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung auf der Intensivstation schließt die Annahme aus, dass es sich um eine von einem anderen Krankenhaus veranlasste Leistung eines Dritten handeln könnte (BSG, Urteil 28. Februar 2007, B 3 KR 17/06 R, juris, Rn. 21 und 23).

Ob eine Koronarangiographie (eine spezielle Form der Röntgenuntersuchung, bei der die Koronararterien abgebildet werden) im Rahmen der Verbringung erbracht werden kann, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet (bejahend: Hessisches LSG, Urteil vom 9. September 2011, L 8 KR 65/10, juris und SG Hannover, Urteil vom 20. Mai 2010, S 10 KR 175/09, juris; ausdrücklich offen gelassen: LSG Saarland, Urteile vom 22. August 2012, L 2 KR 118/09, juris, Rn. 30 und 18. Januar 2012, L 2 KR 45/09, juris, Rn. 28). Die hier streitige Operation ist jedoch mit einer Koronarangiographie nicht vergleichbar. Bei letzterer handelt es sich um eine Standardmaßnahme (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 9. September 2011, L 8 KR 65/10, juris). Bei einer Hemikraniektomie erfolgt eine einseitige Entfernung des Schädeldaches. Mit dieser Operation wird bei einer Erhöhung des Drucks im Schädel (Hirndruck) Raum für das erhöhte Volumen geschaffen. Der entfernte Knochendeckel wird aufbewahrt, um ihn später wieder eingesetzt. Die Konservierung des Knochens kann durch Einpflanzung in die Bauchhöhle oder durch Tiefgefrieren erfolgen (https://de.wikipedia.org/wiki/Kraniektomie). Damit ist eine Hemikraniektomie ein äußerst schwerwiegender Eingriff, der mit einer Koronarangiographie nicht zu vergleichen ist.

Zudem hat die Klinik der Klägerin zum Zeitpunkt der streitigen Behandlung nach ihrem Versorgungsauftrag nicht über eine Fachabteilung Neurochirurgie mit der erforderlichen personellen und sächlichen Ausstattung verfügt, um die hier streitige Operation durchzuführen. Da die Klinik der Beigeladenen eine Leistung außerhalb des damaligen Versorgungsauftrages der Klinik der Klägerin erbracht hat, hatte die Beigeladene einen eigenständigen Vergütungsanspruch (vgl. BSG, Urteil 28. Februar 2007, B 3 KR 17/06 R, juris, Rn. 23, Rn. 23). Dementsprechend hat die Beklagte auch bereits auf die in Rechnung gestellte Forderung der Beigeladenen geleistet.

Ferner ist unbeachtlich, dass die Rückverlegung noch am Aufnahmetag erfolgt, da der Versicherte durchgehend stationäre Behandlung bedurfte (vgl. LSG Saarland, Urteile vom 22. August 2012, L 2 KR 118/09, juris, Rn. 29 und 18. Januar 2012, L 2 KR 45/09, juris, Rn. 33; a.A. OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Juni 2013, 13 LC 174/10, juris).

Das Krankenhaus der Klägerin hat dem beigeladenen Universitätsklinikum auch keinen klaren Einzelauftrag (Dienstvertrag) gegeben, welcher als Indiz für eine Verbringung gewertet werden könnte. Der Dritte im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG muss die Tätigkeit bewusst und zweckgerichtet dem abgebenden Krankenhaus gegenüber erbringen (vgl. LSG Saarland, Urteile vom 22. August 2012, L 2 KR 118/09, juris, Rn. 31 f. und 18. Januar 2012, L 2 KR 45/09, juris, Rn. 28; Korthus, Das Krankenhaus 2013, S. 177; Ricken, Ärztliche Drittleistungen im Rahmen der stationären Versorgung, NZS 2011, 881, 885 f.). Der Neurologe F. vom Krankenhaus der Klägerin hat im Arztbericht vom 6. Dezember 2009 eine Verlegung beschrieben. Das beigeladene Universitätsklinikum wiederum hat im Operationsbericht vom 7. Dezember 2009 den Eingriff als "Notfalleingriff in Geschäftsführung ohne Auftrag" bezeichnet. Damit kann von einer Auftragsleistung im oben genannten Sinne nicht ausgegangen werden. Dies wurde letztendlich auch von den behandelnden Ärzten so bewertet (Arztberichte vom 6. und 28. Dezember 2009, Operationsbericht vom 7. Dezember 2009).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dem beigeladenen Klinikum waren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten, da dieses keinen Antrag gestellt hat.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Antrag der Klägerin eine bezifferte Geldleistung betrifft, ist deren Höhe für die Streitwertfestsetzung maßgebend, (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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